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Neuer Schwung für die Umweltbewegung?

Tim Schauenberg
29. November 2019

Bundesweit streiken Studierende für das Klima. Mit der "Public Climate School" wollen sie nachhaltige Zukunftsentwürfe aufzeigen und die schnelle Umsetzung des Klimaschutzes anmahnen. Aus Köln berichtet Tim Schauenberg.

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Moritz Boll von der Kölner „Students For Future" Bewegung vor dem Infozelt der Protestbewegung
Moritz Böll hat sich erst vor kurzem "Students For Future" angeschlossenBild: DW/T. Schauenberg

Es ist kühl auf dem Platz vor dem grauen Hauptgebäude der Kölner Universität. Laute Bässe wummern aus Musikboxen, Jongleure werfen sich Bälle und Keulen zu. Etwa ein Dutzend Studenten mit weißen und grünen Stirnbändern stehen mit heißem Tee am Infozelt, neben einem selbstgemalten grünen Schild mit der Aufschrift "Public Climate School". Sie verteilen Flyer an Kommilitonen und werben für die Klima-Aktion an der Uni. 

Moritz Böll, Anfang 20, ist Mitglied der Gruppe in Köln. "Universitäten haben beim Klimawandel eine Riesen-Verantwortung", sagt er. "Wer soll denn sonst anfangen vorzudenken, wenn nicht die Bildungselite in einem Land wie Deutschland. Da muss mehr kommen gerade vom oberen Teil der Gesellschaft".

Die Aktion in Köln ist Teil der der "Public Climate School", einer deutschlandweiten Protestaktion von Studierenden gegen die Klimapolitik der Bundesregierung und für mehr Klimaschutz. Eine Woche lang wurden an über 50 Universitäten in ganz Deutschland Vorlesungen bestreikt. Als Alternative bieten die "Students For Future"-Gruppen Vorträge, Seminare, Filmvorführungen und Diskussionen rund um Fragen zum Klimawandel an. Die Aktion endet mit dem globalen Klimastreik an diesem Freitag.

"Labor für nachhaltige Zukunftsentwürfe"

Die Studenten unterstützen mit der Protestwoche die weltweite "Fridays For Future"-Bewegung und ihre Forderungen an die Politik. Dazu gehört vor allem die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens. Für Deutschland fordert die Bewegung ein Ende der Subventionen für fossile Brennstoffe bis Ende 2019. Ab 2035 müsse Deutschland klimaneutral sein.

Studenten jonglieren vor dem Infozelt der „Students For Future" Gruppe vor der Uni Köln
Jonglieren, Musik und Infoflyer für die Klimaaktion an der Kölner Uni.Bild: DW/T. Schauenberg
Schild der „Students For Future" für die Public Climate School an der Uni Köln
Auch an der Kölner Uni wird eine Woche lang fürs Klima gestreikt und informiert.Bild: DW/T. Schauenberg

Die Kölner "Students For Future"-Gruppe hat sich erst vor wenigen Wochen formiert und in kurzer Zeit das Programm mit etwa 50 Veranstaltungen auf die Beine gestellt. Wie groß die Anzahl der Teilnehmer ist oder wie viele reguläre Seminare jetzt ausfallen, kann die Gruppe nicht genau sagen.

Die "Public Climate School" soll einerseits ein Signal an die Politik senden, endlich etwas für den Kilmaschutz zu tun, zum anderen "ein Labor für nachhaltige Zukunftsentwürfe" sein - eine Aufgabe, der die Universität aus Sicht von Moritz Böll nicht nachkommt. 

Alte Gewinnrechung oder Wirtschaft für die Zukunft

In Bölls Studienfach Volkswirtschaftslehre würden Studierende immer noch das alte Modell der Gewinnrechnungen büffeln "statt darüber nachzudenken, wie man die Gesellschaft nachhaltig umbauen kann", sagt er. Das müsse sich ändern.

Das Thema Nachhaltigkeit müsse mehr in den Lehrbetrieb einfließen, außerdem soll die Universität 2021 ganz auf erneuerbare Energien umstellen und bis 2025 klimaneutral sein, fordern die "Students For Future" in Köln.

"Wir werden das Anliegen prüfen. Aber generell müssen wir auch was den Zeitplan angeht realistisch bleiben", erklärt dazu der Pressesprecher der Universität Patrick Honecker. Außerdem sei man "gesetzlich daran gebunden, Projekte so günstig wie möglich umzusetzen. Das gilt auch für die Energieversorgung", so Honecker weiter.

