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Politik

G20 bleiben hinter Erwartungen zurück

31. Oktober 2021

Ein "starkes Signal" sollte nach dem Willen des Gastgebers eigentlich vom G20-Gipfel in Rom für die Weltklimakonferenz ausgehen. Doch daraus wird offenbar nichts.

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Kraftwerk in der chinesischen Shandong-Provinz (2013)
Kraftwerk in der chinesischen Shandong-ProvinzBild: Da Qing/dpa/picture alliance

Auf das Konto der G20-Gruppe, in der die größten Wirtschaftsmächte der Welt vereint sind, gehen 80 Prozent der klimaschädlichen Emissionen. Ihre Verantwortung für den Verlauf des Klimawandels ist entsprechend groß. Doch die G20 konnten sich zum Abschluss ihres Gipfels in Rom offenbar nicht auf eine ehrgeizige Erklärung zum Klimaschutz verständigen. Wie aus dem ausgehandelten Text für das Kommuniqué hervorgeht, das verschiedenen Nachrichtenagenturen vorliegt, gibt es weiter kein klares Zieldatum für die wichtige Kohlendioxidneutralität und den Ausstieg aus der Kohleverstromung.

Statt des erhofften "starken Signals" zum Auftakt der Weltklimakonferenz (COP26) in Glasgow herrschte bis zuletzt Uneinigkeit. Während anfangs konkret das Jahr 2050 für "Netto-Null-Emissionen von Treibhausgasen oder Kohlendioxidneutralität" festgeschrieben werden sollte, ist als Ziel nur noch allgemein von "bis oder um die Mitte des Jahrhunderts" die Rede. Damit ist gemeint, dass nur so viel Emissionen ausgestoßen werden wie auch wieder gebunden werden können.

Nur vages Neutralitätsziel

Die EU hatte sich bereits auf das Zieljahr 2050 für CO2-Neutralität festgelegt. Deutschland will dieses Ziel bis 2045 erreichen. Die Abschwächung des Kommuniqués erfolgte offenbar aus Rücksicht auf China und Russland, die das Ziel erst 2060 anstreben. Indien möchte sich nicht festlegen. Auch gab es keine Einigung mehr auf "sofortiges Handeln", wie es in einem anfänglichen Entwurf noch geheißen hatte. Jetzt ist weniger dringlich von "bedeutungsvollem und wirksamen Handeln" die Rede.

Nur allgemein bekräftigt die G20, dass sie weiter den Zielen des Pariser Abkommens verpflichtet sei, die Erderwärmung "deutlich unter zwei Grad zu halten und Bemühungen zu verfolgen, sie auf 1,5 Grad zu begrenzen". Experten halten dafür aber eine deutliche Nachbesserung der Aktionspläne der einzelnen Länder für erforderlich.

Kohleausstieg "so schnell wie möglich"

Ein Kohleausstieg wurde nicht einmal direkt erwähnt. Auch die Zusage, die Investitionen in Kohlekraftwerke auslaufen zu lassen, blieb wenig konkret. Sollte das ursprünglich "in den 2030er-Jahren" geschehen, fehlte im Abschlusskommuniqué die Jahreszahl. Es wird jetzt "so schnell wie möglich" ins Auge gefasst.

Italien Rom | G20-Gipfel-Teilnehmer am Trevi Brunnen
G20-Gipfel-Teilnehmer am Trevi Brunnen in Rom: Keine Einigung auf "sofortiges Handeln"Bild: Jeff J Mitchell/Getty Images

Damit könnte Rücksicht wieder auf China oder Indien genommen worden sein, die ihre Stromerzeugung stark auf Kohle stützen und dem Bedarf nur schwer nachkommen. Die G20 bekannten sich aber dazu, bis Ende dieses Jahres im Ausland den Bau der Kohlekraftwerke nicht mehr mit öffentlichen Mitteln zu fördern.

Selbst ein Hinweis auf die "alarmierenden Berichte" des Weltklimarates, der vor den Gefahren der Erderwärmung gewarnt hatte, wurde im finalen Text mit "jüngste Berichte" abgeschwächt. Eine erste Formulierung, in den 2030er-Jahren eine "weitgehend kohlendioxidfreie Stromversorgung" anzustreben, fehlt ebenfalls. Vielmehr wird allgemein der Wunsch geäußert, saubere Energien auszubauen.

Der Gastgeber des G20-Gipfels, Italiens Ministerpräsident Mario Draghi, hatte zum Auftakt der Klima-Beratungen am Sonntagmorgen an die Staats- und Regierungschefs appelliert: "Die Entscheidungen, die wir heute treffen, werden direkte Auswirkungen auf den Erfolg des Gipfels von Glasgow haben - und auf unsere Fähigkeit, die Klimakrise in den Griff zu bekommen." Offenbar verhallte Draghis Appell ungehört.

Lob und Kriktik

Von Nichtregierungsorganisationen hagelte es Kritik. Die Erklärung der G20 sei "schwach", es fehle ihr sowohl an "Ehrgeiz als auch an Vision", urteilte Greenpeace. Aus Sicht der Organisation Global Citizen werde der Gipfel von Rom als "verpasste Gelegenheit in die Geschichte eingehen". Die G20 hätten es versäumt, sich zur "dringend notwendigen, sofortigen Nachbesserung" zu verpflichten, kritisierte die Entwicklungsorganisation Oxfam. Positiv zeigte sich hingegen Germanwatch und sprach von "wichtigen klimapolitischen Signalen" der G20.

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel lobte hingegen die Vereinbarung: Dass sich die Gruppe der stärksten Volkswirtschaften der Welt im Grundsatz darauf verständigt habe, das 1,5-Prozent-Ziel bei der Reduktion von Treibhausgasen zu unterstützen, sei ein "sehr, sehr gutes Ergebnis", sagte Merkel in Rom. Die G20-Gruppe habe damit ein "gutes Signal" für die Weltklimakonferenz in Glasgow gesetzt.

Als "wichtig" bezeichnete Merkel zudem den Beschluss, dass die G20-Staaten ab kommendem Jahr aus der internationalen Finanzierung von Kohlekraftwerken aussteigen wollen. Erfreut zeigte sie sich darüber, dass sich nach dem Regierungswechsel in den USA wieder alle Mitglieder der G20 zum Klimaabkommen von Paris bekennen. "Ich kann sagen, dass hier sehr viel erreicht wurde", sagte sie.

Auch der deutsche Vizekanzler, Noch-Finanzminister und designierte Merkel-Nachfolger, Olaf Scholz, zeigte sich zufrieden mit den Klimabeschlüssen. Er hatte Merkel bei den Verhandlungen in Rom begleitet. "Ich bin fest davon überzeugt, dass man hier sehen kann, dass sich die Welt in die richtige Richtung bewegt", sagte er bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit der Kanzlerin. "Aber wir sind noch lange nicht am Ziel angekommen."

AR/uh (dpa, afp, rtr, ap)