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Kommentar: Alles keine Überraschung

Felix Steiner29. September 2014

Was kann die Bundeswehr eigentlich noch? Ob Transport von Waffen in den Irak oder die Verteidigung der NATO-Partner im Baltikum - überall Probleme! Ursula von der Leyen muss das nicht schaden, meint Felix Steiner.

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Ursula von der Leyen im Cockpit eines US-Kampfhubschraubers (Foto: dpa)
Funktionstüchtige Helikopter: Die deutsche Verteidigungsministerin im Cockpit eines US-KampfhubschraubersBild: picture-alliance/dpa

Es gab eine Zeit, da hat die Redaktion des "Spiegel" regelmäßig gesellschaftliche Debatten ausgelöst und die Nachrichtenagenda in Deutschland bestimmt. Inzwischen machen die Kollegen mehr Schlagzeilen durch Machtkämpfe innerhalb der Redaktion, als durch investigative Recherche. Aber sie versuchen es wenigstens ab und an. Und manchmal folgen ihnen dann die anderen Medien der Republik - so wie früher.

Am vergangenen Wochenende war es wieder einmal so weit: "Marodes Material: Bundeswehr erfüllt NATO-Anforderungen derzeit nicht" war Aufmacherthema bei Spiegel-Online, die ausführliche Geschichte ist diese Woche im gedruckten Heft zu lesen. Und schon in den Montagsausgaben der deutschen Tageszeitungen überschlagen sich die Kommentatoren vor Aufregung. Dabei ist der Befund alles andere als neu!

Pleiten, Pech und Pannen

Schon in der vergangenen Woche war die Welt Zeuge geworden, wie die Bundeswehr am Transport von 60 Tonnen Waffen und Ausrüstung sowie sieben Ausbildern für die kurdischen Peschmerga im Nordirak peinlich zu scheitern drohte. Gleichzeitig musste das Verteidigungsministerium einräumen, dass die Deutsche Marine derzeit nur über wenige einsatzfähige Hubschrauber verfügt. Aufgaben im Rahmen der Anti-Piraten-Mission Atalanta vor dem Horn von Afrika müssen vorübergehend nun von anderen Nationen übernommen werden. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages diagnostizierte daher zur Wochenmitte eine nur noch "bedingte Einsatzbereitschaft" der Bundeswehr.

Als sei das alles noch nicht genug der Offenbarungseide, legten die Spiegel-Kollegen nun also nochmals nach. Wobei die Dramatik der Feststellung, "im Ernstfall eines Angriffs etwa auf ein baltisches NATO-Mitglied könnte die Bundeswehr zum Beispiel die 60 angemeldeten Eurofighter nicht stellen" fast schon wieder kabarettistisch wirkte. Weil jeder, der sich auch nur ansatzweise mit militärstrategischen Fragen auskennt, weiß, dass das Baltikum im Falle eines russischen Angriffs mit konventionellen Waffen ohnehin nicht zu verteidigen wäre. Schlaflose Nächte müsste man im Baltikum haben, wenn die USA ihren atomaren Schutzschirm für Europa aufgeben würden. Das ist die einzige Sicherheitsgarantie auf die es ankommt und die funktioniert!

Deutsche Welle Felix Steiner
DW-Redakteur Felix SteinerBild: DW

Probleme, die Vorgänger hinterlassen haben

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen ist trotz aller Pannen und peinlichen Offenbarungen dieser Tage noch lange nicht die "Ursula von der Leiden", zu der sie die Bild-Zeitung am Montag ausgerufen hat. Die Probleme, mit denen die Bundeswehr kämpft, hat nämlich nicht die Ministerin zu verantworten, die erst seit gut neun Monaten amtiert. Der Berg von Problemen hat sich über Jahre hinweg aufgetürmt. Seit 20 Jahren jagt eine Bundeswehr-Reform die nächste, wurde der Kernauftrag der Truppe umdefiniert von der Landesverteidigung zum Out-of-area-Einsatz. Und fragte der Bundesfinanzminister genauso wie die sich ständig nach neuen sozialen Wohltaten sehnende Gesellschaft nach der Friedensdividende: Deswegen steht der Haushalt der Bundeswehr seit dem Ende des Kalten Krieges wie kein anderer Etat unter Rechtfertigungszwang und wurde regelmäßig gekürzt. Das Ergebnis zeigt sich jetzt - auf Unvorhergesehenes kann die Bundeswehr nicht mehr so reagieren, wie man es von der Armee der größten Wirtschaftsmacht Europas erwartet. Und erst Recht eine mögliche militärische Bedrohung von NATO-Mitgliedern in Europa hatte seit Jahren niemand mehr auf der Rechnung!

Bewährungsprobe für eine ehrgeizige Frau

Natürlich wird Ursula von der Leyen jetzt für mehr Geld kämpfen und dabei ihre Sympathiewerte bei den Soldaten steigern. Und mindestens die Hälfte der deutschen Leitartikler folgt ihr inzwischen willig. Aber das Problem der Bundeswehr ist bekanntermaßen nicht nur zu wenig Geld: Milliardenbeträge wurden in den vergangenen Jahren an den Finanzminister zurücküberwiesen, weil man sie nicht auszugeben wusste! Gleichzeitig fällt altes Gerät immer öfter aus, weil neues erst mit jahrelanger Verspätung zur Verfügung steht - nach fast schon rituellem Streit mit den Herstellern über Kosten und Fähigkeiten.

Auch das Problem der Rüstungsplanung und Beschaffungsprozesse hat die Ministerin längst erkannt und ganz oben auf ihre Agenda gesetzt. Ein entlassener Staatssekretär und eine Schar von Spitzenbeamten im Ministerium können ein Lied davon singen. Die Vorbereitungen sind getroffen, das Problem ist jedem bewusst - jetzt muss Ursula von der Leyen zeitnah Ergebnisse liefern. Wenn sie das schafft, ist die erste Frau an der Spitze der Hardthöhe die natürliche Nachfolgerin Angela Merkels. Eine rundum wieder einsatzfähige Bundeswehr wäre in den Augen Ursula von der Leyens vermutlich ein nützlicher Nebeneffekt.