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Kirchen kritisieren Rüstungsexporte

Bernd Gräßler16. Dezember 2013

Immer mehr deutsche Waffen gingen an dubiose Partner, kritisieren die Kirchen. Vermehrt würde in Konfliktregionen geliefert. Vom künftigen Wirtschaftsminister Gabriel erwartet man eine "Kehrtwende".

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Gepanzertes Fahrzeug für den Rüstungsexport nach Ägypten (Foto: DPA)
Bild: picture-alliance/dpa

Waffenexporte in Konfliktregionen waren lange Zeit ein Tabu für die deutsche Regierung. Die steigenden Rüstungsgeschäfte mit Staaten im Nahen und Mittleren Osten (Saudi-Arabien, Katar) sowie in Asien (Indien, Indonesien), deuten jedoch darauf hin, dass sie zu einem Pfeiler deutscher Außen- und Sicherheitspolitik werden könnten. Davor warnt die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) in ihrem diesjährigen Bericht zur Rüstungsexportpolitik, der heute (16.12.2013) in Berlin vorgelegt wurde.

Der von der Bundesregierung Ende November stolz vermeldete leichte Rückgang der Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter ist aus Sicht der Entwicklungspolitiker von evangelischer und katholischer Kirche zwar eine gute Nachricht. Doch es handele sich eher um eine der üblichen Schwankungen, als um eine positive Trendwende. Im Gegenteil, die neue Logik der "Ertüchtigung" von Sicherheitspartnern lasse erwarten, dass die Bundesregierung Waffen in Konfliktregionen liefere, um die dortigen als "Stabilitätsanker" betrachteten Staaten zu eigenen militärischen Interventionen zu befähigen.

Gefährliche "Ertüchtigung" dubioser Partner

Die Aufrüstung von Ländern wie Saudi-Arabien - mittlerweile größter Empfänger deutscher Waffen - widerspreche nicht nur den deutschen Kriterien, sie sei auch gefährlich für die jeweilige Region, sagte Prälat Martin Dutzmann auf einer Pressekonferenz, der evangelische Vorsitzende der GKKE. Die Frage, wie Länder wie Saudi-Arabien, die Waffen an Rebellengruppen in Syrien und in der Sahel-Zone lieferten, "Stabilitätsanker" in der Region sein können, habe die Bundesregierung nicht erläutert, betonte Dutzmann.

Von Ä wie Ägypten bis V wie Vietnam listet die GKKE eine Vielzahl von Empfängerländern deutscher Rüstungsgüter auf, in denen die Menschenrechtssituation schlecht oder sehr schlecht ist. Der Einsatz des Radpanzers "Fahd", der auf einem deutschen Design basiert und zur Niederschlagung von friedlichen Demonstrationen in Ägypten benutzt wurde, zeige die Risiken der "Ertüchtigungs"-Strategie.

Dutzmann verwies außerdem auf die zunehmende Ausfuhr von kleinen und leichten Waffen. 2012 hat die Bundesregierung eigenen Angaben zufolge die Ausfuhr von 67.000 solcher Waffen genehmigt - doppelt so viel wie im Vorjahr.

Erwartungen an den neuen Wirtschaftsminister

Allein 12.000 Maschinenpistolen gingen nach Indien. Die Auswirkungen seien oft verheerend, denn immer wieder gerieten die Waffen auf illegalem Weg in fragile Staaten und Konfliktgebiete. Das Sturmgewehr G36 von Heckler&Koch tauchte bei Kämpfen in Georgien und Libyen auf, ohne dass bis heute klar ist, auf welchen Wegen es dorthin gelangte. Das Vorgängermodell G3, im Iran unter deutscher Lizenz produziert, wird in Afrika gehandelt.

Vorsitzender der GKKE Karl Jüsten (Foto: DPA)
Prälat Jüsten: Gespannt auf Gabriels KursBild: picture-alliance/dpa

Der katholische Vorsitzende der GKKE, Prälat Jüsten, forderte "eine Kehrtwende hin zu einer tatsächlich restriktiven Genehmigungspraxis". Gewisse Erwartungen ruhen auf dem künftigen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel: Als SPD-Vorsitzender habe dieser der GKKE in den vergangenen Jahren zugesagt, bei Genehmigungen "wesentlich restriktiver vorzugehen", wenn er in der Regierung wäre, sagte Jüsten. Daher sei man jetzt gespannt.

Bessere Information des Parlaments

Notwendig ist aus Sicht der Kirchen ein Perspektivwechsel. Exportgenehmigungen für Waffen seien unter "friedensethischen Kriterien" zu bewerten, ähnlich wie die Anwendung von Gewalt selbst, das sei der gemeinsame Standpunkt aller EU-Staaten. Die Regierung solle diese eigenen politischen Grundsätze endlich ernst nehmen. Da gehe es ausdrücklich nicht um Arbeitsplätze, Standortfragen oder den Erhalt einer wettbewerbsfähigen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie.

Die Kirchen begrüßten die im Koalitionsvertrag vereinbarte größere Transparenz bei der Erteilung von Rüstungsexportgenehmigungen durch die Regierung. Demnach soll das Parlament künftig unmittelbar im Anschluss an jede Entscheidung unterrichtet werden und nicht wie bisher erst in einem Rüstungsexportbericht, der regelmäßig mit einjähriger Verzögerung veröffentlicht wurde.