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"Kultur darf nicht instrumentalisiert werden"

Philipp Jedicke
2. August 2018

Der Präsident des Goethe-Instituts verspürt seitens einiger Regierungen erhöhten Druck auf seine Einrichtung. Im DW-Gespräch erzählt er von Herausforderungen und Chancen angesichts der aktuellen angespannten Weltlage.

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Deutschland Präsident des Goethe-Instituts Klaus-Dieter Lehmann
Bild: Goethe-Institut/Loredana La Rocca

Klaus-Dieter Lehmann ist seit 2008 Präsident des Goethe-Instituts, des weltweit tätigen Kulturinstituts Deutschlands. Von 1998 bis zu seinem Amtsantritt beim Goethe-Institut war Lehmann Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Für seinen unermüdlichen Einsatz für den interkulturellen Dialog und das internationale Bildungswesen wurde Lehmann mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem  Bundesverdienstkreuz, dem Ordre Palmes Académiques und dem Österreichischen Ehrenkreuz.

Deutsche Welle: Herr Lehmann, Sie sagten kürzlich gegenüber der Deutschen Presseagentur, dass die Arbeit der Goethe-Institute, besonders in China, Russland und der Türkei, erschwert sei. Wie genau äußert sich das im Alltag Ihrer Mitarbeiter vor Ort?

Klaus-Dieter Lehmann: Das Goethe-Institut arbeitet in der Regel partizipatorisch, das heißt, immer mit Partnern vor Ort. Und das hat eine große Nachhaltigkeit. Was wir derzeit erleben, ist, dass zum Beispiel in Russland durch das NGO-Gesetz (Anm. der Redaktion: nichtstaatliche Organisationen werden vom Staat stärker kontrolliert) der Druck auf unsere Partner sehr gewachsen ist. Das heißt, sie sind in einer Situation, wo Sie sich rechtfertigen müssen, als "ausländische Agenten" zum Beispiel (Anm. der Redaktion: dieser Vorwurf wurde z.B. in Russland mehrmals gegen NGOs erhoben), weil wir natürlich Positionen vertreten wie die Freiheit der Kunst. Also im Grunde trifft es uns nicht selbst in den eigenen Räumen, sondern im Zusammenspiel mit den Zivilgesellschaften in den Ländern. 

Die andere Entwicklung ist: Es gibt eine wirkliche Aufrüstung der Konfuzius-Institute (Anm. der Redaktion: chinesisches Pendant zum Goethe-Institut, um die chinesische Sprache und Kultur zu fördern). In den letzten Jahren sind allein 500 neue gegründet worden. Das bedeutet: China nutzt die Kulturpolitik, die Außenkulturpolitik, als politisches Instrument - und das ganz bewusst. Aber wir lassen nicht zu, dass wir einen Wettbewerb der Systeme über die Kultur machen. Kultur darf nicht instrumentalisiert werden, das ist mein Grundsatz. Ich glaube aber, dass Deutschland trotzdem eigene Interessen vertreten kann, indem es offensiv eine offene, freiheitliche, diskursfähige Gesellschaft erzeugt, die auf Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und demokratischer Verfassung gründet. Und wenn wir uns da treu bleiben, werden wir letztlich diejenigen sein, die langfristig Erfolg haben. Seit wann beobachten Sie denn insgesamt die Zuspitzung der Lage?

Es ist unterschiedlich. Die Türkei hat sich langsam in diese Richtung entwickelt. In Russland und China ist diese offensive Kulturaußenpolitik eigentlich in den letzten anderthalb Jahren deutlich erkennbar. Das gilt nicht nur für Russland oder China, das gilt auch für Ägypten und Israel, weil die Regierungen durch die Sicherheitslage ihre entsprechenden Gesetze im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit ausländischen Einrichtungen verschärfen. 

Steigt in Ländern, wo es politisch größere Schwierigkeiten gibt, die Nachfrage nach Sprachkursen und kulturellen Angeboten, oder wird sie eher geringer – aus Angst vor möglichen Repressalien?

