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Politik

"Rajoy kommt niemandem entgegen"

Friedel Taube
30. Oktober 2017

Die Regionalregierung in Barcelona ist abgesetzt. Wie geht es jetzt weiter? Günther Maihold von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin rät der Regierung in Madrid, zurückhaltend zu agieren.

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Demonstration für Unabhängigkeit Kataloniens
Bild: Getty Images/AFP/P. P. Marcou

Deutsche Welle: Die Ereignisse in Katalonien haben sich am Ende der vergangenen Woche überschlagen. Die Regionalregierung in Barcelona ist abgesetzt. Wie geht es jetzt weiter? Wird das Separatistenlager durch die Zwangsmaßnahmen geschwächt - oder erhält es im Gegenteil Zulauf?

Günther Maihold: Das wird stark davon abhängen, wie die spanische Regierung diese Zwangsmaßnahmen umsetzt. Wenn sie sich für eine harte Intervention entscheidet, die den Separatisten die Möglichkeit gibt, immer wieder Aktionen gegen diesen Durchgriff zu inszenieren und Märtyrer zu erschaffen, dann wird es eine schwierige Zeit werden. Wenn sich Madrid aber für eine intelligente Strategie ausspricht und wenig Zwangsmaßnahmen anordnet und stattdessen mit einer Steuerung aus Madrid - ohne Vor-Ort-Präsenz - agiert, dann könnte es bis zu den Wahlen am 21. Dezember ruhiges Fahrwasser für die Anwendung des Artikels 155 geben.

Was empfehlen Sie Madrid?

Es ist eine positive Entscheidung, einen relativ nahen Wahltermin zu setzen, weil dadurch die Karten natürlich innerhalb des separatistischen Lagers neu gemischt werden. Zum anderen ist damit für alle ein Endpunkt dieser Anwendung des Artikels 155 sichtbar, weil klar ist, dass es ein neues Parlament geben wird. Dann wird neu verhandelt werden, auf welcher Basis die Beziehungen zwischen Barcelona und Madrid stehen. Eine zurückhaltende Umsetzung der Maßnahmen ist in jeder Hinsicht empfehlenswert.

Schon vor dem vergangenen Freitag war klar, dass eine Unabhängigkeitserklärung keine realistische Chance haben dürfte. Ist die Separatistenbewegung nicht sehenden Auges gegen die Wand gelaufen?     

Günther Maihold / Politologe / SWP
Günther Maihold: "Die akute Phase ist vorbei"Bild: SWP

Sie wollten in jedem Fall diesen "politischen Pfosten" einrammen. Sie haben eine Unabhängigkeitserklärung in die Welt gesetzt und gesagt: "Das ist jetzt der Punkt, von dem aus wir verhandeln." So war das zu verstehen. Niemand glaubt daran, dass ein verfassungsgebender Prozess dadurch in Gang gesetzt wird, auch wenn einige versuchen, das so darzustellen. Es ist jetzt klar: Der nächste politische Bezugspunkt sind die Wahlen am 21. Dezember. Die meisten katalanischen Parteien positionieren sich bereits jetzt auf diese Wahlen hin. Ich glaube, die akute Phase, in der alles eskaliert ist, ist vorbei.

Ist Mariano Rajoy gewillt - auch in Sachen Finanzen - den Katalanen entgegen zu kommen? Muss er das?

Er wird niemandem entgegenkommen, weil er ganz auf einen Sieg der Spanien-Befürworter am 21. Dezember hinarbeitet. Dann würde in Barcelona ein neues Parlament die Unabhängigkeitserklärung zurücknehmen oder in einen Verhandlungsauftrag verwandeln. Für ihn liegen Verhandlungen erst dann an, wenn eine neues, legitimes Parlament konstituiert ist.

Sie haben gerade das Szenario beschrieben, dass am 21. Dezember das spanische Lager die Oberhand behält. Aber was wäre in dem anderen Fall, wenn in Katalonien ein Votum zugunsten der Separatisten herauskommt?

Dann sind genauso wie im ersten Fall erstmal Verhandlungen gefragt. Es müsste über die Ausbreitung der Unabhängigkeitsbewegung geredet werden. Wir hätten es mit Fragen nach den Bedingungen der Autonomie zu tun, im Zweifelsfall aber auch mit den Bedingungen und Möglichkeiten der Souveränität.

Ist der spanische Staat der Autonomien noch zeitgemäß? Oder braucht das Land eine Föderalstruktur?

Der entscheidende Punkt ist, dass die katalanische Bewegung sich gegen eine föderative Ordnung ausspricht, da das nur ein Föderalismus der Differenz sein kann. Katalonien hat eine historische Identität und muss deshalb immer anderes behandelt werden als andere regionale Identitäten. Insofern ist das deutsche Modell des Übergangs von einem Zentralstaat zu einem Bundesstaat in Spanien so nicht umzusetzen. Es würde trotzdem Sinn machen, die Autonomiestatute dahingehend zu verändern, dass es zu einem berechenbaren Statut kommt. Derzeit ist immer vieles abhängig vom jeweiligen guten Willen des spanischen Ministerpräsidenten.

Die politische Atmosphäre zwischen Madrid und Barcelona ist jetzt erstmal vergiftet. Kann der Riss gekittet werden?

Ich hoffe auf den Effekt des Wahlvorgangs. Das ist der Punkt, an dem der Souverän spricht und damit die Machtspiele der Regierung außer Kraft gesetzt werden. Ich gehe davon aus, dass trotz aller Polemisierung die Lage ruhiger wird und die politischen Lager neu geordnet werden.

 

Günther Maihold ist stellvertretender Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Er forscht unter anderem zu den Themenfeldern Lateinamerika, Spanien und organisierte Kriminalität.