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Katargate: Die milden Folgen des EU-Skandals

Ella Joyner
9. Dezember 2023

Vor genau einem Jahr wurde der große EU-Korruptionsskandal aufgedeckt. Was haben die Ermittlungen seitdem ergeben? Und welche politischen Konsequenzen hat die EU aus Katargate gezogen?

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Eva Kaili mit Kollegen
Sie war Vize-Präsidentin des Europäischen Parlaments und stand im Zentrum des EU-Korruptionsskandals: die Griechin Eva KailiBild: Menelaos Myrillas/imago

Am frühen Abend des 9. Dezember 2022 schlug in Brüssel eine politische Bombe ein. Die Presse hatte von mehreren spektakulären Razzien in der belgischen Hauptstadt sowie in Italien erfahren - bei Personen, die entweder im Europäischen Parlament arbeiten oder eng mit dem Parlament verbunden sind. Die Ermittler fanden offenbar große Summen unrechtmäßig erlangten Geldes. Es ging um Vorwürfe, wonach Bestechungsgeld aus Nicht-EU-Staaten (namentlich Katar) nach Brüssel geflossen sei.

Allein an diesem Tag berichtete die belgische Zeitung Le Soir von acht Festnahmen. Während dieser Razzien und weiteren in den kommenden Wochen wurden insgesamt 1,5 Millionen Euro beschlagnahmt.

Foto der beschlagnahmten Gelder, dazu das Logo der Polizei
Die Ausbeute nach den RazzienBild: AFP

Die Aufdeckung der systematischen Korruption, die schnell als Katargate bezeichnet wurde, erlebte der Grünenabgeordnete im Europaparlament und EU-Anti-Korruptionsexperte, Daniel Freund, hautnah. In den ersten Tagen seien nur stückchenweise, sehr dürftige Informationen bekannt geworden.

Bis zum Mittag des folgenden Montags wurde Freunds Büro von nicht weniger als 64 Journalisten kontaktiert. Niemals habe das Parlament so viel negative Aufmerksamkeit bekommen, glaubt Freund. "Die Geschichte hat den Ruf des Hauses ruiniert."

Wer sind die Hauptakteure bei Katargate?

Das prominenteste Gesicht im Zentrum des Skandals ist die griechische Europaabgeordnete und ehemalige Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Eva Kaili: selbstbewusst, elegant und einstige Fernsehmoderatorin.

Eva Kaili und Francesco Giorgi
Bild aus besseren Tagen: Eva Kaili mit ihrem Lebensgefährten Francesco GiorgiBild: Apostolis Papanikolaou/Eurokinissi/ANE/picture alliance

Kailis Lebenspartner Francesco Giorgi und sein Chef, der ehemalige Europaabgeordnete Antonio Panzeri, wurden ebenfalls am 9. Dezember 2022 festgenommen. Giorgi war Parlamentsmitarbeiter, arbeitete aber auch separat für Panzeri. Beide sind Italiener und gehören der Mitte-Links-Fraktion der Sozialisten an. Das gilt im übrigen für alle Europaabgeordnete, die in dem weitreichenden Korruptionsfall unter Verdacht stehen. 

Panzeri gestand im Januar 2023 seine Beteiligung, er soll im Mittelpunkt des komplexen Netzwerks gestanden haben. Giorgi legte sein Geständnis noch früher ab, bestritt jedoch laut durchgesickerten Verhörprotokollen, dass seine Partnerin Kaili an dem Plan beteiligt gewesen sei. Die anderen festgenommenen Personen, Abgeordnete des Europaparlaments und Spitzenkräfte einer NGO und eines internationalen Gewerkschaftsbundes, beharren auf ihrer Unschuld. 

Was wird den Katargate-Verdächtigen vorgeworfen?

Im Wesentlichen geht es um die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, um Korruption und Geldwäsche sowie um politische Einflussnahme.

Die Vorwürfe gegen Katar wurden zuerst öffentlich bekannt. Transkripte von Befragungen von Verdächtigen, die der DW vorliegen, deuten jedoch darauf hin, dass die mutmaßlichen Taten möglicherweise in Marokko begannen und auch Mauretanien betraf. Alle drei Regierungen bestreiten eine Beteiligung oder lehnten eine Stellungnahme ab.

Eva Kaili und Ali bin Samikh Al Marri im Gespräch
Treffen mit dem Arbeitsminister von Katar, Ali bin Samikh Al Marri im Oktober 2022Bild: Twitter/Ministry of Labour/REUTERS

Laut einer diese Woche von Politico veröffentlichten Untersuchung beweisen durchgesickerte Fallakten rund 300 mutmaßliche Versuche, die EU-Demokratie zu manipulieren. Unter anderem sollten kritische Resolutionen oder offizielle Erklärungen des Parlaments zu bestimmten Ländern außerhalb Europas unterdrückt werden. Unklar bleibt, ob das angeblich von diesen Ländern gezahlte Geld bestimmte politische Ziele sichern oder das Image einiger Nicht-EU-Staaten in Brüssel verbessern sollte.

Dabei ist die außenpolitische Wirkung des Parlaments doch eher begrenzt, stellt Nick Aiossa fest. Der kommissarische Leiter der EU-Abteilung der internationalen Anti-Korruptions-NGO Transparency International glaubt aber auch, dass bestimmte Länder außerhalb der Europäischen Union sehr an der Soft Power der unverbindlichen Parlamentsbeschlüsse interessiert sind.

Wo stehen die Ermittlungen?

Derzeit sitzt niemand, der mit Katargate in Verbindung steht, hinter Gittern. Es wurde auch niemand verurteilt. Kaili, die vehement ihre Unschuld beteuert, ging sogar in die Offensive. Sie warf der belgischen Justiz vor, bei ihren Ermittlungen gegen sie zu weit gegangen zu sein und versuchte, den Skandal in "Belgiengate" umzubenennen. Immerhin gelang es zuletzt den Anwälten der Verdächtigen, eine interne Untersuchung der belgischen Ermittlungen durchzusetzen.

Der Einfluss von Katargate auf das Europäische Parlament

Im Zuge von Katargate brachte die EU ein Reformpaket auf den Weg, indem beispielsweise alle Parlamentarier dazu verpflichtet werden, Treffen mit Lobbyisten offenzulegen. Bisher galt das nur für Europaabgeordnete in bestimmten Ressorts. Einige glauben jedoch, dass dies letztendlich nicht genügt.

Laut dem Transparency-Experten Aiossa sind weitreichendere kulturelle Fragen innerhalb des Parlaments unangetastet geblieben. Die Abgeordneten hätten "leider eine ziemlich giftige Kultur der Straflosigkeit entwickelt". Freund sagte der DW, er sei letztlich von den Reformbemühungen enttäuscht. Der anfängliche Impuls, sich direkt nach Bekanntwerden des Skandals zu ändern, sei offensichtlich verpufft.

Mitarbeit Jack Parrock

Eine Adaption aus dem Englischen von Sabine Faber