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Der schwierige Weg zurück

Tobias Käufer, Medellin23. März 2016

In Kolumbien müssen rund 17.500 Angehörige der FARC-Guerilla nach einem Friedensabkommen in die Gesellschaft integriert werden. Aus Medellin berichtet Tobias Käufer.

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Alltag im Lager der FARC (Foto: AP Photo/Rodrigo Abd)
Bild: picture alliance/AP Photo/R. Abd

Geht es nach Präsident Juan Manuel Santos, dann müssen in Kolumbien nach einem möglichen Friedensabkommen mehr als 17.500 bewaffnete und zivile Kräften der linksgerichteten Guerilla-Organisation FARC demobilisiert werden. "Wir kalkulieren mit 7500 bewaffnete Kämpfern", sagte Santos jüngst. Der Rest arbeitet ohne Waffen im organisatorischen Umfeld der FARC. Trotz der hohen Zahl an Rebellen, die nach Ende des Krieges auf eine neue Aufgabe warten, ist Santos zuversichtlich.

Eine solche Aufgabe erfordert die Anstrengungen aller Sektoren der Gesellschaft. Allerdings habe Kolumbien bereits Erfahrung auf diesem Gebiet. Im Rahmen verschiedener Programme seien in den vergangenen Jahren bereits 59.000 Mitglieder verschiedener illegaler bewaffneter Gruppen in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt integriert worden, zeigte sich der Präsident mit Blick auf die zahlreichen Kämpfer von paramilitärischen Gruppen und Guerilla-Einheiten optimistisch, die zum überwiegenden Teil aus eigener Entscheidung und bisweilen unter Lebensgefahr ihrem Leben als Untergrundkämpfer den Rücken kehrten.

Der große Wurf verzögert sich noch

Seit mehr als drei Jahren verhandeln die Regierung und die FARC in der kubanischen Hauptstadt Havanna über ein Ende des jahrzehntelangen bewaffneten Konfliktes, der über 250.000 Menschen das Leben kostete und mehr als sechs Millionen Binnenflüchtlinge produzierte. Eigentlich war für März dieses Jahres ein erfolgreiches Ende der Verhandlungen vorgesehen, doch nun verzögert sich der große Wurf erneut. Bis zur Unterschrift eines kompletten Friedensabkommens dürften noch einige Wochen vergehen.

Dafür dürften auch am Donnerstag, wenn die kolumbianische Fußball-Nationalmannschaft in der südamerikanischen WM-Qualifikation um wichtige Punkte spielt, wieder eine interessante Botschaft der kolumbianischen Regierung über die Bildschirme flimmern. "Guerillero entwaffne Dich - entscheide Dich für ein neues Leben" lautet einer der Werbesports, die sich dann an die Fußballfans unter den Guerilleros richtet. Unterlegt mit pathetischen Bildern eines Rebellen, der diesen Weg vom Kampf im Regenwald hin zu einem wertvollen Mitglied der kolumbianischen Gesellschaft schon hinter sich gebracht hat.

Eckerhard Finsterer vom Hilfswerk Misereor (Foto: DW/T. Käufer)
Eckerhard Finsterer vom Hilfswerk MisereorBild: DW/T. Käufer

Demobilisierung via Werbespot

Auch Rebellen sind Fußballfans und deswegen steigt nach solchen Spielen, wenn die Spots geschaltet werden, auch die Zahl derer, die sich "demobilisieren" stets an. Doch es handelt sich dabei stets um Einzelfälle, nie um eine Demobilisierung auf einen Schlag. Sie werden von speziellen Einrichtungen aufgenommen und durchlaufen eine Art Reintegrationsprogramm.

"Es ist wichtig, dass den FARC-Kämpfern eine realistische Perspektive zurück in die Gesellschaft gegeben wird, damit sie nicht auch andere Angebote zurückgreifen", sagt Eckehard Finsterer. Der Kolumbien-Experte des kirchlichen Hilfswerks Misereor warnt davor, den Blick im Friedensprozess nur auf die FARC zu richten: "Es gibt Hinweise darauf, dass paramilitärische Gruppen oder die ELN (kolumbianische Guerillabewegung Anm.d.Red.) versuchen werden, jene Räume zu besetzen, die bislang die FARC dominiert hat."

