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PolitikKolumbien

Duque zu Corona: "Können Erfolge vorweisen"

Mirjam Gehrke
29. September 2020

Kolumbien liegt in der Corona-Statistik auf Rang fünf. Präsident Duque verweist dennoch auf Erfolge im Kampf gegen die Pandemie. Außerdem fordert er, die bevorstehenden Parlamentswahlen in Venezuela nicht anzuerkennen.

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Kolumbien Präsident Ivan Duque
Bild: Reuters/L. Gonzalez

Mit über 813.000 bestätigten Corona-Infektionen liegt Kolumbien derzeit auf Rang 5 der Länder mit den meisten COVID-19-Fällen weltweit. Die Folgen für die Wirtschaft des südamerikanischen Landes sind dramatisch. Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht für 2020 von einem negativen Wachstum von 7,8 Prozent aus: Kolumbien erlebt die erste Rezession seit mehr als 20 Jahren.

Gleichzeitig wird das Land von einer Welle der Gewalt erschüttert. Mindestens zehn Menschen sind in den vergangenen Wochen durch Polizeigewalt ums Leben gekommen. Auch die Zahl der tödlichen Angriffe auf Sozialaktivisten ist weiter angestiegen: Allein zwischen Januar und Juni wurden 81 Menschenrechtsverteidiger ermordet, fast ein Drittel mehr als im Vorjahreszeitraum. Im Exklusiv-Interview mit der DW zeichnet Kolumbiens Präsident Iván Duque dennoch ein positives Bild der Lage.

Deutsche Welle: Welche Strategie wird Kolumbien in den kommenden Wochen verfolgen, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen?

Präsident Ivan Duque: Die vergangenen sechs Monate waren sehr schwierig, aber wir können auch Erfolge vorweisen: 85 Prozent der Infizierten sind genesen. Unsere sehr niedrige Sterberate liegt mit mit 3,1 Prozent unter der von Deutschland, Frankreich oder Großbritannien.

Wir haben die Flugverbindungen ins Ausland schrittweise wieder aufgenommen. Mit der EU befinden wir uns derzeit im Dialog, da bestimmte Länder nach wie vor Einreisebeschränkungen unterliegen. Unsere Sicherheitsvorkehrungen ermöglichen eine schrittweise Rückkehr zur Normalität und führen zur Belebung der Wirtschaft. Allerdings beobachten wir die steigenden Infektionszahlen in Europa mit Sorge.

Gewaltwelle erschüttert Kolumbien

In den vergangenen Wochen wurde wiederholt über Proteste in Kolumbien berichtet. Besonderes Aufsehen erregte der Tod des Familienvaters Javier Ordóñez am 10. September, der mutmaßlich durch Polizeigewalt bei einer Demonstration in Bogotá ums Leben gekommen ist. Aus politischen Kreisen ist der Ruf nach einer Polizeireform laut geworden. Ziehen Sie eine solche Reform in Erwägung?

Nach dem traurigen und bedauerlichen Tod von Javier Ordóñez war ich der erste, der diesen Vorfall verurteilt und eine umfassende Untersuchung gefordert hat. Die beteiligten Personen stehen vor Gericht, sie befinden sich in Untersuchungshaft. Ich schließe mich dem Verteidigungsminister an und bitte die Familie von Javier Ordóñez öffentlich um Entschuldigung für ein Verhalten, das inakzeptabel ist für Angehörige der Polizei.

Protest in Kolumbien
Massendemonstration gegen Polizeigewalt in KolumbienBild: Fernando Vergara/AP/dpa/picture-alliance

Im Rahmen der sicherheitspolitischen Richtlinien streben wir die Modernisierung, Transformation und andauernde Reformierung der Polizeiarbeit in Kolumbien an, um die höchsten internationalen Standards zu erreichen.

Die Guerilla-Organisation ELN hat sich dazu bekannt, gewaltsame Ausschreitungen im Rahmen dieser Proteste provoziert zu haben. Sehen Sie noch eine Möglichkeit zur Annäherung, um einen Dialog mit der ELN zu beginnen?

Die ELN hat immer versucht, die Gewalt in den Städten anzufachen. Sie steckt eindeutig hinter vielen gewaltsamen Ereignissen von Vandalismus und Terrorismus im Rahmen dieser Proteste. Deswegen begegnen wir ihr mit absoluter Härte. Wenn die ELN sich mit legalen Mitteln an einem Friedensprozess beteiligen möchte, muss sie mehrere Bedingungen erfüllen. Erstens muss sie alle Geiseln freilassen und auf Entführungen fortan verzichten. Zweitens muss die ELN alle kriminellen Handlungen einstellen. Es kann keine Beteiligung an einem Friedensprozess geben, wenn gleichzeitig Gewalt gegen das kolumbianische Volk ausgeübt wird.

