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Kämpferin mit Herz

Silke Wünsch20. September 2015

Sie tritt, ringt und schlägt zu. Ihr Sport: Mixed Martial Arts. Ihre Trainingspartner: Männer. Denn Frauen wie Kathi gibt es in Deutschland nur wenige.

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Katharina Lehner, Mixed Martial Arts-Kämpferin aus Köln
Bild: DW/S. Wünsch

Die Trainingshalle liegt irgendwo am Rand von Neuss. Katharina Lehner fährt einmal pro Woche von Köln aus dorthin zum Training. Durch die kleine Turnhalle wuseln Kinder, die nach ihrem Training noch Bewegungsdrang haben. Nach und nach trudeln die älteren Sportler ein. Man begrüßt sich mit Handschlag und Schulterklopfen. Auch Kathi wird so begrüßt. Sie ist die einzige Frau hier.

Das Training beginnt mit Aufwärmübungen. Dann müssen die Athleten paarweise Übungen machen. Kathi trainiert mit ihrem Freund. "Das macht einfach Spaß mit ihm. Es ist auch viel angenehmer, weil er mich genau kennt – und weil man ja auch ein bisschen Blödsinn machen kann. Oder wenn man sauer ist, kann man auch mal richtig zuschlagen", lacht sie. Heute aber wird nicht geschlagen. Ringen steht auf dem Programm. Die beiden schleichen umeinander rum, warten auf den richtigen Moment zum Angriff. Es wirkt fast wie ein Tanz.

Harter Sport, hartes Training

Mit den meisten Trainingspartnern ist Kathi gut befreundet. Wer sie kennt, weiß, dass er bei ihr genau so hart zuschlagen soll wie bei einem Mann. Trainer Max bewundert den Biss, den Kathi an den Tag legt: "Keiner nimmt da Rücksicht drauf. Weiblich, männlich - das ist Kampfsport, das ist Vollkontakt, und da muss sie wirklich durch, und dafür habe ich den größten Respekt", sagt er im Video, das Kathi beim Training zeigt.

Trainingseinheit mit Katharina Lehner - und Trainer Max

Auch der enge Körperkontakt mit den Männern spielt für Kathi keine Rolle. Sie habe noch nie irgendetwas gespürt, was auch nur im entferntesten an Erotik erinnere, sagt sie. Wenn sie mit Frauen trainiert oder kämpft, spürt sie schon den Unterschied: "Die Schläge sind nicht so hart. Beim Ringen braucht man weniger Kraft und die Gegnerinnen sind leichter."

Königsdisziplin im Kampfsport

Kathi hat Gesundheitsmanagement studiert und darin ihren Bachelor of Arts gemacht. Tagsüber jobt sie in Teilzeit beim "Deutschen Sportverlag". Die kurzen Arbeitszeiten erlauben ihr, sich voll und ganz ihrem Sport zu widmen.

Das Training ist Kathis Lebensinhalt. Morgens geht sie laufen, abends ist sie im Sportclub, trainiert Ringen, Thaiboxen und Boxen – das alles braucht sie für ihre Kampfportart: Mixed Martial Arts, kurz MMA. Es ist eine Mischung aus Ringen, Thaiboxen und Grappling (dem Kampf am Boden). Auch andere Kampfsportarten fließen mit hinein. MMA ist eine sogenannte Vollkontaktsportart, Kathi nennt sie "die Königsdisziplin im Kampfsport".

Sie ist eine von 27 Frauen in Deutschland, die diesen Sport ausüben. Die Athletinnen kommen aus allen Gesellschaftsschichten, eine von ihnen hat auch einen Doktortitel. Kathi ist die Beste hierzulande – die erste der Rangliste.

Dafür schindet sie sich jeden Tag – abends sei sie eigentlich immer tot, erzählt sie. "Feiern geh ich höchstens mal nach einem Kampf. Aber auch nur kurz – denn wenn ich richtig feiern gehe, kann ich danach zwei Tage nicht trainieren. Das ist es mir nicht wert."

Alles für die Schönheit?

