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Katar und die VAE: weiter auf Versöhnungskurs

22. Juni 2023

Lange hatten Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate ein gespanntes Verhältnis, geprägt von Blockade und Boykott. Nun tauschen sie wieder Botschafter aus. Die Annäherung folgt einem Trend in der Golfregion.

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Der Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al-Thani, und Muhammad bin Zayid Al Nahyan, Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate, bei einer Unterredung in Doha, Dezember 2022
Auf Annäherungskurs: der Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al-Thani, und Muhammad bin Zayid Al Nahyan, Präsident der VAE, bei einem Treffen in Doha, Dezember 2022Bild: Qatar Amiri Diwan/AP/picture alliance

Im Dialog sind sie schon seit Längerem. In Zukunft wollen Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE)  nun auch wieder über offizielle Kanäle miteinander reden und darum Botschafter austauschen. So verkündeten es die beiden Staaten in einer am vergangenen Montag veröffentlichten gemeinsamen Erklärung. "Die Vereinigten Arabischen Emirate und der Staat Katar haben die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern bekannt gegeben", meldete die offizielle Nachrichtenagentur der Emirate (WAM) in eher nüchternem Tonfall.

Boykott zwischen Katar und VAE ist endgültig Geschichte

Mit der Vereinbarung sind endgültig der Boykott und die Blockade überwunden, die Saudi-Arabien 2017 gegen Katar verhängte, und denen sich die VAE, Bahrain und Ägypten anschlossen. Die Länder warfen Katar damals vor, "terroristische" Gruppen zu unterstützen und sich zu sehr ihrem Hauptkonkurrenten in der Region, Iran, angenähert zu haben.

Katar hatte diese Vorwürfe stets vehement zurückgewiesen, aber der Boykott hinterließ mehr als nur Spuren: Den durch ihn verursachten Ausfall seiner Ex- und Importe konnte Katar nur dank der Erlöse aus seinen Gasvorkommen sowie seiner engen Beziehungen zur Türkei und zu Iran verkraften. Beide Länder sprangen damals maßgeblich als Handelspartner ein.

Offiziell war der Boykott bereits 2021 aufgehoben worden. Seitdem entspannten sich die Beziehungen beiden Seiten wieder. So empfing Katar Ende vergangenen Jahres bereits als Gastgeber der Fußballweltmeisterschaft die Staatsoberhäupter der drei ehemaligen Boykott-Länder. Der nun vereinbarte Botschafter-Austausch ist die logische Folge und formalisiert die Annäherung. 

Blick auf ein Frachtschiff im katarischen Industriehafen Ras Laffan, 2017
Katars Industriehafen Ras Laffan: Jahrelang stand die Wirtschaft des Golfstaats wegen des Boykotts der VAE und weiterer arabischer Länder unter DruckBild: Karim Jaafar/AFP/Getty Images

Neue Entwicklungsphase der Entspannung am Golf

Die Wiedereröffnung der Botschaften der beiden kleinen, aber politisch und wirtschaftlich sehr agilen und in vielen Bereichen auch miteinander konkurrierenden Golfstaaten fällt in eine Phase genereller Entspannung in der Golfregion. Zunächst bemühten sich die beiden größten Mächte der Region, Saudi-Arabien und Iran, monatelang darum, ihre teils gewaltsam durch Stellvertreterkonflikte unter anderem im Jemen und Libanon ausgetragenen Spannungen zu überwinden. Im März verkündeten die Außenminister beider Länder dann überraschend unter Vermittlung Chinas offiziell ihre Annäherung, einschließlich der Wiedereröffnung ihrer Botschaften. 

Wenn die VAE sich nun auch Katar wieder annähern, folgen sie allerdings damit nicht nur einfach dem Kurs ihres mächtigen Nachbarn und Verbündeten Saudi-Arabien. Vielmehr hätten die Emirate durchaus eigene Interessen im Blick, sagt Cinzia Bianco, Expertin für die Golfregion beim Thinktank European Council on Foreign Relations.

Das für die VAE wichtigste Anliegen:  Katars Umgang mit den Muslimbrüdern. Der Umstand, dass viele, teils auch prominente Vertreter der islamistischen Bewegung in Doha Unterschlupf und Schutz fanden, war der konservativen Führung der VAE stets ein Dorn im Auge.

