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"Katrina" hat New Orleans nicht gebrochen

29. August 2015

Zehn Jahre nach den Naturgewalten flammt in der Stadt am Mississippi noch einmal der Sturm der Gefühle auf. In die Stille der Trauer mischt sich die Musik der Südstaaten - aber auch Bitterkeit.

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Trauernde Frau in New Orleans am zehnten Jahrestag des Wirbelsturms "Katrina" (Foto: Joe Raedle/Getty Images)
Gedenken unter Tränen: New Orleans am zehnten Jahrestag des Wirbelsturms "Katrina"Bild: Getty Images/J. Raedle

"The Big Easy", so lautet der Spitzname der Stadt, deren Lebensgefühl seit jeher von einer Leichtigkeit bestimmt wird, hinter der sich oft eine Prise Wehmut versteckt. In diesen Tagen ist die Leichtigkeit indes überschattet - die Wehmut dagegen ist in New Orleans allerorten präsent.

Hier steht die Wiege des Jazz. Und so, wie sich in den Südstaatenklängen unbändige Kraft und Melancholie vereinen, mischt sich in die Stille der Trauer auch jetzt - zehn Jahre nach dem Durchzug des Wirbelsturms "Katrina" - der Rhythmus der Musik. Es ist ein tönendes Dennoch. "New Orleans ist Amerikas beste Comeback-Story", sagt Bürgermeister Mitch Landrieu. "Unsere Stadt ist wiederauferstanden."

Kollektives Trauma in den Köpfen

Das Feiern hat "The Crescent City" (die Sichelförmige), wie sie nach ihrem Grundriss im Mississippi-Delta auch genannt wird, nie verlernt. Schon wenige Monate nach der Katastrophe im August 2005, als der Hurrikan wie eine Planierraupe alles niederwalzte, stürzte sich die Stadt wieder in den Taumel des Mardi Gras, ihres weltberühmten Karnevals.

Doch die Katastrophe ist auch nach einem Jahrzehnt nicht bewältigt, das kollektive Trauma lebt in den Köpfen fort - ebenso wie die Bilder des Grauens. Die größten Zerstörungen verursachte damals nicht Luft, sondern Wasser. Als die maroden Deiche barsten, brach die Flut herein: Fast 80 Prozent von New Orleans wurden überschwemmt. Insgesamt verloren 1800 Menschen an der Golfküste durch "Katrina" ihr Leben - und die meisten davon traf es hier. Hunderte werden bis heute vermisst.

Performance in der Dillard-Universität, die durch "Katrina" stark zerstört worden war (Foto: Mario Tama/Getty Images)
Energie und Melancholie: Performance in der Dillard University, die durch "Katrina" stark zerstört worden warBild: Getty Images/M. Tama

Teuerste Naturkatastrophe der US-Geschichte

Um 8.29 Uhr Ortszeit, dem Zeitpunkt des ersten Deichbruchs am 29. August 2005, wurden im Staddteil Lower Ninth Ward Blumenkränze niedergelegt. Etwa 400 Menschen gaben ihrer Trauer über verlorene Angehörige Ausdruck. Aus den Reden der Offiziellen sprach aber auch die Unbeugsamkeit, die für die Menschen hier charakteristisch ist. "Auch wenn der Sturm uns in die Knie gezwungen hat, wir haben nicht zugelassen, dass uns dieses Unwetter vernichtet", sagte der Gouverneur von Louisiana, Bobby Jindal, bei der Gedenkfeier in dem überwiegend von Schwarzen bewohnten Viertel.

"Katrina" war die teuerste Naturkatastrophe in der Geschichte der USA. Der Sturm soll einen Schaden von 125 Milliarden Dollar angerichtet haben (heute 111 Milliarden Euro). Andere Berechnungen kommen sogar auf 150 Milliarden Dollar. Aber auch die Vorkehrungen, die ein ähnliches Szenario in Zukunft verhindern sollen, sind rekordverdächtig. Es gibt nun einen 14,5 Milliarden Dollar teuren Hurrikan-Schutz, der die wohl größten Pumpanlagen der Welt umfasst.

Mann am Katrina-Memorial in New Orleans, wo fast 100 Opfer bestattet sind (Photo by Joe Raedle/Getty Images)
Namenloser Schmerz: Am Katrina-Memorial in New Orleans sind fast 100 nicht identifizierbare Opfer bestattetBild: Getty Images/J. Raedle

Verzweifeltes Ausharren auf dem Dach

Damit kann allerdings nicht wiedergutgemacht werden, was die Behörden vor zehn Jahren versäumten. Viel zu spät kam damals die staatliche Hilfe; bis heute ist Bitterkeit darüber zu spüren. Der Bundesstaat Louisiana unterschätzte die Tragweite und forderte zunächst keine Unterstützung aus Washington an. Manche Menschen warteten auf Hausdächern einen Tag lang auf ihre Rettung. Der 2005 amtierende Präsident George W. Bush, der am Freitag die Gedenkfeiern in New Orleans besuchte, hatte erst am dritten Tag nach dem Sturm seinen Urlaub unterbrochen. Das Katastrophengebiet betrat er nicht: Vom Flugzeug aus besichtigte er den Schaden trockenen Fußes.

jj/SC (dpa, afp, rtr)