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Klimaanlagen heizen die Welt auf

Irene Banos Ruiz lp
23. Juli 2018

Millionen von Menschen sind auf Klimaanlagen und Kühlsysteme angewiesen und die Zahl steigt mit den Temperaturen. Während diese Geräte Leben retten können, schaden sie der Umwelt aber massiv - ein Teufelskreis.

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Dokumentation - Hongkong 2011
Bild: picture alliance / Lajos-Eric Ba

Der Zugang zu Kühlsystemen ist für alle Menschen lebenswichtig. Damit ist nicht etwa die hauseigene Klimaanlage gemeint, sondern die Möglichkeit, Medizin und Lebensmittel lagern zu können. Diese Möglichkeit fehlt Millionen von Menschen.

Kühlen ist der Schlüssel, um Hunger und Armut zu bekämpfen. Lebensmittel werden bei hohen Temperaturen schnell schlecht. Sind keine Wege da, die Nahrung längerfristig aufbewahren zu können, kann dies zu Hungersnöten führen.

Dadurch, dass viele Bauern weltweit keinen Zugang zu Kühlräumen haben, können sie ihre Waren nur in einem sehr kleinen Umkreis verkaufen, bevor sie schlecht werden. Dazu kommt, dass sie es sehr schnell machen müssen, ansonsten tritt dasselbe Problem auf.

Gleichzeitig sind genau diese Kühlsysteme mitverantwortlich für die Temperaturanstiege und tragen zum Klimawandel bei. Da die hohen Temperaturen aber immer mehr und effektivere Kühlsysteme notwendig machen, hat sich ein Teufelskreis etabliert, aus dem auszubrechen eine schwere Aufgabe ist.

Laut Forschern wird sich die Zahl der Kühlgeräte (Kühlschränke, Gefrierschränke, Klimaanlagen etc.) bis 2050 vervierfachen - 14 Milliarden dieser Geräte soll es dann geben. Sollten keine nachhaltigen Wege gefunden werden, die Kühler mit grünem Strom zu versorgen, werden die Emissionen ins Unermessliche steigen. Das Pariser Ziel von zwei Grad wird dann null und nichtig sein.

Klimaanlagen in Hong Kong
Besonders in Asien steigt die Nutzung von KlimaanlagenBild: Getty Images/AFP/T. Bahar

"Gäbe es keinen Klimawandel, wäre das Recht auf Kühlung genauso elementar wie das Recht auf sauberes Wasser oder Sanitäranlagen", berichtet Mark Radwa, Leiter der Wirtschaftsabteilung der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen.

Da es den Klimawandel aber gibt, bleibt es eine elementare Aufgabe, Menschen mit Kühlsystemen zu versorgen, ohne den Temperaturanstieg weiter zu beschleunigen.

Mehr dazu: Die Hitzewelle bringt uns um

Kühlen ist ein Muss

Mehr als eine Milliarde Menschen bedroht das Fehlen von Kühlsystemen, hauptsächlich in Asien und Afrika, berichtet "Sustainable Energy for All" in einem neuen Report. Die 30 Städte mit den höchsten Durchschnittstemperaturen liegen allesamt in Entwicklungsländern und diese leiden am meisten unter dem Klimawandel.

"Während Bevölkerungen immer weiter wachsen und Temperaturen immer neue Rekorde erreichen, nehmen die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Risiken, die mit dem fehlenden Zugang zu Kühlsystemen in Verbindung gebracht werden, exponentiell zu", sagt Rachel Kyte, UN-Repräsentantin in der Abteilung für nachhaltige Energie.

In Indien wird die Kühlkette von medizinischen Produkten, speziell Impfstoffen, in 20 Prozent der Fälle unterbrochen. Beinahe eine halbe Millionen Menschen stirbt jährlich an Krankheiten, die in Verbindung mit Nahrungsmittel stehen. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO liegt das zumeist am Fehlen oder dem nur mangelhaftem Einsatz von kühlenden Systemen.

Blut in Kühlung
Medizinische Produkte, darunter Blut, müssen kühl abgelagert werdenBild: imago/Westend61

Darüber hinaus sorgt das fehlende Kühlen in Entwicklungsländern auch dafür, dass Arme ärmer werden. Bauern verlieren bis zu 40 Prozent ihrer Ernte, weil sie sich Kühlanlagen nicht leisten können. Ähnliches passiert mit Fisch, der ohne Gefrierschrank nur wenige Stunden haltbar ist. Das hält Kleinbauern und andere davon ab, einen lukrativeren Markt beliefern zu können und somit ihr Geschäft zu expandieren.