Es hat in Kolumbien in jüngster Zeit wiederholt Massaker und Mordanschläge auf Anführer von sozialen Bewegungen und ehemalige FARC-Kämpfer gegeben. Wie lässt sich diese Gewalt erklären?

Man muss diese schmerzhaften Ereignisse im Gesamtzusammenhang sehen. 2019 hat Kolumbien die dritt niedrigste Tötungsrate der vergangenen 44 Jahre verzeichnet. Im laufenden Jahr sind die Tötungsdelikte um rund 9,5 Prozentpunkte zurückgegangen. Das sind sehr positive Entwicklungen. Aber abtrünnige Splittergruppen der FARC, terroristische Drogenbanden und die ELN verüben weiterhin Gewaltverbrechen. Wir begegnen dieser Gewalt mit einer intensiven Aufklärungsarbeit und bringen die Verantwortlichen vor Gericht. In enger Zusammenarbeit mit dem Generalstaatsanwalt ist es in den vergangenen sechs Wochen gelungen, einige dieser Massaker aufzuklären und die Täter und ihre Hintermänner zu verhaften.

Die Welt muss verstehen, dass hinter diesen Verbrechen Terrorgruppen stehen, die sich aus dem Drogengeschäft finanzieren. Diese Strukturen müssen wir zerschlagen. Daher ist der ganzheitliche Kampf gegen den Drogenhandel so wichtig. Wir müssen den illegalen Drogenanbau genauso bekämpfen wie den Handel mit den chemischen Zwischenprodukten. Wir müssen Geldwäsche bekämpfen und die Lieferketten zerschlagen. Dafür benötigen wir eine enge internationale Zusammenarbeit von Antidrogen-Behörden. Für Kolumbien ist die Bekämpfung des Drogenhandels eine moralische Verpflichtung, aber andere Länder der Welt tragen eine Mitverantwortung.

"Wahlen in Venezuela sind eine Farce"

Sie haben ihre Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen genutzt, um auf die Situation im Nachbarland Venezuela aufmerksam zu machen und Präsident Nicolás Maduro erneut zu kritisieren. Kolumbien hat mehr als eine Millionen Menschen aufgenommen, die aus Venezuela wegen Hunger, Armut und Verfolgung geflohen sind. Wie will die kolumbianische Regierung auf die Rückkehr zur Demokratie hinwirken? 

Die Vereinten Nationen werfen Präsident Nicolás Maduro und Ministern seiner Regierung mutmaßliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor und fordern, sie vor den internationalen Strafgerichtshof zu stellen.

Venezuela's Präsident Maduro bei einer Pressekonferenz im Miraflores Palace in Caracas
Nicolás Maduro - von Kolumbien nicht als rechtmäßiger Präsident Venezuelas anerkanntBild: Reuters/M. Quintero

Die Welt muss handeln angesichts dessen, was in Venezuela passiert. Der Rücktritt von Nicolás Maduro und ein Verfahren gegen ihn vor dem internationalen Strafgerichtshof sind der erste Schritt für den Wiederaufbau Venezuelas. Zweitens muss eine Übergangsregierung gebildet werden, unter breiter politischer Beteiligung von den Anhängern des ehemaligen Präsidenten Hugo Chávez bis hin zur demokratischen Opposition. Und selbstverständlich müssen freie Wahlen unter internationaler Beobachtung stattfinden. Viertens muss ein Wiederaufbauplan auf den Weg gebracht werden. Auf diesen vier Punkten werden wir beharren.

Der venezolanische Oppositionspolitiker Henrique Capriles hat angekündigt, an den für Dezember dieses Jahres angesetzten Parlamentswahlen teilzunehmen. Was halten Sie von dieser Entscheidung?

Ich werde die Entscheidung von Henrique Capriles nicht kommentieren. Mir geht es darum klarzustellen, dass diese Wahl international nicht anerkannt werden darf. Diese Wahl ist eine Farce im Dienste einer Diktatur. Maduro will damit die letzte demokratische Institution, das Parlament, aushebeln und den demokratischen Widerstand zum Schweigen bringen. Kolumbien wird diese Wahl nicht akzeptieren. Die Diktatur will ihre Gegner weiterhin brutal unterdrücken und die Stimmen der Freiheit mundtot machen. Dieses Regime führt das Land nur noch tiefer in ein Desaster, das die Menschen nicht länger aushalten können.

Das Interview führte Carol Guerrero.