Vincent Lambert darf nicht sterben
21. Mai 2019Die Ernährung und Flüssigkeitszufuhr des Patienten Vincent Lambert müssten vorerst aufrecht erhalten werden, urteilte das Pariser Berufungsgericht am späten Montagabend. Das Gericht verwies in seiner Entscheidung auf entsprechende Forderungen des UN-Ausschusses zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen. Die Eltern des 42-jährigen früheren Krankenpflegers, überzeugte Katholiken, hatten in einem verzweifelten letzten Akt das UN-Gremium eingeschaltet.
Vincent Lambert ist seit einem Unfall 2008, bei dem er sich schwer am Kopf verletzte, querschnittsgelähmt und kann nicht sprechen. Da er laut einem Gutachten nicht bei Bewusstsein ist und sich sein Zustand nicht verbessern dürfte, stellten die Ärzte im Uniklinikum Reims nach jahrelangem Rechtsstreit die künstliche Ernährung Lamberts am Montagmorgen ein. Die Mediziner beriefen sich auf ein Gesetz von 2016, wonach die Behandlung beendet werden kann, wenn sie "unnütz und unverhältnismäßig erscheint oder nur dazu dient, das Leben künstlich zu erhalten".
Macron und Gerichtshof für Menschenrechte weisen Beschwerde zurück
Lamberts Eltern hatten sich in Frankreich durch sämtliche Instanzen geklagt, um den Tod ihres Sohnes zu verhindern. Sie scheiterten immer wieder und auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der erst am Montagnachmittag einen erneuten Antrag der Eltern zurückwies. Auch Präsident Emmanuel Macron baten die Angehörigen um Hilfe. Doch dieser erklärte, es stehe ihm nicht zu, die Entscheidung der Ärzte aufzuheben.
Die Familie des Wachkoma-Patienten ist zutiefst zerstritten. Seine Eltern und seine Geschwister sind gegen die Einstellung der Pflege, Lamberts Ehefrau will ihn dagegen "in Würde gehen lassen". Ihr Mann habe sich nie gewünscht, dass sein Leben künstlich verlängert werde, sagte sie vor einigen Jahren. Eine Patientenverfügung von Lambert gibt es allerdings nicht.
Passive Sterbehilfe erlaubt
In Deutschland und Frankreich ist aktive Sterbehilfe, also einem Menschen ein tödlich wirkendes Mittel zu verabreichen, verboten. Passive Sterbehilfe durch das Abschalten von Apparaten und indirekte Sterbehilfe, bei der starke Medikamente Schmerzen lindern und als Nebenwirkung das Sterben beschleunigen, sind zulässig.
Nach Angaben der Deutsche Stiftung Patientenschutz leben in der Bundesrepublik etwa 10.000 Menschen mit dem sogenannten apallischen Syndrom, das von schwersten Hirnschädigungen hervorgerufen wird. "Diese Patienten im Wachkoma sind keine Sterbenden", machte Vorstand Eugen Brysch deutlich. Er verwies zugleich auf die Bedeutung von Patientenverfügungen. In Deutschland dürften weder Ehepartner noch Verwandte automatisch über eine Behandlungsbegrenzung entscheiden, so Brysch. "Allein eine schriftliche Vollmacht ermöglicht ein Mitspracherecht."
se/wa (afp, dpa, rtr)