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FilmGlobal

KI und Film - was Kreative und Autoren fürchten

20. Juli 2023

In Hollywood streiken die Filmschaffenden. Ihr Aufbegehren zeigt, vor welchem Umbruch die Filmbranche steht: Erobert Künstliche Intelligenz den Set?

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Eine riesige Oscar-Figur wird von kleineren Figuren flankiert
Nicht alles Gold, was glänzt: Die Welt der Oscars wird künftig wohl nicht mehr ohne Künstliche Intelligenz auskommen. Dafür braucht es RegelnBild: Georg Hochmuth/APA/picture-alliance

Die Traumfabrik steht still. Seit Mai streiken Hollywoods Autoren. Mitte Juli legten auch Schauspielerinnen und Schauspieler die Arbeit nieder. Unterbrochene Film- und Seriendrehs, verlassene Premieren, gestrichene Interviews - die Auswirkungen des Ausstands sind weltweit spürbar. Den Streikenden geht es - nach Pandemie, Inflation und dem Siegeszug der Streamingdienste - nicht nur um angemessene Gehälter: Sie verlangen vor allem Schutz vor Künstlicher Intelligenz (KI).

Angst vor digitaler Ausbeutung

Tatsächlich könnte KI die Karten in der Filmbranche bald neu mischen. Schauspieler- und Autorenverbände sind alarmiert. Sprachmodule wie ChatGPT könnten schon bald ganze Drehbücher schreiben, fürchten Autoren. Schauspieler kämpfen um das Recht am eigenen Bild und der eigenen Stimme: Moderne Algorithmen erzeugen ein digitales Abbild eines Darstellers. Dieses ließe sich theoretisch - ohne weitere Gage - beliebig oft nutzen. Gleiches gilt für die Stimme. Die Sorgen der Kreativen sind groß.

Die Angst vor einer neuen Form der digitalen Ausbeutung geht um, in Hollywood ebenso wie an europäischen Filmsets. Nicht umsonst ist eine Einigung in den USA bisher nicht in Sicht. Die Solidarität mit den US-Kolleginnen und Kollegen diesseits des Atlantiks ist groß; auch, weil die Lage der Kreativen überall ähnlich ist: Nicht jeder in Hollywood zählt - wie Meryl Streep oder Leonardo diCaprio - zur Handvoll der Großverdiener, die pro Film zig Millionen einstreichen. Das Gros der Kreativen und Darsteller kämpft sich dort von Job zu Job, um Miete und Krankenversicherung aufbringen zu können.

Leonardo DiCaprio im Anzug mit Weste und einem Hammer in der Hand
Superstars wie Leonardo DiCaprio (hier in "Django Unchained") müssen nicht um ihre Existenz fürchtenBild: Andrew Cooper/SMPSP/The Weinstein Company/AP Photo/picture alliance

Ähnlich in Deutschland: Hier liegt das Jahreseinkommen von 70 Prozent aller Schauspieleinnen und Schauspieler unter 30.000 Euro, 60 Prozent verdienen gar unter 20.000 Euro, wie die Schauspielgewerkschaft auf ihrer Homepage vorrechnet. Nur vier Prozent verfügen über mehr als 100.000 Euro. Zu den Bedrohungen durch Streamingdienste, Pandemie und Geldentwertung kommt jetzt also auch noch die Künstliche Intelligenz.

"Massiver Handlungsbedarf"

Hans-Werner Meyer - Vorstandsmitglied des Bundesverbands Schauspiel e.V.
Hans-Werner Meyer ist Vorstandsmitglied des Bundesverbands Schauspiel e.V.Bild: Ole Graf

Viele Filmschaffende fürchten um ihre Existenz, in Deutschland ebenso wie in den USA. "Strukturell und was die Marktlage betrifft, haben wir dieselben Probleme", sagt Hans-Werner Meyer, Vorstandsmitglied im Bundesverband Schauspiel (BFFS) in Berlin. Doch nicht in jedem Punkt: "In den USA sind die Produzenten und Verwerter für gewöhnlich auch die Arbeitgeber", sagt Meyer im DW-Gespräch. "Dort ist die Struktur einfacher: auf der einen Seite eine sehr starke Gewerkschaft, auf der anderen Seite die starken Verwerter/Arbeitgeber - ein klassischer Arbeitskampf."

In Deutschland sind die Nutznießer der Werke - Streamingdienste oder Rundfunksender - nicht gleichzeitig die Arbeitgeber. Das macht es kompliziert, wichtige Fragen über Tarifverhandlungen zu regeln. Gewaltigen Regelungsbedarf gibt es aber aus Sicht der Kreativen und Darsteller beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Das sieht nicht nur Meyer so, sondern auch Jan Herchenröder, Geschäftsführer im Deutschen Drehbuchverband. "Wir sehen hier sehr, sehr massiven Handlungsbedarf!"

Die Maschine "kann nicht in die Tiefe gehen"

Was kann ChatGPT, was ein Autor aus Fleisch und Blut nicht kann? "Die Software kann, wenn Sie die richtigen Vorgaben machen, in großer Geschwindigkeit recherchieren, Pitches zusammenstellen, erste Vorlagen, erste Texte und sogar Szenen und Dialoge bauen", sagt Herchenröder. Was die Maschine nicht kann: "Sie kann nicht in die Tiefe gehen. Noch nicht..."

Jan Herchenröder
Jan Herchenröder findet die Lernfähigkeit der Algorithmen beängstigend Bild: VDD

Geht es darum, ein Buch für einen Spielfilm oder eine Einzelfolge zu entwickeln, menschliche Figuren in Konflikte oder emotionale Situationen zu schicken, dann versagt das Programm. Beängstigend sei die Effizienz der Algorithmen: "Der Zeitrahmen, den man normalerweise für die Entwicklung eines Plots braucht, verkürzt sich deutlich. Und alles, was zeitlich schneller geht, kostet weniger." Die Produzenten wissen das.

Aus Kreativensicht braucht es also dringend Regeln für die KI-betonte Filmproduktion. Schon das massenhafte Daten-Training der KI-Software mit vorhandenen Texten, Bildern und Tönen sei nichts anderes als ein "gigantischer globaler Raubzug der transatlantischen Tech-Giganten".

Kreative fordern Vergütungssystem

Verhüllte Oscar Figuren
Von vielen Kreativen und Darstellern als Bedrohung empfunden: KI hält Einzug in die Filmproduktion Bild: Georg Hochmuth/APA/picture-alliance

Die Urheber müssten einen Ausgleich erhalten, auch rückwirkend. Dafür sei Transparenz nötig. Und ein Vergütungssystem: "Damit", so Herchenröder, "rechtlich geschützte Werke, die eingelesen werden, auch vergütet werden!" Ähnliches verlangen die organisierten Schauspieler, wie Verbandsvorstand Meyer betont.

Doch wer gibt der Filmbranche neue Spielregeln für das KI-Zeitalter? Und was, wenn diese Regeln zu spät kommen? "Die Politik ist aufgewacht und aktiv geworden", sagt Herchenröder und verweist auf den geplanten europäischen "Artificial Intelligence-Act" (AI-Act). "Die Technologie ist da, es braucht Leitplanken für ihren Gebrauch." Wer entscheidet, ob KI eingesetzt wird, und wenn, in welcher Form? Natürlich müsse die Hoheit über den KI-Einsatz bei den Autoren bleiben. "Wir gehen einfach davon aus, dass die Zuschauer sich ihre Welt auch in Zukunft noch von Menschen erzählen lassen wollen."

Wie KI Kreative überflüssig macht