Neue Epoche des Umweltbewusstseins

Michael Bollig im Gespräch mit Studierenden an der Uni Köln
Vor seinem Klima-Vortrag sucht Professor Michael Bollig das Gespräch mit Studierenden.Bild: DW/T. Schauenberg
Studierende sitzen auf dem Boden im Hörsaal.
Großes Interesse für den Vortrag zur "Ethnologie des Klimawandels" im Hörsaal.Bild: DW/T. Schauenberg

Auch wenn vor der Uni nur wenige "Students For Future" für den Unistreik Stimmung machen - der Hörsaal XII ist am Mittag bis auf den letzten Platz gefüllt. Einige Studierende sitzen auf Treppen, Tischen oder auf dem Boden. Michael Bollig, Professor für Ethnologie in Köln, hat seinen Vorlesungsplan extra umgestellt, um heute einen Vortrag zum Thema "Ethnologie und Klimawandel" zu halten. "In meiner Wahrnehmung erleben wir eine neue Epoche beim Thema Umweltbewusstsein", so der Professor. "Innerhalb der letzten anderthalb Jahre hat sich grundlegend etwas in der Studentenschaft geregt."

Der bisherige Höhepunkt der Klimabewegung war der globale Klimastreik, bei dem am 20.September allein in Deutschland rund 1,4 Millionen Menschen auf die Straße gingen.

"Die Bewegung ist für mich der Akteur, der die Welt so umkrempelt, wie es damals ein Linker von dem Industrieproletariat erwartet hätte. Friday wird die Welt verändern", erklärt Tadzio Müller, Politikwissenschaftler der Linken Rosa-Luxemburg-Stiftung im DW-Interview.

Applaus, Kritik und Desinteresse

"Kommt alle zur Public Climate School, es geht um Klimagerechtigkeit und unseren Planeten!", rufen zwei Studentinnen am Infozelt in ein Megafon. Doch nur wenige ihrer Kommilitonen bleiben stehen, die meisten gehen einfach weiter.  

 "Ich kann mit denen da draußen überhaupt nichts anfangen", sagt Moritz Binus, der es sich mit einigen Kommilitonen auf dem Sofa der Uni-Cafeteria gemütlich gemacht hat.

Moritz Binus steht in der Cafeteria der Uni Köln.
Der Volkswirtschaftsstudent Moritz Binus findet die Forderungen und Aktionen von "Students For Future" zu extrem.Bild: DW/T. Schauenberg

"Meiner Meinung nach haben manche von denen den Bezug zur Realität verloren", sagt der 20-jährige Volkswirtschafts-Student und nippt an seinem Kaffee. Für Binus sind viele Forderungen der Klimabewegung überzogen. "Vorlesungen zu stürmen" - wie das nach seiner Aussage vor einigen Wochen Klimaaktivisten hier in Köln gemacht haben sollen - ist auch nicht sein Fall. "Die Uni kommt ihnen bei vielem entgegen, da kann man sich auch mal an die Regeln halten", findet er.

"Students For Future" Köln bestreitet, dass es zu einer "Stürmung" einer Vorlesung gekommen sei.

Radikalere Zukunft für "Fridays For Future"?

An welche Regeln man sich bei der Bewegung "Fridays For Future" in Zukunft in Deutschland noch halten will, wird zurzeit "heftig diskutiert", sagt Maira Kellers, Sprecherin von "Fridays For Future" Deutschland. Man überlege, "ob man in Zukunft nicht zu radikaleren Maßnahmen greifen muss".

In der Bewegung sei man unzufrieden. "Wir gehen seit einem Jahr auf die Straße und bisher hat sich in der Politik nichts getan", so Kellers. 

Aufbruchsstimmung trotz weniger Demonstranten

Hierzulande hat die Klimabewegung auch damit zu kämpfen, dass immer weniger Menschen zu den Demonstrationen kommen. In Köln habe "Fridays For Future" "inzwischen Probleme, die Straße zu füllen", so Maira Kellers. Woran das läge, wisse sie nicht. Vielleicht am kühlen Herbstwetter, vielleicht aber auch daran, dass viele Schülerinnen und Schüler nicht mehr jeden Freitag in der Schule fehlen können oder wollen. "Meine Lehrer drohen mir inzwischen an, dass ich das Jahr wiederholen muss, wenn ich weiter so viel fehle", sagt Kellers.

Vom Ende der Bewegung ist am Abend in Köln allerdings keine Spur.

Dort hat "Students For Future" zur Vollversammlung aller Studierenden aufgerufen. Über 1600 sind gekommen – so viele wie seit über zehn Jahren nicht mehr. Nach einer Abstimmung ist klar: Die Forderungen von "Students For Future" sind nun offiziell die Forderungen der gesamten Kölner Studentenschaft. Moritz Böll und seine Mitstreiter brechen in tosenden Jubel aus als das Ergebnis feststeht. Danach singen und tanzen sie noch bis tief in die Nacht an ihrem kleinen, bunt beleuchteten Infostand. "Wir sind unglaublich glücklich", schreibt er noch in den Morgenstunden in einer Nachricht an die DW. "Die Bewegung nimmt Fahrt auf. Wir sind hoch motiviert."

 

Anmerkung der Redaktion:

In einer vorherigen Version wird Tadzio Müller mit dem Wort "Arbeiterproletariat" zitiert. Dabei handelte es sich offenbar um einen Versprecher. Das Wort gibt es nicht. Nach Absprache hat die Redaktion dies mit "Industrieproletariat" ersetzt.