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Kein Anschluss unter dieser Nummer

Anne Allmeling3. Januar 2013

Die katholische Kirche schaltet ihre Hotline für Opfer von sexuellem Missbrauch ab. Sie bietet aber weiterhin Beratung an. Nach Ansicht von Kritikern gibt es nicht genügend Hilfe für Opfer sexualisierter Gewalt.

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Eine verzweifelte Frau stützt den Kopf in ihre Hände Foto: Fotolia
Bild: Fotolia/DW

Wenn es nach Matthias Kopp, dem Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz geht, dann hat die Telefon-Hotline der katholischen Kirche ihren Dienst erfüllt. Zweieinhalb Jahre lang gab es dieses Beratungsangebot, um Missbrauchsopfern und ihren Angehörigen als erste Anlaufstelle zu dienen. Mittlerweile werde die Nummer aber kaum mehr gewählt, sagte Kopp im Gespräch mit der Deutschen Welle. Deshalb wird die Hotline Ende des Jahres abgeschaltet.

Kritik an der katholischen Kirche

Eine Entscheidung, die Johannes-Wilhelm Rörig kritisch sieht. Er ist der Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Telefon-Hotlines seien "wichtig für den ersten Schritt, um Hilfe zu suchen", sagte er der ARD.

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig Foto: Sören Stache (dpa)
Johannes-Wilhelm Rörig: "Hotlines sind wichtig"Bild: picture-alliance/dpa

Die kostenlose Telefon-Hotline war 2010 eingerichtet worden. Damals war ein Missbrauchsskandal im katholischen Canisius-Colleg in Berlin bekannt geworden, woraufhin immer weitere Fälle ans Licht kamen. Bald war klar: Überall in Deutschland gab es Mädchen und Jungen, die von Mitarbeitern der katholischen Kirche zu sexuellen Handlungen gezwungen wurden. Zahlreiche Kleriker und Laien gerieten unter Missbrauchsverdacht. Die Telefon-Hotline wurde vom Bistum Trier betreut.

Einige tausend Menschen nutzten das Angebot. "Wer bei der Hotline anrief, dem wurde Hilfe vermittelt", sagt Matthias Kopp, "sei es therapeutische Hilfe, seien es weiterführende Beratungsangebote". Dass die Hotline nun eingestellt wird, habe keine finanziellen Gründe, sondern liege schlicht an der mangelnden Nachfrage. "Bereits im Frühjahr 2012 haben wir gemerkt, dass kaum noch Anrufe kommen", sagt Kopp. "Deshalb habe ich im April angekündigt, dass die Hotline Ende 2012 ausläuft."

Forderung nach Kontrolle

Die Kritik des Bundesbeauftragten Rörig kann Kopp nicht nachvollziehen. "Wer hat seit dem Jahr 2010 eine Hotline geschaltet?" fragt er und liefert die Antwort gleich mit: "Das war nicht die Bundesregierung und auch nicht eine andere gesellschaftliche Gruppe. Es war die katholische Kirche."

Das Gebäude des Canisius-Kolleg Jesuitengymnasiums (Foto: dpa)
Kein Einzelfall: Canisius-KollegBild: picture-alliance/dpa

Genau von dieser Konstellation hält Michael Ermisch wenig. Der Vorstandsvorsitzende der Bundesinitiative Betroffener von sexualisierter Gewalt und Missbrauch e.V. kritisiert, dass die katholische Kirche zwar Beratung für Missbrauchsopfer anbiete, aber keine Kontrolle von außen zulasse. Grundsätzlich hält Ermisch, der selbst missbraucht wurde, Telefon-Hotlines als erste Anlaufstelle allerdings für sinnvoll.

Angst vor Offenbarung

"Betroffene haben oft das Problem, sich zu offenbaren", sagt Ermisch. "Das Problem ist: Wenn man sich an eine staatliche Einrichtung wendet, ist diese verpflichtet, sofort die Ermittlungsbehörden einzuschalten. Oft sind Betroffene aber noch gar nicht dazu in der Lage, sich Vernehmungen durch das Landeskriminalamt zu stellen - und wollen es auch gar nicht, weil sie Angst haben, dass die Täter sie weiter erpressen."

Ermisch kritisiert, dass die Bundesregierung den Opfern sexualisierter Gewalt nicht ausreichend Hilfe anbiete. "Es gibt die Telefon-Hotline der Bundesregierung - das war es aber auch schon", sagt Ermisch. Er fordert schnelle, unkomplizierte Hilfe vor allem für Jugendliche. Darüber hinaus müsse die Bundesregierung Stabilisierungstherapien und Paartherapien für die Betroffenen und gegebenenfalls ihre Partner finanzieren.

Maßnahmepaket der katholischen Kirche

Für die Opfer sexualisierter Gewalt arbeitet die katholische Kirche seit 2010 an einem Maßnahmepaket. Dazu gehört die finanzielle Entschädigung der Opfer, ein Präventionskonzept - und das Angebot zum Gespräch.

DBK-Pressesprecher Matthias Kopp Foto: Oliver Berg (dpa)
Matthias Kopp: "Kaum noch Anrufer"Bild: picture-alliance/dpa

"In jedem der 27 deutschen Bistümer stehen ein Missbrauchsbeauftragter und ein Präventionsbeauftragter zur Verfügung", sagt Matthias Kopp. "Die Telefon- und Mailadressen findet man schnell im Internet."

Diese langfristige Arbeit hält Kopp für effektiver als eine Hotline, die nicht mehr angerufen wird.