Mit 15 Jahren hat Kathi mit Bodybuilding begonnen. Erfüllt hat sie das jedoch nicht. "Da geht man Tag für Tag ins Studio und pumpt, nur damit man am Ende irgendwie gut aussieht. Und dann? Ich habe auch nie an Wettkämpfen teilgenommen; dieses ganze Hungern, nur damit man dann eine halbe Stunde auf der Bühne posen kann – das war nichts für mich." Deswegen habe sie sich schließlich für den Kampfsport entschieden. "Das ist wichtig für den Charakter und für die Entwicklung. Weil man lernt, dass man einstecken muss. Dass man in schwierigen Situationen einen kühlen Kopf bewahren muss. Wenn man einen schlimmen Schlag einsteckt, dann muss man wissen, wie man sich aus der Situation wieder befreit."

Früher hatte Kathi viele Piercings. Der Körperschmuck war das erste, von dem sie sich verabschieden musste, als sie mit dem Kampfsport begann. Aber ihre Tattoos zeigt sie gerne. Ihr tätowiertes Dekolleté ist ein Blickfang, die anderen Tattoos sind versteckter.

Katharina Lehner, Mixed Martial Arts-Kämpferin aus Köln
Wenn Kathi mit ihrem Freund trainiert, tritt die Liebe in den HintergrundBild: DW/S. Wünsch

Austeilen und einstecken

Einen ihrer Wahlsprüche hat sie sich auf den Oberschenkel stechen lassen. Ein Zitat des berühmten Boxers Rocky Balboa: "Es kommt im Leben nicht drauf an wie hart du schlägst, sondern wie viel du einstecken kannst."

K.O. geschlagen wurde Kathi noch nie. Das hat sie umgekehrt bei anderen auch noch nicht geschafft. Obwohl es bei ihrem Sport schon sehr rau zugeht. Dass Blut fließe, sei völlig normal, meint sie. "Ich habe jemandem schon die Nase und die Hand gebrochen. Und selber habe ich mal einen schlimmen Leberhaken abbekommen. Aber mehr nicht." Beim Snowboardfahren habe sie sich schon schlimmer verletzt, sagt sie.

Katharina Lehner, Mixed Martial Arts-Kämpferin aus Köln
Gruppenbild mit Dame: Kathi und ihre TrainingspartnerBild: DW/S. Wünsch

“Meine Kinder müssen ringen“

Kathi ist auf dem Land aufgewachsen. In Schwandorf bei Regensburg im "schönen Bayern", wie sie sagt. Aber so schön es auch dort war, das Landleben war ihr auf die Dauer zu langweilig. Außerdem gab es dort keine Möglichkeit, ihren Sport auszuüben. "Außer Fußball ging da gar nichts."

Mit 16 Jahren ist Kathi von Zuhause ausgezogen, mit 18 ging sie nach München um dort zu studieren. Seit 2012 lebt sie in Köln, im "Kwartier Latäng", dem Kölner Studentenviertel.

Ihre Eltern waren zunächst gar nicht begeistert. Vor allem ihre Mutter haderte lange damit, dass ihre Tochter sich im Boxring prügelt. Mittlerweile aber freuen sich die Eltern über den Erfolg ihrer Tochter und besuchen die Wettkämpfe. Die Freude am Kampfsport möchte Kathi später auch weiter geben: "Wenn ich mal Kinder habe, müssen die auf jeden Fall ringen. Aber nicht boxen. Das ist einfach nichts für Kinder."

Irgendwohin, wo es warm ist

Kathis wichtigstes Ziel ist es, im Jahr vier bis fünf Wettkämpfe zu machen. Weiter blickt sie erst mal nicht in die Zukunft. Vielleicht will sie irgendwann aus Deutschland weg – dorthin, wo es warm ist. Obwohl sie sich hier schon sehr wohlfühle - egal, wo in Deutschland. Ihre Wettkämpfe haben sie schon in viele Städte geführt - im Westen wie im Osten. Einen Unterschied bei den Menschen hat Kathi noch nicht erlebt. Außer beim Dialekt.

Der 3. Oktober und die deutsche Einheit sind für Kathi keine wichtigen Themen. "Ich habe das ja nicht mitbekommen. Natürlich ist es gut, dass da keine Grenze mehr ist. Dass die Menschen aus der ehemaligen DDR frei sind."