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Katz-und-Maus-Spiel mit Chinas Zensoren

Mathias Bölinger26. Februar 2013

Chinas neue Führung erbt von ihren Vorgängern ein rigoroses Zensursystem. Wenig spricht dafür, dass sich daran etwas ändern wird. Dabei wird es für den Staat immer schwerer, Informationen zu kontrollieren.

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Die Wochenzeitung Nanfang Zhoumo (Bild: AP)
Nanfang ZhoumoBild: dapd

Für die Leser barg die Neujahrsausgabe der Wochenzeitschrift Nanfang Zhoumo eigentlich keine Überraschung. "Träume sind unsere Verpflichtung, das Nötige zu tun", war der Leitartikel überschrieben, mit dem die Zeitschrift ihre Leser im neuen Jahr begrüßte. Und zitiert wurde darin der neue Parteivorsitzende Xi Jinping mit den Worten: "Die große Wiedergeburt Chinas ist seit jeher der große Traum des chinesischen Volkes." Solche Dinge stehen häufiger in chinesischen Zeitungen. Überrascht waren allerdings die Mitarbeiter des Magazins. Denn sie hatten einen anderen Artikel in Druck gegeben. "Der chinesische Traum ist eine verfassungsgemäße Regierung", war der Titel. Solche Dinge stehen normalerweise nicht in chinesischen Zeitungen. Und so hatte der Zensor den Artikel über Nacht ausgetauscht. Doch die Redaktion wollte sich mit damit nicht abfinden und protestierte mit einem Streik gegen die dreiste Zensur.

Gibt es einen Wendepunkt?

"Die Zensur ist in den letzten Jahren immer ausgeklügelter geworden", sagt Chang Ping, Herausgeber des Exilmagazins iSun Affairs und Mitarbeiter im chinesischen Programm der Deutschen Welle. Nicht nur gäben die Behörden in China schon vorher detaillierte Anweisungen an die Redaktionen, worüber wie berichtet werden darf. Mit Warnungen und Sanktionen versuchen sie auch, kritische Artikel vor dem Erscheinen zu unterbinden. Wenn Journalisten trotzdem veröffentlichen, droht ihnen und manchmal auch dem jeweiligen Chefredakteur die Entlassung. Chang weiß, wovon er spricht. Er war selbst einmal Chefredakteur von Nanfang Zhoumo, musste seinen Posten aber nach einem kritischen Bericht räumen.

Journalisten protestieren mit einem Transparent für mehr Freiheit (Bild: Getty Images)
Demonstration der Journalisten bei Nanfang ZhoumoBild: STR/AFP/Getty Images

Dass sich unter der nächsten Führungsgeneration an diesem System etwas ändern wird, glaubt Chang nicht. "Im Ausland und in China wird im Moment viel über einen 'Tipping Point' gesprochen, einen Wendepunkt", sagt er. Wirkliche Anzeichen dafür gebe es allerdings nicht. Der neue Parteivorsitzende Xi Jinping betone vielmehr ständig, wie wichtig es sei, dass die Kommunistische Partei ihre Macht festige – auch mit Gewalt. "Wenn es einen Wandel in China geben sollte, wird er nicht von Xi Jinping und der Führung ausgehen." Auch die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) sieht keine Tendenz zu einer Lockerung der Zensur, im Gegenteil: "Wir beobachten, dass die Regierung immer nervöser wird", sagt Ulrike Gruska, Sprecherin der Organisation. Seit zwei Jahren greife die Regierung härter durch. Insbesondere rund um den Machtwechsel seien die Spielräume für Journalisten immer enger geworden. 99 Journalisten und Blogger sitzen nach Angaben von ROG derzeit in chinesischen Gefängnissen.

Für die meisten Chinesen haben allerdings trotzdem in den letzten Jahren die Möglichkeiten zugenommen, sich über die Vorgänge im Land zu informieren. Denn trotz der Zensur wird der Journalismus in China kritischer. Seit den 90er Jahren wurden die staatseigenen Verlage zu kommerziellen Unternehmen umgebaut, die um Kunden werben müssen. Ein Weg, dies zu tun, ist, echte journalistische Inhalte anzubieten – im Rahmen der Zensur, aber hart an deren Grenzen. "Die besten investigativen Stücke in den letzten Jahren kamen immer von chinesischen Journalisten, die unter sehr harten Bedingungen arbeiten", sagt Bernhard Bartsch, der seit zehn Jahren als Korrespondent für verschiedene deutsche Medien in Peking arbeitet. Ganz vorne in dieser Entwicklung stand von Anfang an Nanfang Zhoumo, die Zeitschrift, deren Mitarbeiter an Neujahr gegen den ausgetauschten Leitartikel protestierten.

Sieben Parteiführer werden zu "sieben Zwergen"

Zum anderen erschwert aber auch das Internet den Zensoren immer mehr das Leben. China hat die aufwändigste Internet-Zensur der Welt. Sie besteht aus Filtersystemen und Internet-Zensoren, die das Netz durchforsten. Sie blockiert unerwünschte Seiten und übermittelt Anweisungen und Verbote an Internetportale und Soziale Netzwerke. Doch mit technischen Tricks und Phantasie gelingt es den Nutzern immer wieder, diese Zensur zu umgehen. "Chinesische Internetnutzer sind wahrscheinlich die cleversten der Welt", sagt Chang Ping. Immer wieder denken sich Nutzer Codewörter für heikle Themen aus. Codes, die der Zensor nicht sofort durchschaut und die trotzdem für andere Nutzer erkennbar sind. Die sieben Mitglieder der Parteiführung heißen dann eben die "sieben Zwerge". Und immer wieder verbreiten sich in China Programme, die es erlauben, die technische Zensur einfach zu umgehen.

Ein Nutzer öffnet eine chinesische Internetseite auf dem Laptop (Bild: DW)
Das chinesische Internet wird mit einem ausgeklügelten System kontrolliertBild: DW

Auch Journalisten, die wissen, dass ihre Recherche-Ergebnisse niemals durch die Medienzensur kommen, finden Wege, sie im Netz zu veröffentlichen. "Chinesische Journalisten sind äußerst geübt darin, Nachrichten schnell ins Netz zu stellen, bevor der Zensor reagieren kann", erklärt Chang. Eine Folge: Von den 99 Personen, die laut ROG in China wegen Meinungsdelikten im Gefängnis sitzen, wurden 69 für Dinge eingesperrt, die sie im Netz veröffentlicht hatten.

Und so lässt die Geschichte vom Katz-und-Maus-Spiel zwischen Zensoren, Internetnutzern und Journalisten vor allem zwei Schlüsse zu. Erstens: Die Regierung ist bereit, alles Nötige zu tun, um die Diskussionen in China so gut es geht unter Kontrolle zu halten. Und zweitens: sie muss immer mehr Aufwand betreiben, damit ihr das gelingt. Die neue Führung wird das ganz genau wissen.