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Keine Freiheit im Netz

Mahmoud Tawfik17. November 2005

Pünktlich zum Weltinformationsgipfel legt die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch ihren Bericht zur Internet-Zensur im Nahen Osten und in Nordafrika vor. Auch Gastgeberland Tunesien ist kein Vorbild.

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Internet-Café in LibyenBild: AP

"Internet Governance", die Reglementierung des Internets, ist Thema, wenn vom 16. bis 18. November 2005 in Tunesien der umstrittene Weltinformationsgipfel tagt. Dass der Gipfel gerade in Nordafrika stattfindet und nicht anderswo auf der Welt - das weckt bei vielen unangenehme Assoziationen. Denn hier hat "Governance" noch eine ganz andere Bedeutung; nicht im Sinne von Datensicherheit, sondern im Sinne von Einschränkung der Meinungsfreiheit, von Haft und Strafe.

Angst vor Repressalien

Elijah Zarwan engagiert sich als Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation für die Meinungsfreiheit. Mehr als 100 Seiten umfasst sein Bericht über Internet-Zensur im Nahen Osten und Nordafrika. Seine Recherchen kreisen immer wieder um die gleichen Fragen: Werden regierungskritische Internet-Seiten gesperrt? Werden Internet-Cafés und ihre Besucher observiert? Was geschieht mit Internet-Aktivisten wie Abdul Karim Soliman, wenn sie von einem Tag auf den anderen verschwinden? Die Behörden sind nicht gerade gesprächig, wenn es um Elijah Zarwans Fragen geht. Und selbst Betroffene halten sich zurück, aus Angst vor Repressalien.

Zensur erst auf den zweiten Blick sichtbar

Ägypten schneidet bei den Beobachtungen des Aktivisten vergleichsweise gut ab: "Wir haben festgestellt, dass es hier relativ wenig Internet-Zensur gibt." Zwar seien schon Menschen wegen ihrer Online-Aktivitäten festgenommen worden, aber das sei schon einige Zeit her.

Auf den ersten Blick gibt es ungehinderten Zugang zum Internet auch in Tunesien, Syrien und im Iran. Auf den zweiten Blick jedoch sieht die Realität weniger rosig aus. Nach Angaben von Human Rights Watch (HRW) ist eine beträchtliche Anzahl "kritischer" Internet-Seiten gesperrt. Mittels besonderer technischer Methoden versuchen die Menschenrechtler Filter ausfindig zu machen, mit denen der Zugang zu bestimmten Adressen verhindert wird.

Wegen Regime-Kritik in Haft

Derweil wird die Liste derjenigen, die wegen ihrer Internet-Aktivitäten verhaftet und verfolgt werden, in einigen Ländern immer länger. "Im Iran wurden bereits Dutzende von Bloggern inhaftiert. Meistens wird ihnen pauschal Respektlosigkeit gegenüber dem Islam vorgeworfen. Der wahre Grund ist in der Regel jedoch ihre Kritik am Regime", empört sich Elijah Zarwan.

In Tunesien, dem Gastgeberland des Weltinformationsgipfels, ist die Regierung nach Auffassung von HRW gleichfalls nicht sehr offen für Kritik. Zwar gäben sich die Regierenden dort als große Befürworter von Menschenrechten und Meinungsfreiheit, gleichzeitig würden jedoch viele Internet-Seiten zensiert oder gesperrt. Gewaltlastige oder obszöne Inhalte sind dabei längst nicht immer das ausschlaggebende Argument: "Das sind Seiten, die über Menschenrechtsverletzungen in Tunesien berichten, oder den Präsidenten und seine Gefolgsleute kritisieren", prangert Zarwan an: "So mancher wurde inhaftiert, weil er Kritik am Präsidenten im Internet veröffentlichte."

Strenge Kontrollen in Syrien

In Syrien gehöre die Internet-Kontrolle ohnehin zur staatlichen Zensur. Seit über 40 Jahren gelten dort Notstandsgesetze. Gern werden diese auch dazu benutzt, Aktivitäten im Internet zu zensieren. "Internet-Seiten der bekanntesten überregionalen Zeitungen werden zensiert, weil sie Syrien-kritische Artikel veröffentlichen. Journalisten wurden festgenommen, weil sie Informationen an ausländische Publikationen weitergaben", berichtet Zarwan.

In dem HRW-Bericht folgt auf jede landesspezifische Übersicht eine Liste von Namen, Beispiele von Inhaftierten oder ehemals Inhaftierten. Mitunter konnte Zarwan sie, ihre Angehörigen oder Bekannten selbst interviewen. Einige wollten ihn jedoch lieber nicht treffen. Warum? Darüber lässt sich nur spekulieren: Wahrscheinlich hat in solchen Fällen die Staatssicherheit den Familien gedroht.