Und dazu brauchen diese illegalen Gruppen entsprechendes Personal. Ex-FARC-Rebellen, die nichts etwas anderes als den bewaffneten Kampf kennen, könnten für diese Anwerbeversuche anfällig sein. Ähnlich sieht es Tom Königs, Sonderbeauftragter der deutschen Bundesregierung für den kolumbianischen Friedensprozess. Er sieht eine große Aufgabe auf die kolumbianische Gesellschaft zukommen: "Das ist eine große Kraftanstrengung, sowohl für die Wirtschaft, als auch für die Gesellschaft an sich. Wie sie gemeistert wird, wird auch entscheidend dafür sein, ob der Frieden nachhaltig wird."

Keine Sieger und Besiegte

Zwei, die dem Krieg bislang bereits den Rücken zugekehrt haben sind die beiden ehemaligen Guerilla-Kämpferinnen Gloria Patricia Castanela (42) und Leidy Mariza Montoya Perez (31), die inzwischen im "Haus der Erinnerung" in Medellín arbeiten. Sie engagieren sich in der Kunstwerkstatt des Museums: "Für mich ist es wichtig, dass wir von den anderen Kolumbianerin akzeptiert werden", sagt Montoya.

Die Ex-Farc-Kämpferinnen Gloria Castanela und Leidy Montoya (Foto: Florian Kopp/Misereor)
Farc Gloria Castanela und Leidy Montoya sind bei der FARC ausgestiegenBild: Florian Kopp/Misereor

Sie hat den Absprung mit Hilfe eines staatlichen Reintegrationsprozesses geschafft. Montoya warnt aber davor, den künftigen Ex-Rebellen aus einer Position der Stärke entgegenzutreten: "Grundsätzlich ist eine Versöhnung dauerhaft möglich. Dazu gehört aber auch, dass man sich auf Augenhöhe begegnet. Es darf keinen Sieger und Besiegte geben."

Demobilisierungsprogramm für Ex-Rebellen

Eine der entscheidenden Fragen dabei wird sein, welche Zukunft die Kommandanten der FARC in der Zukunft spielen werden. Beide Seiten verständigten sich in der Hauptstadt Havanna darauf, dass die FARC künftig ihren Kampf für eine andere Gesellschaft als politische Partei fortsetzen wird. Ob und wer diesen Kampf personell umsetzen kann und darf, ist noch offen, auch ein kleiner Teil der FARC wird in dieser neuen politischen Partei, die nach Unterzeichnung eines Friedensabkommens auf die Bühne treten wird, erhält hier eine neue Aufgabe.

Haus der Erinnerung in Medellin (Foto: DW/T. Käufer)
Im Haus der Erinnerung in Medellin finden ehemalige FARC-Kämpfer eine neue AufgabeBild: DW/T. Käufer

Obendrein haben die Verhandlungsdelegationen auch einen Weg für die juristische Aufarbeitung des Konfliktes erarbeitet. Der sieht für Verbrechen, die während des bewaffneten Konfliktes begangen wurden, eine Art Arbeitseinsatz vor, mit dem die Täter ihre Schuld wieder gut machen sollen. Auf den großen Rest aber wird ein Demobilisierungsprogramm warten, dass sie Kämpfer aus ihrer gewohnten militärischen Hierarchie Stück für Stück in ihre neue Rolle innerhalb der kolumbianischen Gesellschaft überführen wird. Bekannt ist bislang, dass sich die FARC auf ihrem Weg aus der Illegalität zuvor in spezielle Regionen des Landes zurückziehen soll. Danach sollen die FARC-Rebellen dann in den Arbeitsmarkt integriert werden. Die Details dazu sollen verkündet werden, wenn der Friedensvertrag unterzeichnet wird.