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Kein Steuergeld für rechte AfD-nahe Stiftung?

9. November 2023

Die Desiderius-Stiftung steht der rechtspopulistischen AfD nahe. Wegen Zweifel an ihrer Verfassungstreue wollen Regierung und Teile der Opposition in Berlin nicht, dass sie staatliche Unterstützung erhält.

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Erika Steinbach (AfD), die Vorsitzende der Desiderius-Erasmus-Stiftung
Erika Steinbach (AfD), die Vorsitzende der Desiderius-Erasmus-StiftungBild: Uli Deck/dpa/picture alliance

"Politische Stiftungen leisten einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftspolitischen Arbeit und zur demokratischen Bildungsarbeit im In- und Ausland." Mit dieser programmatischen Aussage beginnt der Entwurf für ein Stiftungsgesetz, mit dem die Finanzierung parteinaher Stiftungen abgesichert werden soll.

Dabei handelt es sich um traditionsreiche Institutionen, die im Jahr 2023 vom Staat mit fast 700 Millionen Euro unterstützt werden. Diesen Betrag teilen sich sechs Stiftungen, die jeweils mit einer im Bundestag vertretenen Partei sympathisieren, aber rechtlich unabhängig von ihr sind.

Reichspräsident Friedrich Ebert als Namenspatron

Eine der bekanntesten ist die nach dem ersten deutschen Reichspräsidenten benannte Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). Ihre inhaltliche Nähe zur Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) manifestiert sich schon in der Person ihres Vorsitzenden: Martin Schulz, ehemaliger Präsident des Europäischen Parlaments und 2017 unterlegener SPD-Kanzlerkandidat gegen die Christdemokratin Angela Merkel.

Der erste deutsche Reichspräsident, Friedrich Ebert, auf einem Schwarz-Weiß-Foto aus dem Jahr 1922: Er sitzt an seinem Schreibtisch, auf dem sich Unterlagen stapeln. Der Sozialdemokrat, dichtes Haar und Spitzbart, trägt ein dunkles Jackett. Ebert hat die Hände auf den Tisch gelegt und blickt entschlossen in die Kamera.
Der Sozialdemokrat Friedrich Ebert war von 1919 bis 1925 erster deutscher ReichspräsidentBild: akg-images/picture alliance

Allein die FES erhält aktuell rund 200 Millionen Euro Steuergeld. Davon kann die Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) nur träumen. Sie steht der Alternative für Deutschland (AfD) nahe und bekommt bislang aus öffentlichen Kassen keinerlei Zuschüsse. Deshalb fühlt sich die vom Verfassungsschutz teilweise als rechtsextrem eingestufte Partei benachteiligt und klagte vor dem Bundesverfassungsgericht.

Kein automatischer Anspruch auf Steuer-Millionen

Das Urteil wurde Anfang 2023 gesprochen: Demnach greift die Nichtberücksichtigung der DES in das Recht der AfD auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb ein. Trotzdem lässt sich von dieser Entscheidung kein automatischer Anspruch auf Steuer-Millionen ableiten. Denn zugleich wurde der Politik aufgetragen, ein Gesetz für die Finanzierung parteinaher Stiftungen auf den Weg zu bringen. Bislang gibt es nämlich keins. Die inhaltliche Gestaltung ist Aufgabe des Parlaments. 

Sieben Richterinnen und Richter in roten Roben verkünden ihr Urteil zur AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung; sie blicken von ihren erhöhten Plätzen auf die weiteren Verfahrensbeteiligten, die unter ihnen zwischen mehreren Tischreihen sitzen.
Februar 2023: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verkündet sein Urteil zur AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung Bild: Jens Krick/Flashpic/picture alliance

Inzwischen liegt ein Entwurf vor, den vier von sechs im Bundestag vertretenen Fraktionen gemeinsam eingebracht haben: die regierenden Sozialdemokraten (SPD), Grünen und Freien Demokraten (FDP) sowie die oppositionellen Christdemokraten (CDU), die mit den Christsozialen (CSU) eine Fraktionsgemeinschaft bilden.

Verfassungstreue der Desiderius-Stiftung angezweifelt

In dem Entwurf werden Voraussetzungen genannt, die eine förderungswürdige Stiftung erfüllen muss – der zentrale Satz lautet: "Die politische Stiftung bietet in einer Gesamtschau die Gewähr, für die freiheitliche demokratische Grundordnung sowie für den Gedanken der Völkerverständigung aktiv einzutreten."

Dass die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung diese Bedingung erfüllt, wird von Fachleuten angezweifelt. Die Otto-Brenner-Stiftung, eine wissenschaftliche Stiftung der IG Metall, gelangte schon 2021 zu einer negativen Einschätzung, in der sie sich durch ihre im September 2023 vorgelegte zweite Studie bestätigt fühlt. "Immer weiter nach rechts außen" lautet das schon im Titel erkennbare Ergebnis der aktuellen Untersuchung.

Fachleute plädieren für unabhängige Überprüfung

Dem nun vorgelegten Gesetzentwurf wurde in einer öffentlichen Anhörung der Sachverständigen des Bundestages überwiegend zugestimmt. Umstritten ist allerdings, wer die Förderwürdigkeit einer parteinahen Stiftung überprüfen soll. Vorgesehen ist das Bundesinnenministerium. Mehrere Fachleute plädierten aber dafür, eine regierungsunabhängige Stelle zu betrauen.

Der niederländische Humanist Erasmus von Rotterdam im schwarzen Gewand und mit schwarzer Kopfbedeckung nachdenklich blickend neben einem Regal, in dem Bücher übereinander liegen.
Die AfD-nahe Stiftung schmückt sich mit dem Namen des niederländischen Humanisten Desiderius Erasmus von RotterdamBild: IMAGNO/Austrian Archives (AA)/picture alliance

Lediglich der Rechtswissenschaftler Ulrich Vosgerau, der die AfD auch in Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht vertritt, hält das geplante Gesetz für verfassungswidrig: Es handele sich um ein verbotenes Einzelfallgesetz. Mit Ausnahme der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung sollten alle anderen politischen Stiftungen Geld vom Staat bekommen, argumentierte der Privatdozent.

Machtmissbrauch versus Brandmauer

Der AfD-Abgeordnete Peter Boehringer bezeichnete den Gesetzentwurf in einer Bundestagsdebatte als "dreistes Lehrstück von Machtmissbrauch und Vetternwirtschaft" durch die anderen Parteien. "Das Ganze ist passgenau nur gegen eine Stiftung formuliert und das zu leugnen, wäre reine Heuchelei."

Die Bundestagsabgeordnete Clara Bünger von den Linken trägt ein rotes Jackett über einem schwarzen T-Shirt; sie sitzt mit nachdenklichem Gesichtsausdruck auf einem der blauen Stühle im Plenarsaal des Parlaments.
"Es darf kein Geld für Feinde der Demokratie und Menschenwürde geben" - Clara BüngerBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Dieser Behauptung widersprach Clara Bünger von den Linken. Das sei keine Lex AfD, sagte die Juristin an die Adresse der Rechtspopulisten gerichtet: "Dieses Gesetz kann ein wichtiger Baustein sein für eine zukünftige Brandmauer gegen rassistische, verschwörungsideologische und antidemokratische Bestrebungen, wie wir sie auch hier im Bundestag sehen."

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland