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Zwei Klassiker des Stummfilms

Jochen Kürten2. Juni 2014

Zwei Pole der Filmgeschichte: Melodrama und Dokumentation. David Wark Griffith "True Heart Susie" und Robert Flahertys "Nanuk, der Eskimo" stehen am Anfang der Entwicklung ihres jeweiligen Genres.

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Filmszene aus dem Film "Nanuk der Eskimo" von Robert Flaherty (Foto: absolut medien)
Bild: DVD-Anbieter Absolut Medien

Vielleicht geht es der Filmgeschichte so wie den Menschen in Robert Flahertys Dokumentarfilmklassiker "Nanuk, der Eskimo". Wird das Kino von nachwachsenden Generationen schon oft als aussterbender Ort der Kultur angesehen, so scheint auch das Leben der Protagonisten in Flahertys Film aus einer vergangenen Zeit zu stammen.

Robert Flaherty schilderte 1922 das harte und entbehrungsreiche Leben einer Eskimofamilie im Norden Kanadas. Doch der Regisseur war auch ein Poet des Kinos, begnügte sich nicht mit der reinen Dokumentation des Gesehenen. So bot sein Werk auch eine - wie Puristen des Dokumentarfilms kritisch anmerkten - verklärende Sicht der Dinge: "Die ungewöhnlichen Bilder vom Leben und Lieben einer Innuit-Familie im eisigen Norden Kanadas beschrieben schon damals, als der Film in die Kinos kam, eine Gegenwart, die so gar nicht mehr existierte", so der Filmkritiker Jürgen Müller.

Stummfilm als Ereignis

Wer schaut heute überhaupt noch Stummfilme? Und vor allem: Wer zeigt sie? Noch gibt es in Deutschland ein paar wenige rührige (DVD-)Verleger, die sich gegen diesen Kulturverlust wehren, die sich bemühen, Schätze der Filmgeschichte zu konservieren. Sicher, es gibt Filmmuseen und kommunale Kinos, Archive und Stiftungen, die in Sachen Stummfilm Großartiges leisten. Hin und wieder, wenn, wie jüngst bei der Berlinale, ein restaurierter Klassiker wie "Das Cabinet des Dr. Caligari" vor großem Publikum gezeigt wird, bekommt auch eine breitere Öffentlichkeit einen Eindruck von der Bedeutung eines solchen Kunstwerks.

Filmszene aus dem Film "Nanuk der Eskimo" von Robert Flaherty (Foto: absolut medien)
Entbehrungsreiches Leben: "Nanuk, der Eskimo"Bild: DVD-Anbieter Absolut Medien

Doch wie sieht es für die ganz "normalen" Filmfans aus? Immer mehr "Video on Demand"-Angebote machen für manchen User den Kinobesuch schon überflüssig. Doch die aus dem Boden schießenden VoD-Portale bieten in erster Linie Blockbuster aus Hollywood an, Klassiker der Filmgeschichte, Stummfilme zumal, hingegen kaum.

Übersehenes aufspüren…

"Nanuk, der Eskimo“ ist jüngst ebenso wie ein anderer Klassiker des frühen amerikanischen Films, "True Heart Susie" des amerikanischen Filmpioniers David Wark Griffith ("The Birth of a Nation"), bei "Absolut Medien" erschienen. Mario Menz, Chef des DVD-Labels ist einer der letzten Mohikaner innerhalb der Branche. Seit nunmehr 18 Jahren gibt er Filme auf DVD heraus, spürt fast vergessene Schätze auf: "Es geht uns seit Anbeginn darum, komplementär zum Markt zu arbeiten, sprich: primär Fehlendes, Übersehenes, Unterbewertetes zu veröffentlichen und anzubieten."

Filmszene aus dem Film "True Heart Susie" von David Wark Griffith (1919) (Foto: absolut medien)
Vom einfachen Leben auf dem Lande: "True Heart Susie"Bild: DVD-Anbieter Absolut Medien

Ein Film wie "Nanuk" sollte auf dem hiesigen Markt einfach erhältlich sein, davon ist Menz absolut überzeugt: "Ebenso wie ein Buch von Scott F. Fitzgerald oder John Steinbeck oder Ernest Hemingway." Auch kommende Generationen sollten zumindest die Chance haben, so etwas entdecken zu können, sagt Menz.

Auch wenn das Bemühen von Schulen und anderen Fortbildungsanstalten in Sachen Film und Kino beachtlich ist, so gibt es noch viel Nachholbedarf in Deutschland: "Mögliche Defizite im Bereich der Filmbildung versuchen wir mit unserer Arbeit zu begegnen, schaffen inhaltliche Gegengewichte zur McDonaldisierung unserer Kultur, stehen für andere Werte, Traditionen, Blickwinkel ein", so Mario Menz. Der Berliner Verleger sieht sein Wirken "im Verbund mit den großartig engagierten Kommunalen Kinos, den bienenfleißigen Digitalisierern unseres Filmerbes."

Auf der Spur von Erhabenheit

"Ich will keinen Film darüber drehen, was die Weißen aus diesen Menschen gemacht haben", sagte Flaherty damals über seinen Film. Ihn habe in erster Linie nicht der Niedergang dieses Volkes interessiert: "Ich möchte, im Gegenteil, ihre ursprüngliche Erhabenheit und Originalität zeigen, solange dies noch möglich ist. Bevor die Weißen nicht nur ihren Charakter zerstören, sondern das ganze Volk vernichten, das schon jetzt vom Untergang bedroht ist."

Filmszene aus dem Film "True Heart Susie" von David Wark Griffith (1919) (Foto: absolut medien)
Frühes Melodrama in Vollendung: "True Heart Susie"Bild: DVD-Anbieter Absolut Medien

Wer mag, kann sich Parallelen zum Niedergang der Kinokultur denken. Noch aber gibt es sie, diese fleißigen Hüter vergessener Filmschätze, die Stummfilme aufspüren und sie auf DVD oder Blu-ray anbieten. "Fehlstellen, die ich entdecke, greife ich gern auf", sagt Menz. Man muss ihm dankbar sein.

Robert Flahertys "Nanuk, der Eskimo" (USA 1922) sowie David Wark Griffiths Film "True Heart Susie" sind bei "Absolut Medien" erschienen.