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Tanz mit dem roten Drachen

Florian Weigand28. Oktober 2014

Mit dem Abzug der westlichen Streitkräfte orientiert sich das rohstoffreiche Afghanistan in Richtung China. Doch Vorsicht: Viel Geld könnte am Ende in den Taschen der Taliban landen, fürchtet Florian Weigand.

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Der chinesische Präsident Xi Jinping mit dem afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani Ahmadzai
Bild: Getty Images

Wer hätte das gedacht? Afghanistan ist reich. Im Land der mittelalterlichen Bilder mit Turbanen, Burka, Lehmhäusern und Lasteseln auf Schotterpfaden schlummern immense Mengen an Rohstoffen - geschätzter Wert: eine Billion, also 1000 Milliarden Euro. Im Norden an der Grenze zu Turkmenistan lagert Erdgas. Im Nordosten, in direkter Nachbarschaft zu China, so genannte "seltene Erden" - ein wichtiger Rohstoff für die Herstellung von Tablets und Smartphones. Im Zentrum des Landes besteht ein ganze Berg aus Kupfer - die größte bekannte Lagerstätte in der Region, wenn nicht in der ganzen Welt.

Klar ist aber auch, Afghanistan kann diesen Reichtum nicht alleine für sich ausbeuten. Es fehlt an Infrastruktur, schwerem Grubengerät und Ausbildung von Facharbeitern und Ingenieuren. Wäre Afghanistan ein normales Land - die Investoren würden Schlange stehen und sich mit Entwicklungsprojekten überbieten, nur um an der Ausbeutung der Bodenschätze beteiligt zu werden. Doch der Westen zieht sich nach über einem Jahrzehnt Kleinkrieg mit den Taliban Stück für Stück zurück. Die Briten haben am vergangenen Wochenende als erster großer Truppensteller den Anfang gemacht. Es liegt in der Natur der Sache, dass auch die zivilen Helfer in nicht allzu ferner Zukunft - spätestens in ein paar Jahren- ebenfalls die Koffer packen werden. Ausbildung und Wirtschaftsentwicklung ade.

Peking, nicht Washington ist erstes Ziel des neuen Präsidenten

Vor diesem Hintergrund ist es ganz logisch, dass sich der frisch gewählte Präsident Ashraf Ghani neu orientiert und seine erste Auslandsreise nicht nach Washington, sondern nach Peking führt. Hier ist er nicht der Bittsteller um Entwicklungshilfe und militärischen Schutz, sondern er hat den Chinesen etwas zu bieten. Dieses Gefühl der Wichtigkeit muss wohltuend wirken auf die geschundene afghanische Seele. Und die Chinesen können ein neues Gebiet arrondieren - als Teil ihres expandierenden Wirtschaftsimperiums.

Es ist nicht so, dass der Westen nicht um Wirtschaftskooperationen mit Afghanistan geworben hätte. Die Unternehmen in den USA und Europa schreckten aber zurück. Zu hoch war ihnen das Risiko in dem instabilen Land. Wer wollte sich mit korrupten Machthabern oder den Taliban einlassen, ständig in der Gefahr übervorteilt zu werden oder gar alle Investitionen bei kriegerischen Auseinandersetzungen zu verlieren? Und würden Unternehmen zuhause nicht gesellschaftlichen Selbstmord begehen, wenn sie nicht Mindeststandards in Arbeitssicherheit und Entlohnung durchsetzen? Von Naturschutz und Menschenrechten im Allgemeinen ganz zu schweigen. Es ist kein Geheimnis, dass chinesische Entrepreneure in diesen Fällen wenig Skrupel an den Tag legen - auch nicht, wenn eigene Bürger betroffen sind. Wiederholt sind chinesische Bauarbeiter bei Angriffen in Afghanistan ums Leben gekommen. Die Firmen machten unverdrossen weiter.

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Florian Weigand, Leiter der Paschtu- und Dari-Redaktion der DWBild: DW/P. Henriksen

Peking hält nicht alle Versprechen

Doch Kabul sollte aus purem Eigeninteresse vorsichtig sein bei Geschäften mit dem Reich der Mitte. Peking hat schon viel versprochen, so eine Eisenbahnlinie zum Kupferberg in der Provinz Logar. Von dieser ersten Bahntrasse in der Geschichte Afghanistans könnte das ganze Land profitieren, die Fertigstellung steht aber in den Sternen. Und Peking wird im Zweifel die wirtschaftlichen Interessen in den Vordergrund stellen und notfalls auch mit den Taliban kooperieren. Die Verlierer stünden damit fest: die nur mit Ach und Krach, aber dennoch halbwegs demokratisch legitimierte Regierung in Kabul und die westliche Staatengemeinschaft. Denn wenn auch nur ein Bruchteil der Billion Euro aus dem Verkauf der Bodenschätze in die Taschen den Radikalislamisten fließen, wären die Gotteskrieger in Afghanistan vermutlich noch reicher als der "Islamische Staat" in Syrien und im Irak.