Flugpreise besteuern - aber wie?
30. August 2019Die Liste der zehn größten CO2-Verursachern Europas birgt auf den ersten neun Plätzen keine Überraschungen: Braunkohlekraftwerk folgt auf Braunkohlekraftwerk; sieben der klimaschädlichsten Anlagen stehen in Deutschland. Auf dem zehnten Platz folgt jedoch kein Stromerzeuger, sondern Europas zweitgrößte Fluggesellschaft Ryanair. Mit zwei innereuropäischen Flugreisen im Jahr hat man schon mehr als die Hälfte der 2,7 Tonnen CO2 zusammen, die laut dem Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung das maximale verträgliche Jahresbudget pro Kopf sind. Ausgerechnet Ryanair trägt mit spottbilligen Preisen einen nicht unerheblichen Anteil daran, dass in Europa und weltweit so viele Menschen sich fürs Flugzeug entscheiden.
Die Abgeordneten der CSU im deutschen Bundestag wollen sich nun offenbar gegen "Kampfpreise" der Billig-Airlines stemmen: "Neun-Euro-Tickets für Flüge in Europa haben weder mit Marktwirtschaft noch mit Klimaschutz etwas zu tun", sagte Landesgruppenchef Alexander Dobrindt der "Bild"-Zeitung. Auf Flugtickets unter 50 Euro solle demnach eine "Strafsteuer" fällig werden. Das eine solche Steuer tatsächlich kommt, ist zwar so gut wie ausgeschlossen - aber trotzdem stellt sich die Frage: Ist die Zeit der billigen Flüge vorbei?
Tickets sind schon teurer geworden
Historisch gesehen sind die Billig-Airlines ein Produkt der EU, die ab 1987 den europäischen Luftverkehr in mehreren Schritten liberalisierte und privaten Anbietern den Einstieg in den Wettbewerb ermöglichte. Über Jahre gewöhnten sich die Verbraucher an Tiefstpreise, die zumindest bei ausreichend Vorlauf und Flexibilität zu erhaschen waren. Seit ein paar Jahren wird die Luft auf dem umkämpften Billigflug-Markt jedoch zunehmend dünner. Fluggesellschaften wie Air Berlin, Germania oder zuletzt WOW Air konnten irgendwann nicht mehr mithalten.
Die Tickets seien schon teurer geworden, bestätigt Frank Fichert, Professor für Touristik und Verkehrswesen an der Hochschule Worms. "Die Vorstellung, dass da jeder für 9,99 Euro fliegt, ist falsch", sagt er im DW-Gespräch. "Den Preis zahlen einige sehr wenige, und auch die zahlen vielleicht für den Rückflug deutlich mehr." Bei solchen Preisen handelt es sich meist um ein kleines Kontingent, das durch deutlich teurere Resttickets querfinanziert wird. Bei Ryanair liege der Durchschnittspreis pro Flug bei 40 Euro; im Schnitt würden auch noch Zusatzleistungen wie Kofferentgelte oder Sitzplatzreservierungen in Höhe von 15 Euro pro Strecke dazugebucht. "Wenn Sie mit Ryanair hin- und wieder zurückfliegen, dann zahlen Sie im Durchschnitt 110 Euro", rechnet Fichert vor.
"Man darf nicht vergessen, dass diese 9,99-Euro-Tarife wie jedes Lockvogel-Angebot einen starken Werbeeffekt haben", sagt der Luftfahrtexperte. "Man weiß, Ryanair hat immer mal Angebote für 9,99 Euro, findet dann selbst nur eines für 29,99 und bucht es trotzdem." Je näher der Abflug rückt, desto höher sind die Preise.
Flüge besteuern - aber wie?
Im Flugbetrieb fallen sehr hohe Fixkosten an, etwa für die Flugzeuge selbst, das Personal und den Treibstoff. Deshalb können Airlines nur profitabel arbeiten, wenn die Maschinen einigermaßen gut ausgelastet sind. Pro-Kopf-Kosten wie Flughafenentgelte machen laut Fichert nur einen geringen Anteil des Ticketpreises aus. Deutschland erhebt außerdem eine Luftverkehrsabgabe von 7,38 Euro, bis zu 41,49 Euro auf längeren Strecken.
