Kobane offenbar kurz vor dem Fall
7. Oktober 2014Die Kämpfe zwischen Extremisten der Gruppe "Islamischer Staat" (IS) und kurdischen Milizionären in Kobane (arabisch: Ain al-Arab) haben sich nach Angaben von Aktivisten auf den Süden und Westen der Stadt ausgeweitet. Korrespondenten der Nachrichtenagentur AFP berichten von anhaltenden heftigen Schusswechseln.
Zudem habe es neue Luftangriffe der US-geführten Koalition auf IS-Stellungen am Stadtrand gegeben, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London mit. Diese stützt sich auf ein Netz von Informanten, die in Syrien ansässig sind.
Noch tausende Zivilisten in Kobane
Nach Behördenangaben aus der türkischen Stadt Suruc, die in der Nähe des nordsyrischen Kobane liegt, passierten über Nacht etwa 700 Flüchtlinge die Grenze, darunter auch Kämpfer der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG).
Von den Flüchtlingen seien 47 verletzt gewesen, auch sieben Leichen seien über die Grenze gebracht worden. Bereits am Montag hatten nach kurdischen Informationen mehr als 2.000 Menschen Kobane verlassen. Tausende Zivilisten harren allerdings nach wie vor dort aus, wie der Vize-Vorsitzende der kurdischen Selbstverwaltungsbehörde der Stadt, Khalid Barkel, der Deutschen Welle sagte. Er verwies auf die kritische humanitäre Lage. Es gebe kaum noch Nahrungsmittel.
"Kobane ist verloren"
Wie der britische Sender BBC unter Berufung auf einen kurdischen Sprecher meldet, sehen die Kurden die Stadt bereits verloren. Dies vor allem deshalb, weil ein seit Tagen heftig umkämpfter Hügel von den Dschihadisten eingenommen worden sei. Von dort aus könne nun die gesamte Stadt unter Beschuss genommen werden. Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan geht davon aus, dass Kobane bald fällt.
Trotz heftiger Gegenwehr der kurdischen Volksverteidigungseinheiten und Luftangriffen der internationalen Militärallianz gelang es den IS-Extremisten, in Kobane einzurücken. Am Montag hissten sie zwei schwarze Fahnen am Ostrand der Stadt. Inzwischen stünden mehrere Viertel unter ihrer Kontrolle, hieß es.
Appell der UN
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief eindringlich zum Schutz der Zivilisten in der umkämpften Region auf. Alle Mächte mit den nötigen Mitteln müssten den Menschen zu Hilfe kommen, die von den Terroristen des "Islamischen Staates" bedroht würden, sagte ein UN-Sprecher in New York.
Kurdische Demonstranten versuchten auch am Dienstag, mit Protestaktionen in europäischen Städten auf die verzweifelte Lage in Kobane aufmerksam zu machen. In Brüssel drangen etwa 60 von ihnen vorübergehend in das Europaparlament ein. Am Montag hatte sich eine größere Gruppe im niederländischen Den Haag Zugang zum Parlamentsgebäude verschafft.
Im türkischen Istanbul gab es am Dienstag bei einer Kundgebung für den Schutz von Kobane Zusammenstöße mit der Polizei. Diese ging mit Tränengas und Wasserwerfern gegen die Protestierenden vor. Mehrere Menschen wurden verletzt.
Strategische Schlüsselposition
Kobane ist eine von mehreren kurdischen Enklaven im Norden Syriens. Sollte es den IS-Kämpfern gelingen, die Stadt einzunehmen, würden sie einen längeren Streifen entlang der türkisch-syrischen Grenze kontrollieren. Auch deshalb kommt diesem Gebiet strategisch eine Schlüsselposition zu.
jj/cr/se (DW, dpa, afp, rtr, epd)