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Angst vor der eigenen Courage

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Andreas Rostek-Buetti
17. September 2015

Die Zinswende der US-Notenbank lässt weiter auf sich warten. Die Entscheidung ist richtig, weil sie den Realitäten in den USA und vielen Schwellenländern gerecht wird, meint Andreas Rostek.

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Washington Außenministerium US State Department
Bild: Getty Images/AFP/M. Theiler

Mit langem Anlauf gesprungen und dann auf der Stelle gelandet - das nennt man Angst vor der eigenen Courage. Aber manchmal führt solche Angst zu den richtigen Entscheidungen. Siehe Washington, siehe Notenbank Fed.

Janet Yellen, der Fed-Chefin, sagt man nach, sie lasse bei der Vorbereitung ihrer Schritte keinen Aspekt außer acht. Vielleicht hat sie sich am Mittwoch noch die jüngsten US-Verbraucherpreise angeschaut. Da zeigt die Tendenz nach unten. Hoffnungen auf ein Anziehen der Inflation sehen anders aus. Das Gegenteil von Inflation aber ist Deflation, und die scheuen Währungshüter wie der Teufel das Weihwasser.

Auch die viel beschworene Vollbeschäftigung in den USA - bei gerade fünf Prozent Arbeitslosigkeit - ist mehr Show als Substanz: Viele der neuen (und alten) Jobs sind nichts als schlechte bezahlte Teilzeitarbeit.

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Andreas Rostek-Buetti

Das mag auch der Fed-Chefin gezeigt haben, dass es im eigenen Land um die wichtigsten Ziele der Notenbank so gut nicht steht, wie es scheint: nicht bei der Preisstabilität, nicht bei der Beschäftigung.

Entscheidung zwischen Pest und Cholera

Dazu kommt das Ziel stabiler Märkte. Hier allerdings wäre mehr Courage als Angst das Gebot der Stunde gewesen. Die dauerhaft historisch niedrigen US-Zinsen haben nämlich zu einer wahren Kapitalschwemme beigetragen. Das erhöht die Lust auf milliardenschwere, riskante Deals, die ganze Volkswirtschaften gefährden können. Ein Ende der Niedrigzinszeit wäre da angebracht gewesen.

Mag sein, dass Yellen und ihre Fed-Gouverneure dann doch eher den Warnungen der Volkswirte von Weltbank und Internationalem Währungsfond gefolgt sind. Vor allem die Schwellenländer, so diese Ermahnungen, bekommen die Folgen der US-Zinspolitik zu spüren - und natürlich viele einzelne Bewohner Brasiliens, Indiens oder auch der Türkei. Ziehen die Zinsen in den USA an, sehen Anleger eher dort wieder lohnende Ufer, das Kapital aus aufstrebenden Volkswirtschaften wird abgezogen, Investoren, Firmen und deren Beschäftigte bleiben auf dem Trockenen. Das war schon so, als nur über eine Zinswende geredet wurde - eine Zinswende selbst hätte hier manche Verwerfung auslösen können.

Nächstes Problem China?

Ganz zu schweigen von China: Die Vermutung liegt nahe, dass dem chinesischen Börsendebakel ein riesiges Schuldenproblem vorausgeht. Die Schulden Chinas haben sich seit 2007 fast vervierfacht, auf mittlerweile mehr als 28 Billionen Dollar. Staat, Provinzen, Firmen und Privathaushalte standen schon 2014 mit gut 280 Prozent der Wirtschaftsleistung in der Kreide. Und das war vor dem Crash. Was wäre passiert, wenn gerade jetzt durch steigende US-Zinsen mehr Kapital in die USA ziehen würde, China aber mehr Kapital braucht, um seinen Schuldenberg zu bewältigen?

China - das heißt aber auch: Die Krise könnte gravierender sein als bisher erkennbar. Die Schockwellen einer chinesischen Krise würden auch die USA wieder zurückwerfen. Kein guter Zeitpunkt, um die Zügel für die eigene Wirtschaft anzuziehen.

Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, wissen die Ökonomen an Küchentischen weltweit. Vielleicht nutzen die Zentralbanker in Washington auch solcherart Weisheit. Sie nehmen dafür ein Glaubwürdigkeitsproblem in Kauf: Im Juli hatte Janet Yellen vor aller Welt verkündet, bald sei es Zeit für eine Normalisierung der Leitzinsen, noch in diesem Jahr würden sie steigen. Alle Welt hat gewartet, und muss jetzt weiter warten. Der Ankündigung sind keine Taten gefolgt. Nächste Chance im Dezember.