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Kommentar: Arabische Panikreaktion

Loay Mudhoon31. März 2015

Die arabischen Staatschefs haben sich überraschend auf die Bildung einer gemeinsamen Eingreiftruppe geeinigt. Diese soll in erster Linie eine gemeinsame Front gegen Irans Vormachtstellung bilden, meint Loay Mudhoon.

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Gruppenfoto vom Treffen der Arabische Liga in Scharm El-Scheich (Foto: REUTERS)
Bild: Reuters/Egyptian Presidency

Was bei älteren Arabern Erinnerungen an panarabische Parolen aus der postkolonialen Ära des Nahen Ostens, an große Visionäre und Verfechter einer gemeinsamen arabischen Nation wecken darf, müsste in den Ohren der jüngeren Generation eher befremdlich klingeln. Schließlich sehen die Realitäten zwischen Atlantik und Golf düster aus: irrationale Zerstrittenheit und destruktive Rivalitäten prägen die Beziehungen zwischen den arabischen Staaten - und behindern das Zusammenwachsen der arabischen Welt.

Dennoch: Rein rhetorisch hören sich die Ergebnisse des zweitägigen Gipfeltreffens der Arabischen Liga im ägyptischen Badeort Scharm El-Scheich recht ambitioniert an. Schließlich haben sich die arabischen Präsidenten, Könige und Emire überraschend schnell auf die Bildung einer gemeinsamen, panarabischen Eingreiftruppe geeignet, um aktuellen Bedrohungen zu begegnen und die arabische Sicherheit zu verteidigen.

Diese ehrgeizigen Pläne dürften zwar nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich hierbei lediglich um eine allgemein gehaltene Absichtserklärung handelt. Zumal die Teilnahme an diesem panarabischen Militärbündnis freiwillig sein soll und gar nicht klar ist, in welchem Rahmen diese neuartige Militärmacht einzusetzen wäre. Trotzdem ist festzuhalten: Die arabischen Führer haben am Wochenende Stärke und vor allem seltene Einigkeit und Entschlossenheit demonstriert.

Angst vor iranisch-schiitischen Vormachtstellung

Selbstverständlich sehen sich viele arabische Staaten angesichts der zahlreichen gewaltsamen Konflikte und Zerfallserscheinungen in der Region zum gemeinsamen Handeln gezwungen. Hinzu kommt, dass der rasante Aufstieg der IS-Dschihadisten in Syrien und im Irak für einige Golfstaaten, allen voran Saudi-Arabien, eine existentielle Gefahr darstellt.

Doch in Wahrheit handelt es sich bei dieser angekündeten Neugründung nicht um den Beginn einer neuen Ära in der Zusammenarbeit zwischen den arabischen Brüderstaaten bzw. eine Neugeburt der Arabischen Liga, die seit langem als "Papiertiger", als marode Organisation ohne erkennbare Strukturen und ohne jede politische Bedeutung gilt. Vielmehr ist es eine eindeutige Panikreaktion der von Saudi-Arabien angeführten Golfstaaten auf den Siegeszug der schiitischen Huthi-Rebellen im Jemen, die vom Iran unterstützt werden.

Loay Mudhoon (Foto: DW)
Loay Mudhoon leitet das Dialogportal Qantara.deBild: DW

Nach dem Scheitern saudischer Syrienpolitik, die das Ziel verfolgte, das mörderische Assad-Regime zu Fall zu bringen, ist die Angst Riads vor einer iranisch-schiitischen Vormachtstellung in der Region großer geworden. Im Nach-Saddam-Irak spielt Teheran ohnehin eine tonangebende Rolle. Die irakische Regierung ist auf Irans militärische Hilfe angewiesen. Und mit der Hisbollah verfügt die Islamische Republik über ein kampfstarkes "trojanisches Pferd" im Libanon.

Riad vertraut westlichen Verbündeten nicht mehr

Vor diesem Hintergrund stellt die Machtübernahme der Huthis im Jemen, eine unmittelbare Bedrohung für die wahabitische Monarchie dar. Mit dem Vormarsch der Huthi-Rebellen im saudischen Hinterhof dürfte Irans Aufstieg zur Regionalmacht endgültig besiegelt sein. Ein möglicher Deal zwischen dem Iran und der internationalen Staatengemeinschaft dürfte zudem zur Folge haben, dass Irans Rolle als Hegemonialmacht international akzeptiert wird. Diese strategische Aufwertung Irans ginge mit einer Abwertung Israel und der Golfstaaten einher.

Aus Sicht der Machtelite um den neuen König Salman hat die Obama-Administration bei der Eindämmung iranischer Expansion im Nahen Osten versagt. Sie hat gegen das Assad-Regime nicht interveniert und gegen Irans Einfluss im Irak nichts unternommen. Auf westlichen Verbündeten ist aus Raids Sicht kein Verlass mehr.

Daher ist es kein Zufall, dass die saudisch geführte Militäroperation im Jemen mit dem Beginn der entscheidenden Phase der Atomverhandlungen mit Iran in Lausanne zusammenfällt. Und es ist auch kein Zufall, dass die chronisch zerstrittenen (sunnitischen) arabischen Führer sich für die Bildung einer panarabischen Eingreiftruppe mehrheitlich aussprachen.

Dabei geht es offenkundig nicht um die Verteidigung der arabischen Sicherheit und kollektiven Identität, sondern darum, eine gemeinsame Front gegen die iranische Vormachtstellung im Mittleren Osten zu bilden.