Wenn ich es mal ganz prononciert formulieren darf: Wir sind dann wirklich die Hoffnungsträger, weil wir letztlich noch arbeitsfähig sind. Es sind ja eine Reihe von Stiftungen verboten worden in diesen Ländern. Das Goethe-Institut ist arbeitsfähig und ist deshalb in einer Weise Anziehungspunkt, wie es vorher so nicht gewesen ist. Die Leute lassen sich nicht abhalten. Ich war vor einem Monat in Kairo, zur 60-Jahr-Feier des Goethe-Instituts, eine lange Zeit für ein Institut in einem Land. Das Haus und der Garten platzten aus allen Nähten. Die Community zeigt sich gegenüber dem Goethe-Institut sehr  aufgeschlossen: "Wir wollen dieses Goethe-Institut, wir rechnen mit euch. Bitte lasst uns nicht im Stich." 

In der Türkei haben Sie, zusätzlich zu den bestehenden Einrichtungen, Orte der Kultur gegründet. Was geschieht denn an diesen Orten konkret im Vergleich zu den Instituten?

Wir haben bewusst von Anfang an versucht, europäische Initiativen daraus zu machen. Das heißt, wir sind also in diesem Fall mit der schwedischen Auslandsvertretung dabei, mit den Niederländern, mit dem Institut Français, und was auch wichtig ist, mit zwei türkischen Partnereinrichtungen: mit Anadolu Kültür und mit der Istanbuler Stiftung für Kunst und Kultur. Das heißt, wir sind in dieser Weise nicht isoliert als deutsches Institut, sondern arbeiten als europäisches Institut mit türkischem Partnerschaftsbereich.

Die Orte der Kultur sind kleiner, sie sind direkter bezogen auf die Regionen, in die wir gegangen sind. Das sind drei Städte: Izmir, Gaziantep und Diyarbakır. Die letzten beiden liegen im Südosten, im kurdischen Gebiet, wo letztlich überhaupt keine kulturelle Aktivitäten mehr möglich sind. Wir arbeiten dort auf kleinem Niveau: Die Projekte sind nicht größer als 10.000 Euro, aber sie geben Hoffnung.

Das sind nicht nur Projekte wie Filmfestivals oder Theateraufführungen, sondern es geht auch um die Qualifizierung der türkischen Kollegen, die eine Ausbildung als Kulturmanager bekommen. Wir beziehen auch die syrischen Flüchtlinge mit ein, die in diesem Teil des Landes leben. Und es sieht so aus, als ob wir die Partnerschaften sogar vergrößern können.

Und wie sind die Reaktionen seitens der Regierung? Es hört sich ja so an, als würden die lokalen Autoritäten das mehr als nur dulden.

Die lokalen Autoritäten sind auf unserer Seite. Schwieriger ist es immer, wenn ich in die ministeriale Ebene gehe, da fangen die Probleme an. Aber auf der lokalen Ebene haben wir wirklich echte Partner. Worin sehen Sie künftig die größten Herausforderungen für das Goethe-Institut?

Sie müssen wissen, dass wir keine zentralistische Verwaltung der Goethe-Institute haben, sondern eine dezentrale. Durch diese dezentrale Verantwortung sind wir weg von nicht tauglichen Weltformeln und wirklich nah am Geschehen. Wir haben die Welt in 14 übersichtliche Regionen aufgeteilt. In jeder Region befinden sich zwölf bis 14 Goethe-Institute. Diese Regionen sind die eigentlichen Treiber der Projekte und der Initiativen. Wir können Erwartungen aufspüren, wir können unsere Möglichkeiten dagegensetzen. Und damit ist ein großer Vertrauensvorschuss gegeben. 

Was uns sehr interessiert, ist Afrika. Wir haben dort Projekte aufgelegt, die sehr stark im Bildungsbereich sind. Zwei Dinge will ich nennen: "Music in Africa" und eine digitale Plattform, die die verschiedenen Filmfestivals in Afrika zusammenfasst. "Music in Africa" macht afrikanische Musiker, die sonst nur lokal bekannt sind, dank digitaler Plattform überregional bekannt. Damit ist die Überleitung auf die afrikanische Verantwortung gelungen. Damit tun wir etwas, das eine Gesellschaft stabilisiert, weil damit nicht nur eine künstlerische Perspektive gegeben ist, sondern auch eine ökonomische. Ich glaube, der Kunst kann es nur dienlich sein, wenn man auch ökonomische Aspekte einbezieht.

Das Gespräch führte Philipp Jedicke.

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