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Klinik-Angriff war "menschlicher Fehler"

25. November 2015

Der tödliche Angriff auf ein Krankenhaus von "Ärzte ohne Grenzen" in Kundus ist laut US-Militär auf technisches und menschliches Versagen zurückzuführen. Dabei waren im Oktober 30 Menschen getötet worden.

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Afghanistan US-Luftangriff - Ärzte ohne Grenzen Krankenhaus in Kundus
Bild: Getty Images/AFP

Von einem "tragischen Fehler" sprach der General der US-Streitkräfte in Afghanistan, John Campbell, bei der Vorstellung des 3000 Seiten umfassenden, militärischen Untersuchungsberichts vor der Presse. Niemals würden US-amerikanische Streitkräfte absichtlich ein Krankenhaus oder andere geschützte Orte angreifen, betonte Campbell.

Mehrere Personen suspendiert

Wie die interne Untersuchung des Militärs ergeben habe, sei das Ziel des Angriffs eigentlich ein von den radikalislamischen Taliban kontrolliertes Gelände gewesen. Wegen eines technischen Fehlers hätte die Besatzung des angreifenden Kampfflugzeugs geglaubt, dieses Gebäude anzugreifen, erklärte der US-General. Diejenigen, die den Luftschlag angeordnet und ausgeführt haben, hätten "nicht die richtigen Maßnahmen" ergriffen, um das Ziel zu verifizieren. Es seien mehrere Personen vom Dienst suspendiert worden und müssten sich in Disziplinarverfahren verantworten. Wie viele Suspendierungen es gab und bis in welches Glied der militärischen Kommandokette sie reichen, gab Campbell nicht bekannt.

Fehlende Überprüfung mit fatalen Folgen

Die Zeitung "New York Times" zitiert in einem Artikel zu dem Untersuchungsbericht über das Bombardement einen Militärvertreter, nach dessen Aussage sich die Besatzung des angreifenden Kampfflugzeugs vom Typ AC-130 sich mehr auf Informationen von Spezialkräften aus den USA und Afghanistan verlassen haben, als auf ihre Bordinstrumente. Demnach sei die Besatzung vor dem Angriff nicht ausdrücklich darüber informiert worden, dass das Krankenhaus von "Ärzte ohne Grenzen" (MSF) durch die Genfer Konvention geschützt war. Die Spezialkräfte hatten dem Militärvertreter zufolge nicht überprüft, ob das ins Visier genommene Gelände Ziel eines legitimen Angriffs sein könne.

Bei dem Angriff auf das Krankenhaus in der der afghanischen Provinzhauptstadt Kundus waren am 3. Oktober mindestens 30 Menschen getötet worden, darunter 13 Mitarbeiter der Hilfsorganisation. Anschließend hatte es stark voneinander abweichende Erklärungsversuche gegeben.

Entschuldigung des US-Präsidenten

Zunächst hatte die NATO von einem "Kollateralschaden" gesprochen, der bei einer Intervention zugunsten angegriffener afghanischer Einheiten entstanden sei. US-General Campbell hatte erst auf einen Hilferuf afghanischer Kräfte hingewiesen, bevor er einräumte, dass es einen Kontakt zwischen US-Sondereinheiten und dem angreifenden Flugzeug gab. US-Präsident Barack Obama gestand schließlich in einem Telefonat mit der Präsidentin von "Ärzte ohne Grenzen", Joanne Liu, dass es sich bei dem Angriff um einen Fehler gehandelt habe, und entschuldigte sich für diesen.

Ein Mann steht im zerstörten Inneren des Krankenhauses von "Ärzte ohne Grenzen" in Kundus (Foto: ap)
Bei dem US-Luftangriff auf das Krankenhaus von "Ärzte ohne Grenzen" starben mindestens 30 MenschenBild: picture-alliance/AP Photo/N. Rahim

Die Hilfsorganisation verlangte eine internationale Untersuchung und erklärte, es handle sich um ein "Kriegsverbrechen". Die NATO und die afghanische Armee leiteten eigene Untersuchungen ein. Nach Angaben von MSF war die Lage der Klinik in Kundus allen Konfliktparteien bekannt. Die afghanischen und die US-Streitkräfte waren demnach über die GPS-Koordinaten des Krankenhauses informiert, das seit vier Jahren in Betrieb war. Auch während des Luftangriffs versuchten Mitarbeiter noch mit Anrufen bei den Militärbehörden, den Beschuss zu stoppen

Auch Taliban-Kämpfer behandelt

Es handelte sich um die einzige Klinik im Nordosten Afghanistans, die schwere Kriegsverletzungen behandeln konnte. Nach Angaben von "Ärzte ohne Grenzen" wurden in der Klinik zum Zeitpunkt des Angriffs 105 Patienten behandelt, darunter verletzte Taliban-Kämpfer, aber auch Frauen und Kinder. Die Organisation erklärte, auch verwundete Taliban-Kämpfer seien nach dem Völkerrecht als Patienten geschützt. Sie müssten ohne Diskriminierung behandelt und dürften nicht angegriffen werden. Auf dem Krankenhausgelände seien weder bewaffnete Kämpfer gewesen, noch habe es auf dem Gelände oder von diesem aus Kampfhandlungen gegeben.

cw/qu (dpa, afp, rtre, epd, ape)