Kein Ende der Proteste in Belarus
13. August 2020Fünf Tage nach der umstrittenen Präsidentenwahl in Belarus sind am Donnerstag Menschen in vielen Staatsbetrieben in einen Streik gegen Staatschef Alexander Lukaschenko getreten. In der Hauptstadt Minsk und anderen Städten des Landes versammelten sich Mitarbeiter und forderten, dass Swetlana Tichanowskaja als die wahre Siegerin der Präsidentenwahl anerkannt wird. Tausende Frauen mit Blumen in den Händen bildeten auf Straßen Menschenketten, wie mehrere Medien in Belarus berichteten. Auf Plakaten war etwa "Blumen statt Gewehrkugeln" zu lesen. Demonstranten forderten Lukaschenko zum Rücktritt auf.
Keine Autos für die Polizei
Der 65-Jährige schwieg am Donnerstag zunächst zu den Protesten. So ist völlig unklar, wie sich die Lage in dem Land zwischen Russland und dem EU-Mitglied Polen weiter entwickelt. Ein Massenstreik in Unternehmen könnte dem wirtschaftlich angeschlagenen Land schwer schaden. Mitarbeiter des Automobilwerks BelAZ verlangten Berichten zufolge, dass die dort produzierten Fahrzeuge nicht an die Polizei geliefert werden sollten, die zuletzt brutal gegen Demonstranten vorging. In der Nacht zuvor hatte es zum vierten Mal in Folge Proteste gegeben.
Sicherheitskräfte nahmen dem Innenministerium zufolge rund 700 Demonstranten fest. Damit steigt die Zahl der Festgenommenen auf nunmehr fast 7000. Vor Gefängnissen forderten viele Menschen friedlich die Freilassung ihre Angehörigen. Wie viele der Festgenommenen bereits wieder frei sind, ist unklar. Das Menschenrechtszentrum Wesna (Frühling) beklagte erneut "übermäßige Polizeigewalt". Es seien Gummigeschosse und Blendgranaten auf friedliche Demonstranten abgefeuert worden. Die Uniformierten hätten in mehr als zehn Städten des Landes Proteste gewaltsam aufgelöst. Die Polizei in der Stadt Gomel bestätigte den Tod eines 25-Jährigen, der seiner Mutter zufolge am Sonntag auf dem Weg zu seiner Freundin festgenommen worden war und im Krankenhaus starb.
Sondersitzung der EU-Außenminister
Außenminister Heiko Maas kündigte indes deutlich mehr Druck auf den Machtapparat in Minsk an. Mit den Partnern werde intensiv über neue Sanktionen gesprochen, sagte der SPD-Politiker einen Tag vor einer geplanten Sondersitzung der EU-Außenminister zu Belarus. Es sei vollkommen klar, dass das Vorgehen der Sicherheitskräfte in Belarus "im Europa des 21. Jahrhundert nicht akzeptabel" sei. Strafmaßnahmen müssen aber von allen EU-Mitgliedstaaten einstimmig mitgetragen werden. Der Europa-Abgeordnete Michael Gahler (CDU) sagte der DW: "Von unserer Seite kann es keine Rückkehr zum 'business as usual' geben. Wir sollten wirklich eine lange Liste von Leuten aufstellen, die keine Visa erhalten, deren Vermögen - soweit es in der EU ist - eingefroren wird."
Russland geht von einer baldigen Beruhigung der Lage aus. "Wir rechnen eigentlich damit, dass sich die Situation im Land bald wieder normalisiert und ruhig wird", sagte die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, in Moskau. Russland rufe alle zur Zurückhaltung und Besonnenheit auf. Bislang hat sich Moskau kaum zu den Ereignissen in der Ex-Sowjetrepublik geäußert. Belarus ist wirtschaftlich massiv abhängig vom Dauerverbündeten Russland.
ml/kle (dpa, ap, afp)