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"Mich beeindruckt der Mut"

Astrid Prange24. September 2015

Der Weg zu einem Friedensvertrag zwischen Kolumbiens Regierung und der FARC ist frei. Nicht alle stehen dahinter, doch ein Abkommen, bei dem eine Seite ins Gefängnis muss, sei Illusion, sagt Politiker Tom Koenigs.

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Kubas Präsident Raul Castro (M.) legt die Arme auf die Schultern von Kolumbiens Staatschef Santos und FARC-Anführer Londono
Kubas Präsident Raul Castro (M.) zwischen Kolumbiens Staatschef Santos (l.) und FARC-Anführer LondonoBild: Getty Images/AFP/Y. Lage

Deutsche Welle: Wie bewerten Sie das jüngste Abkommen zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC-Guerilla, das den Weg zu einer Friedensvereinbarung freimacht?

Tom Koenigs: Das ist ein gewaltiger Schritt, der beide Seiten zwingt, diesen Weg weiter zu verfolgen. Dass der Präsident von Kolumbien sich mit dem FARC-Kommandanten in Havanna trifft und ihm die Hände schüttelt, ist ein Bild, das jedem Freund des Friedens sehr viel wert ist. Mich beeindruckt der Mut beider Seiten. Beide hatten sich militärischen Lösungen verschrieben und haben sich jetzt auf einen schwierigen Friedensprozess eingelassen. Das ist ein Riesenschritt für alle Freunde des Friedens in Kolumbien und der ganzen Welt.

In Kolumbien wird dieses historische Abkommen aber nicht nur gefeiert….

Es gibt natürlich viele Leute, die dagegen sind. Es wird auch manchem schwerfallen, so einen Kompromiss zu akzeptieren. Und es wird mit Sicherheit gewalttätige Störmanöver geben. Das war bei allen Friedensprozessen so.

Tom Koenigs (Foto: UNICEF)
Grünen-Politiker Tom KoenigsBild: imago stock&people

Welchen historischen Vergleich ziehen Sie?

Alle lateinamerikanischen Friedensprozesse wurden von Störmanövern begleitet, aber das konnte man auch auf dem Balkan beobachten. Und so war es auch in Kolumbien selber. Da gab es massive Störmanöver: In Bogota gingen Bomben hoch, Ölleitungen wurden gesprengt. Auch Guerilla-Kamps wurden zerstört. Der Friedensvertrag muss sich auch noch einem Referendum unterwerfen. Da wird es heftige Diskussionen geben, in der Hoffnung, den Konflikt doch noch militärisch lösen zu können.

Können Sie verstehen, dass viele Kolumbianer sich härtere Strafen für die Guerilla-Führer wünschen, als dies das Friedensabkommen vorsieht?

Die Kernfrage ist: Wie verhindert man, dass sich solche Verbrechen nie wieder wiederholen? Dazu gehört absolute Wahrhaftigkeit von allen Seiten und die Würdigung der Opfer. Natürlich kann man darüber diskutieren, ob eine achtjährige oder 30-jährige Haft dazu beiträgt, dass sich solche Verbrechen nicht wiederholen. Ich glaube, man hat in Havanna einen Ausgleich gefunden, der für beide Seiten tragbar ist. Ein Friedensvertrag, bei dem die eine Seite sofort ins Gefängnis geht, ist Illusion.

Dies ist schon der zweite historische Händedruck von Raúl Castro in diesem Jahr. Hat Kuba seine Unterstützung von Guerilla-Bewegungen endgültig aufgegeben?

Da wird etwas nachvollzogen, was 1989 begonnen hat und zwar mit dem Zusammenbruch der Blockkonfrontation. Die Guerilleros haben immer mit feuchten Augen gesagt: Ah, diese Insel. Aber Kuba ist keine Insel mehr. In der globalisierten Welt gibt es keine Inseln. Die kubanische Außenpolitik hat sich entwickelt, das Land schottet sich nicht mehr ab. Kuba sagt, es setzt auf Verhandlungen und unterstützt keine Guerilla-Bewegungen mehr. Das ist ein wichtiger Punkt.

Was kann Deutschland zum Gelingen des Friedensprozesses beitragen?

Die Stimme Deutschlands wird in Kolumbien sehr wichtig genommen. Viele hochrangige kolumbianische Justizbeamte haben in Deutschland studiert, auch der Justizminister. Man orientiert sich durchaus an den Formen der Vergangenheitsbewältigung Deutschlands. Deutschland hat sich eindeutig für Verhandlungen ausgesprochen, und zwar auch mit Leuten, die andere Terroristen nennen. Deutschland wird dem Land die Treue halten.

Tom Koenigs ist Bundestagsabgeordneter der Grünen. Er ist menschenrechtspolitischer Sprecher seiner Fraktion und Obmann im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe.

Das Gespräch führte Astrid Prange.