Kevin Behrens - von der Regionalliga ins DFB-Team
18. Oktober 2023Regionalliga, 2. Liga, Bundesliga, UEFA Conference League, Europa League, Champions League - und jetzt auch noch die Nationalmannschaft. Der steile Aufstieg, den Kevin Behrens in den vergangenen fünf Jahren hinter sich gebracht hat, ist beispiellos.
Im Mai 2018 bestritt der Angreifer für den 1. FC Saarbrücken sein letztes von insgesamt 179 Regionalligaspielen und wechselte anschließend aus der vierthöchsten deutschen Spielklasse zum SV Sandhausen in die 2. Bundesliga. Mit 27 Jahren war Behrens damit im Profifußball angekommen - schon damals ein Spätberufener.
Reifes Alter für Debüt im DFB-Trikot
Doch es sollte noch weiter nach oben gehen für ihn: Nach drei Jahren in Sandhausen klopfte Union Berlin bei Behrens an und holte den Angreifer in die Bundesliga. Die Berliner waren damals ebenfalls auf dem aufsteigenden Ast, qualifizierten sich dreimal in Folge für den Europapokal, sodass Behrens auch zu internationalen Einsätzen kam.
Als absolutes i-Tüpfelchen kam dann nach dem Amtsantritt von Julian Nagelsmann als Bundestrainer auch noch die Berufung in die deutsche Nationalmannschaft dazu, mit der die Reise in die USA antrat. Beim Testspiel gegen Mexiko wurde Behrens in der 87. Minute eingewechselt und durfte in der Schlussphase seine ersten Schritte als DFB-Auswahlspieler machen. Mit 32 Jahren und acht Monaten ist er nun der neuntälteste Debütant der Nationalmannschaftshistorie, nachdem er die Partie gegen die USA noch von der Bank aus verfolgt hatte.
"Es war echt aufregend, echt cool, in so ein wildes Spiel in dieser Atmosphäre reinzukommen. Einfach geil, dass ich mein erstes Spiel gemacht habe", schwärmte er anschließend, gab allerdings auch ehrlich zu: "Ich muss auf jeden Fall noch an mir arbeiten. Die Jungs sind echt stark. Ich bin es nicht gewohnt, auf diesem Niveau zu trainieren und zu spielen, aber ich werde weiter an mir arbeiten und alles geben."
"Wenn ich ehrlich bin, hätte ich nicht mal gedacht, dass ich es noch in die Bundesliga schaffe", hatte der kantige Stürmer schon einige Tage vor dem Spiel bescheiden eingeräumt. "Ich bin sehr, sehr stolz darauf, dass ich nie aufgegeben und immer an mir gearbeitet habe. Der Weg, den ich hinter mir habe, hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin", sagte Behrens und wusste, bei wem er sich zu bedanken hatte: bei seiner Frau, mit der er drei Kinder hat.
"Sie hat mich immer unterstützt, auch in schweren Zeiten. Sie hat alles mitgemacht, von Wilhelmshaven [wo Kevin Behrens 2011/2012 in der Regionalliga spielte - Anm. d. Red.] bis jetzt in Berlin."
Torreicher Saisonstart mit Union
Über eine Nominierung für das DFB-Team wurde übrigens bereits spekuliert, als Hansi Flick noch Bundestrainer war - und die kriselnde Mannschaft regelmäßig für negative Schlagzeilen sorgte. Der Grund: Während im Nationalteam Stürmermangel herrschte und es stets nur wenige Torchancen gab, hatte Behrens in den ersten beiden Saisonspielen der Bundesliga bereits viermal getroffen.
Da seitdem allerdings keine weiteren Treffer dazugekommen sind und Union zuletzt eine Negativserie mit sieben Pflichtspielniederlagen in Folge erlebte, hatte Behrens selbst am wenigsten mit einer Nominierung für die USA-Reise gerechnet.
Starkes Anlaufen, gut in der Luft
"Geschockt und überrascht" sei er von Nagelsmanns Anruf gewesen, sagte Behrens. Auch der Bundestrainer war zunächst irritiert und fragte mehrfach nach, ob dort wirklich der Kevin Behrens von Union Berlin am Apparat sei. Vorher hatte Nagelsmann eine falsche Nummer gehabt und offenbar mit jemandem gesprochen, der noch überraschter war als nun Behrens.
"Er ist ein guter Typ, der immer gewinnen will. Er bindet in der Box [dem 16-Meter-Raum vor dem gegnerischen Tor] viele Spieler", lobte der neue Bundestrainer seinen Stürmer schon vor dem Spiel nach den ersten Trainingseinheiten. Er sei im Anlaufen, aber auch in der Luft stark: "Das hilft, wenn wir Gegner haben, die tief verteidigen, und wir noch ein Tor brauchen", so Nagelsmann.
Behrens als Rollenspieler zur EURO?
Behrens als perfekter Joker, der sich klaglos in seine Rolle fügt und keine Ansprüche stellt? Einer, den allein die Tatsache, dabei zu sein, so sehr freut und motiviert, dass er auf und neben dem Platz alles für den Erfolg der Mannschaft tut? Und einer, der keine Anlaufzeit benötigt, wenn er spät eingewechselt wird, einfach den Kopf in die Flanke hält und das benötigte Tor macht?
Bei der letztlich enttäuschenden WM in Katar hatte Niclas Füllkrug diese Rolle. Bei der anstehenden Heim-Europameisterschaft im kommenden Jahr könnte Kevin Behrens sie übernehmen. Zutrauen würde er sie sich. Er könne, so Behrens, immer "noch etwas bewegen" und "für Tumulte sorgen".
Kevin Behrens, für Deutschland bei der EURO 2024 im eigenen Land, sechs Jahre nach seinem letzten Regionalligaspiel - das wäre dann tatsächlich die Krönung eines beispiellosen Aufstiegs.
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Mexiko - Deutschland 2:2 (1:1)
Tore: 0:1 Rüdiger (25.), 1:1 Antuna Romero (37.), 2:1 E. Sanchez (47.), 2:2 Füllkrug (51.)
Zuschauer in Philadelphia: 62.284