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Politik

Angemessener Auftritt

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Kay-Alexander Scholz
12. März 2020

"Was macht die Kanzlerin eigentlich beruflich?" fragten die ersten Journalisten in den jüngsten Tagen zynisch. Jetzt hat sie zu Corona eine klare Orientierung gegeben, ohne Panik zu schüren, meint Kay-Alexander Scholz.

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Pressekonferenz zum Coronavirus. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (R), der Bundesminister fuer Gesundheit Jens Spahn (M
Von re. nach li.: Angela Merkel, Gesundheitsminister Jens Spahn und Lothar Wieler, Chef des Robert-Koch-InstitutsBild: Imago Images/photothek/F. Zahn

Es gab nicht wenige internationale und nationale Krisen in Angela Merkels Kanzlerjahren seit 2005. Doch eine besondere "Rede an die Nation", wie in vielen anderen Ländern üblich, hat sie noch nie gehalten. Sie beschränkt sich auf die jährliche Rede zu Silvester und verweist gern auf ihren wöchentlichen Video-Podcast.

Auch Pressekonferenzen gibt sie nur sparsam - feststehendes Ritual ist lediglich ihr Sommer-Auftritt vor der Bundespressekonferenz. Dass Merkel nun zur Coronakrise vor die Hauptstadtpresse trat, zeigt erst einmal, dass die Lage ernst ist und die Bundeskanzlerin das auch weiß.

Noch keine Chefsache

Doch nach gut 75 Minuten war klar: Merkel hat die Corona-Krise noch nicht zur Chefsache gemacht, zumindest nicht im operativen Geschäft. Denn dafür ist Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zuständig, der neben ihr saß und zusammen mit dem Chef des für Infektionsschutz zuständigen Robert-Koch-Instituts Fragen der Journalisten beantwortete. Daran soll sich auch erst einmal nichts ändern. Merkel kümmert sich vor allem um die Abstimmung auf EU-Ebene und mit den Bundesländern.

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DW-Hauptstadtkorrespondent Kay-Alexander Scholz

Als Kanzlerin aber sagte sie wichtige Dinge, wie dass Deutschland "robust" aufgestellt sei. Es also finanzielle Reserven gibt, die nun eingesetzt werden können. Und dass das so ist, haben die Deutschen in großen Teilen Merkels Politik zu verdanken. Sie setzte auf Stabilität, Schuldenabbau und vorsichtiges Haushalten. Seit Jahren gibt es Etat-Überschüsse. Wie oft gab es die Forderung, vom Sparen aufs Mehr-Ausgeben umzuschalten. Nun, in der Krise, bei der niemand weiß, wie schlimm sie noch wird, zahlt sich Merkels Hartnäckigkeit aus. Staat, Länder und viele Kommunen haben Reserven, auf die sie nun zurückgreifen können.

In anderen Hauptstädten schwingen Regierungschefs derzeit große Reden. Doch auch davon lässt sich ein Virus wie COVID-19 nicht abhalten. Verständlicherweise gibt es bei vielen eine Sehnsucht nach dem starken Mann oder der starken Frau, die alles wieder in Ordnung bringt. Dieses Heldenmotiv kennt man aus Katastrophen- oder Science-Fiction-Filmen. Mal abgesehen von der Frage, wie realitätstauglich so etwas ist - es passt auch nicht zu Deutschland.

Föderalisten im Vorteil

Denn Deutschland ist föderal organisiert. Für den Seuchenschutz sind in erster Linie kommunale Behörden zuständig, später erst die Länder oder der Bund. Das sei ein Vorteil, so Merkel, weil passgenauer gehandelt werden könne. Allerdings dürfe niemand die Verantwortung einfach wegschieben.

Merkels pragmatischer und nüchterner Stil, für den sie berühmt-berüchtigt ist, könnte sich in der schwer steuerbaren Corona-Krise als hilfreich erweisen. Die Bundesregierung setzt auf Zeit-Gewinn, um die Kurve der Ansteckung abzuflachen. Dafür brauche es auch die Solidarität und die Vernunft der Bürger, Abstriche im Sozialleben zu machen, lautete Merkels Appell.

Doch auch sie weiß, dass das kein Garant für wieder bessere Zeiten ist. "Wir werden das Notwendige für das Land tun", sagte Merkel am Ende. Was ist "das Notwendige", fragten sich einige Kommentatoren? Möglicherweise eskaliert die Lage doch. Dann müsste Merkel Corona in der Tat zur Chefsache machen. Dass es soweit noch nicht ist, ist fürs erste ein gutes Zeichen. Denn dann müsste sie wohl sehr harte und einschneidende Maßnahmen verkünden.