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Kaukasus-Flüchtlinge in Deutschland

Nikita Jolkver / Markian Ostaptschuk3. September 2013

Die meisten Asylbewerber aus der Ex-Sowjetunion stammen aus dem russischen Nordkaukasus. Sie klagen über Armut und Gewalt. Doch unter ihnen kursiert auch ein Gerücht über offene Türen in Deutschland.

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Infoblätter der Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber in Berlin in russischer Sprache (Foto: DW)
Bild: Nikita Jolkver

Wer in Berlin als politischer Flüchtling anerkannt werden möchte, für den ist die Turmstraße 21 die wichtigste Adresse. Dort befindet sich die Zentrale Aufnahmeeinrichtung des Landes für Asylbewerber. Die meisten Menschen hier haben einen weiten Weg und schlaflose Nächte hinter sich. Mit Journalisten wollen die Neuankömmlinge aus der ehemaligen UdSSR nicht gerne sprechen.

Einer, der reden möchte, ist ein junger Mann aus Dagestan. Aber wie fast alle Asylbewerber, die in der Behörde auf ihren Bescheid warten, will er namentlich nicht genannt werden. Das Leben zu Hause sei unerträglich gewesen. Ständig sei er von der Polizei verhört worden. Man habe von ihm verlangt, gegen bestimmte Personen auszusagen.

Eingang zur Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Berlin (Foto: DW)
Der Eingang zur Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in BerlinBild: DW/N. Jolkver

Den Hinweis, Deutschland gewähre Menschen wie ihm Asyl, hätten ihm "gute Menschen" gegeben. Wie er nach Berlin gekommen ist, will der junge Mann aus Dagestan nicht preisgeben. Er sagt nur: "Wenn man Geld hat, wird man hierher gebracht."

Steigende Asylbewerberzahlen

Und derzeit kommen immer mehr Menschen nach Deutschland. Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge beantragten 52.754 Personen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres Asyl in Deutschland. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2012 hat sich die Zahl damit verdoppelt. Ein Fünftel sind Bürger der Russischen Föderation. In diesem Jahr kommen besonders viele Menschen aus den nordkaukasischen Teilrepubliken Tschetschenien und Dagestan. Von dort stammen 11.564 Flüchtlinge, deutlich mehr als aus Syrien (5514) und Afghanistan (4206).

Als "alarmierend" bezeichnet Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) die steigenden Zahlen von Asylbewerbern - und ihre Ursachen: So suchen nach Angaben von Hilfsorganisationen viele Folteropfer aus Tschetschenien in Deutschland Zuflucht. Ein Sicherheitsproblem wegen möglicher Kontakte zum islamistischen Terrorismus gibt es deshalb nach Angaben des Innenministeriums nicht generell, wohl aber in Einzelfällen. Das Bundesamt für Migration geht angesichts der aktuellen geopolitischen Lage nicht davon aus, dass Asylanträge aus Krisenländern wie Syrien und Afghanistan kurzfristig zurückgehen werden. Eine Prognose über den Zustrom aus der Russischen Föderation sei derzeit nicht möglich, so das Amt.

Deutschland als Fluchtziel

Die Hoffnung auf ein besseres Leben in Deutschland treibt die Menschen an, erzählt ein Tschetschene, der in der Berliner Aufnahmestelle in der Warteschlange steht. Der junge Mann ist Sportler. Vor drei Monaten sei er legal nach Deutschland eingereist - zu einem Wettkampf. Danach habe er beschlossen zu bleiben. "Ich will in einem freien Land leben", sagt er.

Asylsuchende vor dem Gebäude der zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber in Berlin (Foto: DW)
11.564 Flüchtlinge aus Tschetschenien und DagestanBild: Nikita Jolkver

Auch zwei andere Tschetschenen sind bereit, von sich zu erzählen. Zlata ist mit drei Kindern nach Berlin gekommen. Ihr Ehemann, ein Ingusche, sei ermordet worden. In Tschetschenien sei das Leben sehr schwer, sagt sie, die Arbeitslosigkeit hoch. Etwas Wohlstand gebe es nur im Zentrum der Hauptstadt Grosny. Sonst herrsche in der ganzen Republik nur Armut und Verfall. In Berlin habe sie von den Behörden ein Zimmer bekommen. Die Kinder würden zu Schule gehen, Deutsch lernen und bereits die Lehrer verstehen, so die Tschetschenin.

Bereits seit vier Jahren ist Magomed in Deutschland. Mehrmals wurden seine Asylanträge abgelehnt. Mit seinem Fall befasst sich jetzt die Justiz. "Ich habe auf der Seite meiner Landsleute gekämpft und unsere Heimat verteidigt, und jetzt betrachtet man mich dort als Verbrecher und Terroristen", sagt der 34-Jährige. Deshalb könne er nicht nach Tschetschenien zurück.

Gerüchte über offene Tore

Warum nimmt gerade jetzt der Strom von Flüchtlingen aus der ehemaligen Sowjetunion zu? Magomed glaubt, Menschenschmuggler hätten, um ihr Geschäft anzukurbeln, ein Gerücht in die Welt gesetzt, wonach Deutschland für Menschen aus dem Kaukasus für kurze Zeit seine Tore geöffnet habe und ihnen sogar Unterhalt zahle. "Die Menschen glauben das. Sie wollen nicht zu spät kommen und brechen auf", so der Tschetschene.

Der Weg nach Deutschland führe von Russland zunächst nach Weißrussland. Dort setzten sich die Menschen in einen Zug nach Polen. "Dort kommen dann die sogenannten 'Taxifahrer'. Sie bieten den Menschen an, sie gegen Geld nach Wien, Brüssel oder sonst wohin zu bringen", berichtet Magomed. Oder nach Berlin, zur Turmstraße 21.