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Politik

Kein Lichtblick durch Ende des Lockdowns?

13. Februar 2021

Ob mit oder ohne Lockdown - die Wirtschaft stürzt in einer Pandemie immer ab. Das sagen zumindest wissenschaftliche Studien. Den Abschwung treibt die Angst.

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Deutschland Bautzen| Coronakrise: Lockdown
Deutschland im Lockdown: Straßenszene in Bautzen (Archivbild)Bild: Andreas Franke/picture alliance

Ein Ende der staatlichen Corona-Maßnahmen wird der Wirtschaft nach Einschätzung von Ökonomen nicht automatisch zum ersehnten Aufschwung verhelfen - solange das Virus nicht unter Kontrolle ist. Vergleichsstudien aus Skandinavien und den USA zeigen, dass die Wirtschaft in Regionen ohne strikten Lockdown in der ersten Phase der Epidemie ebenso abstürzte wie in Staaten mit massiven Beschränkungen.

"Da das Virus für Unsicherheit sorgt, investieren viele Firmen nicht", sagt Clemens Fuest, der Präsident des Münchner Ifo-Instituts. "Wenn ein gefährliches Virus grassiert, gehen die meisten Menschen nicht ins Kino, ins Restaurant oder ins Konzert. Egal, ob sie dürfen oder nicht."

Schwer gestörte Lieferketten

In Europa ist Schweden das bekannteste Beispiel für ein Land, dass mit der Pandemie zunächst ohne großflächige Verbote zurechtkommen wollte. Dennoch brach die schwedische Wirtschaftsleistung nach Daten der EU-Statistikbehörde im zweiten Quartal 2020 um acht Prozent ein. Im benachbarten Dänemark betrug das Minus - mit Lockdown - 7,1 Prozent. Dabei spielte allerdings auch eine Rolle, dass die internationalen Lieferketten in der Industrie zeitweise schwer gestört waren.

Corona-Krise Schweden Stockholm | Abstandsregeln in U-Bahn
Locker auf Abstand: Schweden zögerte lange mit verbindlichen Corona-Maßnahmen (Archivbild)Bild: Alexander Farnsworth/picture alliance

Ifo-Wissenschaftler haben in einer Studie den schwedischen Arbeitsmarkt untersucht, der ebenfalls hart getroffen wurde. "Ohne Lockdown kommt der wirtschaftliche Einbruch etwas später und ist nicht ganz so tief", sagt Fuest. "Das bezahlt man allerdings mit später höheren Infektionszahlen und entsprechend größeren gesundheitlichen und ökonomischen Schäden, die nicht mitgezählt sind."

Counties auf dem Prüfstand

In den USA haben die Ökonomen Austan Goolsbee und Chad Syverson die ökonomischen Folgen für den Einzelhandel in der frühen Phase der Pandemie in mehreren US-Landkreisen mit und ohne Lockdown untersucht. Ergebnis: "Während der gesamte Kundenverkehr um 60 Prozent zurückging, erklären die rechtlichen Beschränkungen nur sieben Prozent dieses Rückgangs. Individuelle Entscheidungen (der Einkäufer) waren sehr viel wichtiger und stehen anscheinend in Zusammenhang mit der Angst vor einer Infektion", schreiben die beiden Wissenschaftler. Eine offene Frage ist allerdings, ob die Menschen sich in einer späteren Phase der Pandemie ebenso verhalten würden wie in der ersten.

Deutschland Coronavirus Lockdown
Kein Präsenzunterricht: Geschlossene Schule in Deutschland (Archivbild)Bild: Flashpic/dpa/picture alliance

Der Lockdown bedeutet für die direkt und indirekt betroffenen Branchen Tag für Tag verlorene Einnahmen. Es gibt aber keinen Konsens über die genauen Summen. Ifo-Konjunkturforscher Timo Wollmershäuser rechnet pro Woche mit einer verlorenen Wertschöpfung von 1,5 Milliarden Euro in Deutschland. Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln setzt den Betrag deutlich höher an: mit 3,5 bis fünf Milliarden Euro.

Viele Fragezeichen

Andere Einrichtungen äußern sich zurückhaltend: "Wie hoch die durch Verzögerungen verursachten volkswirtschaftlichen Einbußen sind, ist sehr stark annahmegetrieben", sagt Claus Michelsen, Leiter der Abteilung Konjunkturpolitik am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. "Die Frage ist, was als Referenzgröße dient: Wenn man die wirtschaftliche Lage vor Ausbruch der Pandemie als Vergleichsbasis nimmt, fallen die Einbußen sehr hoch aus."

Deutschland Leipzig | Autoindustrie & Corona | Porsche
Mit Mundschutz am Band: Viele Industriebetriebe produzieren auch im Lockdown (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/J. Woitas

Das DIW erwartete in seiner Prognose für das erste Quartal einen Rückgang des deutschen Bruttoinlandsprodukts um drei Prozent. "Inzwischen gehen wir davon aus, dass wir eher zu negativ als zu positiv gerechnet haben", sagt Michelsen. "Das liegt unter anderem daran, dass der Bereich der öffentlichen Vorsorge und Bildung weit weniger hart getroffen wurde als im vergangenen Frühjahr - in vielen Kindertagesstätten und Kinderbetreuungseinrichtungen wird gearbeitet." Die Industrie sei im vergangen Frühjahr komplett unvorbereitet getroffen worden und stand weitgehend still. "Das scheint dieses Mal anders zu sein."

"Egal, wie teuer es wird"

Ein entscheidender Faktor beim Tempo der wirtschaftlichen Erholung wird die Geschwindigkeit der Impfkampagne sein. Darin sind sich viele Wissenschaftler mit Unternehmern und Politikern einig. "Ein funktionierendes Impfprogramm würde die wirtschaftliche Erholung beschleunigen", sagt DIW-Konjunkturforscher Michelsen.

Deutschland Duisburg Impfzentrum Theater am Marientor
Geschwindigkeit ist Trumpf: Impfzentrum in Duisburg (Archivbild)Bild: Udo Gottschalk/imago images

Die "No COVID"-Initiative von 14 Wissenschaftlern aus Medizin, Ökonomie und weiteren Fachrichtungen rief die Regierenden in ihrem jüngsten Papier dazu auf, Geld für schnellere Impfungen in die Hand zu nehmen - und sei das noch so teuer: "Wegen der hohen Kosten der Pandemie und der notwendigen harten Maßnahmen zu ihrer Eindämmung sind Investitionen, die Aussicht auf eine Beschleunigung der Impfungen bieten, quasi in jedem Umfang rein wirtschaftlich vorteilhaft."

Ifo-Präsident Fuest war an dem Appell beteiligt. Denn nach wie vor läuft die Impfkampagne in der EU sehr schleppend. Nach der Zählung des Portals "Our World in Data" gab es Anfang der Woche in Großbritannien bereits 20 Impfungen pro 100 Einwohner, in der EU hingegen nur vier - die Briten waren bei den Impfungen also fünfmal schneller als die Kontinentaleuropäer. "Nachzügler in der Impfkampagne werden im Krisenmodus gefangen bleiben und mit erheblichen Kosten konfrontiert werden - ökonomisch und politisch", warnten die Volkswirte des Versicherungskonzerns Allianz in einer kürzlich veröffentlichten Einschätzung.

jj/fab (dpa, ifo)