Keine Haager Ermittlungen zu Kriegsverbrechen
12. April 2019Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) wird vorerst nicht zu möglichen Kriegsverbrechen in Afghanistan ermitteln. Die Richter seien zu dem Schluss gekommen, dass Ermittlungen zur Situation in Afghanistan "zu diesem Zeitpunkt den Interessen der Justiz nicht dienlich" seien, teilte das Gericht in Den Haag mit. Die "derzeitigen Umstände" in Afghanistan würden die "Aussicht auf eine erfolgreiche Ermittlung und Strafverfolgung extrem begrenzen".
Die Chefanklägerin Fatou Bensouda hatte 2017 beim IStGH beantragt, Ermittlungen wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in Afghanistan einleiten zu können. Konkret ging es um Vorwürfe gegen die radikalislamischen Taliban und afghanische Regierungstruppen, aber auch um mögliche Verbrechen durch Angehörige der US-Armee und des Geheimdienstes CIA in Afghanistan ab dem Jahr 2003.
Die US-Regierung reagierte deshalb verärgert auf Bensoudas Bestrebungen. Im März teilte Außenminister Mike Pompeo mit, dass sämtlichen Mitarbeitern des IStGH, die an Untersuchungen gegen in Afghanistan eingesetzte US-Militärs beteiligt seien, keine US-Visa mehr ausgestellt würden. Bensouda wurde nach Angaben ihres Büros das Visum für die USA entzogen. Der IStGH hatte 2002 seine Arbeit aufgenommen und ist für die globale Ahndung von Kriegsverbrechen, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Angriffen auf die Souveränität von Staaten zuständig. Ihm gehören 123 Länder an, die USA sind allerdings nicht beigetreten.
"Unsere Pflicht zum Dschihad ist nicht vorbei"
Die Taliban kündigten unterdessen ihre Frühjahrsoffensive an - ungeachtet laufender Gespräche mit den USA über eine Friedenslösung am Hindukusch. Viele Afghanen hatten gehofft, dass die Extremisten angesichts der politischen Annäherung in diesem Jahr darauf verzichten. "Unsere Pflicht zum Dschihad ist nicht vorbei", heißt es dagegen in einer Taliban-Erklärung. Eine Schlüsselkomponente der Offensive unter den Namen "Al-Fath" (der Sieg), sei es, Afghanen dazu zu bringen, die Armee und Polizei zu verlassen. Die Taliban rufen alle Sicherheitskräfte dazu auf, ihre Leben zu schützen und auf "sinnlose Feindseligkeiten und vergeblichen Widerstand" zu verzichten und sich ihnen anzuschließen. Man sei entschlossen, das Land aus der "Umklammerung der ausländischen Besatzung" herauszulösen, habe neue Taktiken und moderne Waffen und hoffe, mit der neuen Offensive große Gebiete inklusive Städte einzunehmen.
Die Taliban sind die mit Abstand größte Aufständischen-Gruppe in Afghanistan. Sie konnten in den vergangenen Monaten und Jahren zunehmend Gebiete erobern. Laut Militärangaben kontrolliert die afghanischen Regierung inzwischen nur noch wenig mehr als die Hälfte aller Bezirke des Landes. Mehr als 30 Prozent gelten als umkämpft. Die Kämpfe hatten sich zuletzt intensiviert. Aus Militärkreisen heißt es, täglich würden rund 35 Soldaten und Polizisten bei Gefechten sterben.
Wieder Treffen mit Taliban in Katar
Auch die Streitkräfte hatten zu Beginn des neuen afghanischen Jahres Ende März eine Offensive angekündigt. Gleichzeitig führen die Taliban Direktgespräche mit den USA zur politischen Beilegung des Konflikts. Nächste Woche sollen hochrangige Taliban zudem eine Delegation afghanischer Politiker im Golfemirat Katar zu Gesprächen treffen.
sti/pg (afp, dpa)