Bei innerdeutschen Flügen kommen noch 19 Prozent Mehrwertsteuer hinzu. Flüge ins Ausland sind davon befreit: Weil Flugreisen hauptsächlich ein internationales Geschäft sind, tut sich der Fiskus schwer, Steuern in angemessener Höhe darauf zu erheben, damit Airlines keine Standortnachteile haben. Wenn Deutschland im Alleingang Mehrwertsteuer oder eine Luftverkehrsteuer auf internationale Flüge erheben würde, dann wären deutsche Flughäfen bei Umsteigeflügen etwa gegenüber Amsterdam, London oder Brüssel benachteiligt: "Da würde ein relativ starker Ausweicheffekt eintreten", sagt Fichert.
Auch europaweite Mehrwertsteuern wären immer mit Nachteilen für einzelne Staaten verbunden, weil sich die Sätze von Land zu Land unterscheiden. Stattdessen wird schon lange eine europaweite Kerosinsteuer gefordert und auch von der EU-Kommission bereits geprüft. Allerdings gilt bei Steuerfragen das Einstimmigkeitsprinzip im Europarat - und die Urlaubsländer am Mittelmeer hätten allen Grund, die Steuer zu verhindern: "Griechenland steht im Wettbewerb zur Türkei als Zielland von Touristen", sagt Luftfahrtexperte Fichert. "Die hätten dann zwar Steuereinnahmen, aber auch eine Verschiebung von Touristenströmen."
Deshalb hält der Touristikprofessor eine "Koalition der Willigen" für wahrscheinlicher: "Im Moment bringen einige europäische Länder Initiativen voran, insbesondere die Niederlande, Frankreich, aber auch Schweden." Über bilaterale Verträge könnten solche Länder eine Kerosinsteuer gemeinsam einführen - allerdings wäre das nur zielführend, wenn zumindest einige der Länder mit den höchsten Luftfahrtaufkommen, also auch Deutschland, an Bord wären.
Die Greta-Frage: Fliegen und das Klima
Eine Steuer und somit auch höhere Preise wären ein Instrument, um die negativen Auswirkungen des Luftverkehrs für das Klima nicht noch weiter ansteigen zu lassen. Die Luftfahrtbranche wächst weltweit kräftig, ab 2020 will sie ihr weiteres Wachstum klimaneutral gestalten. Elektro-Flugzeuge, regenerative Brennstoffe oder "Power to Liquid"-Verfahren, in denen unter Stromverbrauch synthetische Brennstoff erzeugt werden, stehen jedoch erst in einem frühen Stadium.
In Ermangelung marktreifer Alternativen zu fossilen Brennstoffen geschehe das jedoch vorerst hauptsächlich über CO2-Kompensationen, sagt Fichert. Das heißt, dass die Airlines in einen Fonds einzahlen, mit dem Wälder aufgeforstet, erneuerbare Energien ausgebaut oder andere umweltschonende Maßnahmen umgesetzt werden. Bis solche Projekte ihre Klimaschutzwirkung entfalten, vergeht jedoch viel Zeit - in der die CO2-Konzentration in der Atmosphäre mit jedem Flug weiter ansteigt.
Daran würde wohl auch der Dobrindt-Vorstoß einer Strafsteuer für Billigpreise wenig ändern. Für Frank Fichert ist er aus technischen Gründen kaum durchsetzbar - und: "Es passt nicht in eine Marktwirtschaft, Unternehmen bestimmte Preise vorzuschreiben".
Überhaupt ist fraglich, ob er jemals ernsthaft debattiert wird: Bei der SPD gilt er zwar als "Schritt in die richtige Richtung". Ansonsten stieß er jedoch auf Kritik, sogar aus Dobrindts eigener Partei. Aus dem CSU-geführten Verkehrsministerium hieß es, man müsse vor der Ausgestaltung von Instrumenten erst die Diskussion abwarten. Immerhin: "Der Bundesverkehrsminister will nicht, dass das Billigfliegen siegt", sagte ein Sprecher von Minister Andreas Scheuer.