"Je mehr Kühlketten im Zusammenhang mit Lebensmitteln etabliert werden können, desto weiter können sie transportiert werden", sagt Radka.

Die Erwärmung unserer Erde

Klimaanlagen und Kühlschränke benötigen Fluorkohlenwasserstoffe (HFCs), um zu funktionieren. Dieses schädigt zwar nicht die Ozonschicht, erzeugt aber einen 23.000 mal größeren Treibhauseffekt als Kohlenstoffdioxid (CO2).

Bis 2050 wird damit gerechnet, dass die HFCs für 12 Prozent der globalen Erwärmung verantwortlich sind. Das bindende internationale Kigali Abkommen, das im Januar 2019 in Kraft tritt, zielt darauf ab, HFCs um mehr als 80 Prozent in den nächsten 30 Jahren zu senken.

Green Economy - Klimaanlagen Indien

Kühlsysteme verbrauchen zudem eine Menge Energie, vor allem fossile. Das wiederum verschmutzt die Luft weiter. Es wird damit gerechnet, dass in Südostasien in 20 Jahren 40 Prozent des Stroms für Klimaanlagen gebraucht werden.

Mehr dazu: Klimaanlagen treiben den globalen Stromverbrauch

Eine US-amerikanische Studie hat den Zusammenhang zwischen den gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels und dem erhöhten Bedarf an Klimaanlagen untersucht. Demnach soll die Luftverschmutzung für 13.000 Tote pro Jahr bis Mitte des Jahrhunderts verantwortlich sein.

"Sobald wir Klimaanlagen im Haus benutzen, um die Hitze von draußen auszuhalten, fördern wir die Verbrennung von Kohle und Gasen", berichtet David Abel, leitender Autor der Studie. Solange wir von fossilen Brennstoffen abhängig seien, bekämpften wir zwar das Hitzeproblem, trügen aber gleichzeitig dazu bei, die Luft weiter zu verschmutzen.

Infografik Klimafolgen der Kühlungsbranche DE

Eine nachhaltig gekühlte Welt

Eine schnelle Reduktion von HFCs und fossilen Brennstoffen scheint eine Möglichkeit zu sein, den Teufelskreis zu durchbrechen. Darüber hinaus müssen weitaus effizientere Geräte entwickelt und produziert werden.

"Sollten die Anlagen doppelt so effektiv werden, können die Emmissionen massiv eingespart werden, egal welche Energiequelle genutzt wird", berichtet Brian Holuj, Beauftragter der Effizienzinitiative der Vereinten Nationen. "Es wäre eine der schnellsten, billigsten und saubersten Wege, Emmissionen zu reduzieren und gleichzeitig die Pariser Ziele zu erreichen", ergänzt Holuj.

Um das zu erreichen, müssen von Politikern aber Anreize gesetzt werden, sowohl für Produzenten als auch für Käufer. In den meisten Ländern könne die Effektivität der Produkte um 40 Prozent gesteigert werden, die Technologie sei bereit dafür, meint Holuj.

Saarbrücken St. Johanner Marktplatz
Bäume helfen, Städte zu kühlenBild: picture alliance/robertharding/H.-P. Merten

Kleine Schritte helfen auch. Kühlsysteme sauber zu halten, Dächer weiß anzustreichen, um die Sonnenlichtreflektion zu steigern oder Windkorridore in Städten zu etablieren sind Beispiele dafür. All diese Methoden würden die Hitze reduzieren ohne den Planeten zusätzlich aufzuheizen. Über allem steht aber die Kosten-Nutzen-Frage. Klimaanlagen sollten dann laufen, wenn sie gebraucht werden und nicht unnötig aktiv sein.

"Sich diese Sachlage zu vergegenwärtigen ist wichtig", hebt Radka hervor. "Wir alle neigen dazu, als Individuen zu handeln und denken nicht darüber nach, was es bedeutet, wenn Milliarden Menschen so handeln wie wir selbst."

Zuletzt mahnt Radka: "Zugang zu Kühlsystemen ist kein Luxus, sondern ein Menschenrecht."