Distanz zu den Muslimbrüdern

"Katars Probleme mit Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien sind in erster Linie auf seine Unterstützung der Muslimbruderschaft und einiger mit ihr verbundener Persönlichkeiten und Organisationen zurückzuführen", heißt es entsprechend in einer Analyse des Thinktanks The Washington Institute. "Diese Länder haben sich auch über die negative Medienberichterstattung von Al Jazeera, Katars staatlich finanziertem Medienunternehmen, beschwert." Doch das scheint inzwischen Geschichte, bereits 2021 ergriff Katar hierfür erste Maßnahmen. "Katar hat die Muslimbruderschaft nahezu vollständig fallen gelassen", sagt Cinzia Bianco.

Hauptsitz des Nachrichtensenders Al Jazeera in Doha
Eingeschränkt kritisch: Al-Jazeera, das mediale Flagschiff KatarsBild: Karim Jaafar/AFP/Getty Images

Mehr Entspannung, aber weniger Meinungsvielfalt am Golf

Ebenfalls gestutzt hat Katar sein mediales Flagschiff, den Nachrichtensender Al-Jazeera. Kritische Töne über die Nachbarstaaten und ihre Regierungen - früher zeitweise geradezu ein Markenzeichen des Senders, vor allem in seinen arabischen Programmangeboten - sind kaum noch zu vernehmen. "Die Berichterstattung des Senders hat sich verschoben", so das Washington Institute. "Er meidet bestimmte Themen, über die er früher berichtet hat - so etwa die Kritik an den Menschenrechten in Saudi-Arabien oder an der Außenpolitik der VAE, die ihrerseits Al-Jazeera routinemäßig als eine Form der Sabotage bezeichnet hatten."

Die "Zurückhaltung" wurde belohnt: Im März dieses Jahres erlaubten die VAE nach über sieben Jahren wieder den Betrieb mehrerer katarischer Nachrichtenseiten: Al-Jazeera auf Arabisch und Englisch sowie 'The New Arab'. Der Preis dafür ist eine eingeschränkte Berichterstattung, die nun neben den Herrschenden in Katar selbst auch die Machthaber der umliegenden Staaten mit allzu kritischen Recherchen oder Berichten verschont. "Die Meinungsvielfalt in den regionalen Medien nimmt weiter ab", bilanziert Cinzia Bianco. 

Unterschiedlicher Blick auf die Hamas

Komplex ist bis heute das Verhältnis Katars zu der im Gazastreifen herrschenden Hamas, die von der EU, Israel und anderen internationalen Akteuren als Terrororganisation betrachtet wird. Auch in den VAE wird die Hamas sehr kritisch gesehen, zumal sie ihre Wurzeln in der Muslimbruderschaft hat und die Annäherung der VAE an Israel mehrfach öffentlich scharf verurteilte. Katarische Stellen erklären regelmäßig, das Engagement Katars im Gazastreifen sei rein huma­nitärer Natur. Man beabsichtige nicht, die Hamas selbst zu unterstützen. Allerdings, so heißt es in einer Studie des Thinktanks Wissenschaft und Politik (SWP) von vergangenem Herbst, könne man weiter davon ausgehen, dass auch die Orga­nisation - sie ist weiterhin in Doha präsent - Hilfe erhält. 

Ein Fußballfan mit einer palästinensischen Flagge in Doha während der WM, November 2022
Ein Fußballfan mit palästinensischer Flagge während der Fußball-WM 2022 in Katar: Das Land Katar pflegt gute Beziehungen zur palästinensischen HamasBild: Michael Zemanek/Shutterstock/IMAGO

Das könnte, muss aber nicht zu neuen Streits zwischen den VAE und Katar führen. Immerhin - so die Analyse der SWP - habe sogar Israel selbst den Staat Katar faktisch als Akteur akzeptiert, der Ein­fluss auf die Hamas ausübe, mit seiner finanziellen Hilfe die wirtschaftliche Not in Gaza lindere, dabei aber gleich­zeitig selbst keine anti­-israelische Agenda betreibe. "Daran ändert auch nichts, dass Katar israelkritisch geblieben ist und einen Frieden mit dem jüdischen Staat selbst dann noch abgelehnt hat, als die Nachbarn VAE und Bahrain 2020 die sogenannten Abraham-Abkommen mit Israel schlossen", heißt es weiter in der SWP-Analyse.

Trotz der andauernden Hamas-Unterstützung legt Katar aber inzwischen offensichtlich viel Wert darauf, sich außenpolitisch mit gewichtigen arabischen Nachbarn wie den VAE besser abzustimmen - oder zumindest weniger bei ihnen anzuecken.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika