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Kein Triumph

Klaus Dahmann24. Juni 2004

Dieses Mal konnten sich die USA nicht mit der Forderung nach Immunität für ihre Soldaten durchsetzen. Ein Triumph für die Befürworter der internationalen Strafgerichtsbarkeit? Ein Kommentar von Klaus Dahmann.

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Natürlich haben die USA im Sicherheitsrat eine Niederlage hinnehmen müssen. Eine Niederlage, die einen Namen hat: Abu Ghraib - jenes Gefängnis, in dem US-Soldaten Iraker grauenhaft misshandelt und ihre Perversitäten sogar auf Fotos und Videos festgehalten haben. So dreist, wie die Regierung in Washington in den vergangenen zwei

Jahren auf Straffreiheit für ihre Bürger im Dienste der UN beharrt hat, konnte sie dieses Mal nicht vorgehen. Dann wäre sie Gefahr gelaufen, das peinliche Thema Abu Ghraib wieder in der Weltöffentlichkeit hoch zu kochen. Denn dieser Fall wäre - wenn entweder die USA oder der Irak das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs unterzeichnet hätten - möglicherweise längst in

Den Haag gelandet. Also lieber ein stiller Rückzug bei den Vereinten Nationen als eine erneute öffentliche Machtprobe.

Nur sieben US-Soldaten unter UN-Mandat

So wichtig, wie es die US-Regierung immer behauptet, ist die Immunitäts-Garantie ohnehin nicht. Zwar sind die USA nach wie vor die Nummer eins auf der Rangliste der Truppen-Steller bei internationalen Missionen. Aber nur 532 Amerikaner - fast alles Polizisten - stehen tatsächlich unter UN-Flagge. Um sie geht es. Und sollte Washington - worüber dort nun nachgedacht wird - wirklich beschließen, diese 532 US-Bürger abzuziehen, wäre das aus UN-Sicht

kein Drama. Es wäre eine Lücke, die man recht schnell mit Personal aus anderen Ländern schließen könnte. Aber ein solcher Schritt hätte eine fatale Signalwirkung: Er könnte als Aufkündigung der Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen verstanden werden. Und das würde erneut böse Schlagzeilen in der Welt-Presse nach sich ziehen - zum jetzigen Zeitpunkt eine besonders heikle Sache, da die USA bei UN und NATO um Unterstützung im Irak werben.

Bilaterale Abkommen

Kaum nötig haben die USA die Immunitäts-Garantie aber vor allem deshalb, weil sie inzwischen mit rund 100 Staaten bilaterale Abkommen in der Tasche haben. Die Vertragsstaaten sichern den USA darin zu, dass sie US-Bürger, die vom Internationalen Strafgerichtshof gesucht werden, nicht nach Den Haag ausliefern werden. Denn Washington hat hier stets das Prinzip der doppelten Absicherung verfolgt: Eine Immunitäts-Garantie

durch die UN zu bekommen, war von Anfang an eine schwierige Sache - und schon gar keine Sicherheit für die Ewigkeit. Stattdessen hat die US-Regierung frühzeitig damit begonnen, einzelne Staaten mit Drohungen wie der Streichung von Finanzhilfen zur Unterschrift unter

bilateralen Abkommen zu zwingen. Nach dem Motto: Wenn man den Internationalen Strafgerichtshof zu untergraben versucht, dann gräbt man besser zwei Tunnel gleichzeitig - für den Fall, dass einer einstürzt.

Washington bleibt uneinsichtig

Von einem großen moralischen Triumph der internationalen

Staatengemeinschaft über die USA kann man daher kaum sprechen: Die Regierung in Washington ist in der Sache selbst weiterhin uneinsichtig. Der Internationale Strafgerichtshof - ein Meilenstein des Völkerrechts? Nein, so sieht es Präsident George W. Bush keineswegs, er sieht nur die Gefahr für US-Bürger. Und so wird er das Haager Gericht auch künftig auf jede erdenkliche Weise torpedieren, um es nicht zu einem zu mächtigen Rechtsinstrument werden zu lassen. Dahinter steckt der Grundsatz: Abgeurteilt werden sollen nur jene, die von den USA als Kriegsverbrecher angesehen werden.

Und dahinter steckt auch die Hoffnung, dass Abu Ghraib möglichst bald vergessen sein wird.