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Komisch, traurig, brillant

29. Juni 2008

Tilman Rammstedt hat den 32. Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt gewonnen. Der Autor erhielt die mit 25.000 Euro dotierte Auszeichnung für einen Auszug aus seiner Familiengeschichte "Der Kaiser von China".

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Geborene in Bielefeld, in Berlin lebend: Tilmann RammstedtBild: pIcture-alliance/ dpa

Schnell und fast atemlos las Tilmann Ramstedt in Klagenfurt einen Auszug aus seinem unveröffentlichten Werk "Der Kaiser von China" vor. Darin berichtet ein Ich-Erzähler von seiner schwierigen Beziehung zu seinem dominanten Großvater, der dem Enkel erst die Frauen ausspannt und dann doch nicht nach China, sondern in den Tod reist. Die Jury lobte den Text als hochkomisch wie traurig und brillant. "Für mich bleibt das ein virtuoser Text, komponiert und mit der Wirkung wie ein Promenadenkonzert, dem man gern und beschwingt zuhört, das aber eben ein Operettenmedley war", urteilte Jurymitglied Burkhard Spinnen nach der Lesung.

Der Bachmann-Preis gilt seit seiner Gründung 1977 als einer der wichtigsten Literaturpreise im deutschsprachigen Raum. Er ist nach der im österreichischen Klagenfurt geborenen Dichterin Ingeborg Bachmann (1923-1973) benannt. Bei dem Wettbewerb lesen jedes Jahr bisher wenig bekannte Autoren aus unveröffentlichten Prosatexten, über die dann öffentlich diskutiert wird. Am Samstagabend brauchte es mehrere Abstimmungen der Jury unter Vorsitz von Burkhard Spinnen, bis Rammstedt als Preisträger feststand.

Dem Glück aus dem Weg

Geschrieben habe er immer schon, dass er von der Schriftstellerei leben könne, sei aber nicht geplant gewesen, sagte der 33-jährige Autor. Denn Rammstedt ist sicher keine Neuentdeckung des Bachmann-Preises. 2003 erschien sein Buch "Erledigungen vor der Feier" bei DuMont, 2005 folgte der Roman "Wir bleiben in der Nähe". In seinen Geschichten beschreibt er Figuren, die im Leben stolpern oder es immer wieder schaffen, dem Glück aus dem Weg zu gehen.

Schriftstellerin Ingeborg Bachmann
Die Namensgeberin: Ingeborg BachmannBild: ORF

Neben dem Hauptpreis wurden im ORF-Theater noch vier weitere Auszeichnungen an die insgesamt 14 Teilnehmer vergeben. Der in Karlsruhe lebende Schriftsteller Markus Orths erhielt den mit 10.000 Euro dotierten Telekom Austria Preis, der Berliner Patrick Findeis gewann den mit 7500 Euro dotierten 3sat-Preis und der Österreicher Clemens J. Setz wurde mit dem Ernst-Willner-Preis im Wert von 7000 Euro ausgezeichnet. Beim Publikumspreis für 6000 Euro, den alle Zuhörer der Lesungen in einer Internetabstimmung vergeben konnten, überzeugte Rammstedt erneut.

Unter den 14 Teilnehmern des wohl bekanntesten "Vorlesewettbewerbs" der deutschsprachigen Literatur waren elf Deutsche, zwei Autoren kamen aus Österreich und einer aus der Schweiz. Sechs der Teilnehmer waren Frauen, sie gingen alle leer aus. Im Vergleich zu den Vorjahren wurde der Wettbewerb 2008 deutlich gestrafft, die Lesungen und Diskussionen zogen sich nur über zwei Tage. (sams)