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Asiens Herz kurz vor dem Kollaps

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Florian Weigand
9. Dezember 2015

In der pakistanischen Hauptstadt Islamabad versuchten die Regionalmächte, ein bisschen Frieden nach Afghanistan zu tragen. Die ersten zaghaften Schritte könnten aber zu spät kommen, meint Florian Weigand.

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Pakistan Heart of Asia Konferenz
Bild: Reuters/A. Qureshi

Vor mehr als einem Jahrhundert hat der pakistanische Nationaldichter Allamah Muhammad Iqbal Afghanistan als das "Herz Asiens" besungen. Es mag als merkwürdiger Zufall erscheinen, dass die aktuelle Konferenz in Islamabad den gleichen Namen trug. Das dauersieche Herz von Asien steht wieder einmal kurz vor dem Infarkt und die Länder außenherum - Pakistan, China, auch Indien und über zwanzig weitere Nationen, die in der pakistanischen Hauptstadt zusammentrafen - sind wie Koronargefäße auf Gedeih und Verderb mit Afghanistan verwoben.

Kommt es zum Stau oder Verschluss in den politischen und ökonomischen Arterien, wird auch der westliche Herzschrittmacher NATO den Kollaps langfristig nicht verhindern können. Und dann muss die Region mit dem Schlimmsten rechnen.

Afghanistan ist der Spielball der Regionalmächte

Das ist wohl die wichtigste Einsicht, die die Regierungschefs, Außenminister und Diplomaten auf der Konferenz hoffentlich endlich verinnerlicht haben. Denn es mag schon verwundern, wie das ärmste Land der Region mit kaum eigenständig existierender Wirtschaft, einer zersplitterten Politik, dafür aber mit blühendem Terrorismus und Kriminalität den weit besser prosperierenden Nachbarn die Politik aufzwingen kann.

Afghanistans Schwäche ist aber seine Stärke. Es ist zwar nur der Spielball der Regionalmächte - aber ohne Ball eben auch kein Spiel. Indien stützt Afghanistan, um seinen traditionellen Feind Pakistan von Ost und West in die Zange zu nehmen. Deswegen versuchten die Pakistaner, zumindest in der Vergangenheit, die Unruhe in Afghanistan weiter zu schüren - mit der Unterstützung von Terroristen wie den Taliban. China unterstützt dagegen Pakistan, um dem Weltwirtschaftskonkurrenten Indien Paroli zu bieten, ist aber gleichzeitig auch in Afghanistan aktiv und hat ein Auge auf die dortigen Bodenschätze. Denn wer hätte das gedacht: Afghanistan ist potenziell reich! An seltenen Erden, einem wichtigen Rohstoff für Mobiltelefone. Und an Kupfer - ein ganzer Berg in der afghanischen Provinz besteht fast ausschließlich aus diesem Erz.

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Florian Weigand leitet die Afghanistan-Redaktion der DW

Die Kunst liegt nun darin, das Spiel gegeneinander in ein Zusammenspiel miteinander zu drehen. Erste zaghafte Spielzüge in diese Richtung konnte man beobachten: Afghanistan und Pakistan wollen nun endlich eng im Kampf gegen Extremismus zusammenarbeiten. Und auch aus Indien kamen plötzlich positive Signale. Die Außenministerin Sushma Suraj nahm ebenfalls an der Konferenz in Islamabad teil. Sie ist die ranghöchste Politikerin ihres Landes, die seit 2012 Pakistan besuchte. Suraj sagte, sie sei "mit einer Botschaft für bessere Beziehungen" gekommen. Zwischen den beiden Atommächten Indien und Pakistan herrschen seit Jahrzehnten Spannungen.

Regionallösung würde die NATO entlasten

Die Botschaften der Politiker scheinen durchaus ehrlich gemeint. Der pakistanische Regierungschef Nawaz Sharif kommt aus einer Businessfamilie, die vor allem Geld verdienen will - in Afghanistan und vor allem in Indien. Das ist ohne Frieden nicht zu haben. Die politische und auch persönliche Sicherheit seines afghanischen Amtskollegen Ashraf Ghani, der zum Händeschütteln angereist ist, hängt an einem seidenen Faden. Auch er hat nur eine Chance, wenn es wenigstens ein bisschen Frieden gibt.

Das alles wird der Westen mit großem Wohlwollen beobachten. Erst vergangene Woche wurde das NATO-Mandat über 2016 hinaus ausgedehnt. Eine klare Zielmarke, wann und unter welchen Kriterien der Einsatz beendet sein wird, gibt es nicht. Sollte es tatsächlich einmal zu einer tragfähigen Regionallösung kommen, wäre das Aufatmen in den westlichen Hauptstädten groß. Der Weg zu einer bequemen Exit-Strategie wäre geebnet.

Kaum Hoffnung auf schnellen Frieden

Wie so oft saßen aber die Spielverderber nicht am Tisch. Die Taliban zum Beispiel - derzeit ohne Ansprechpartner, weil ihr Führer Mullah Mansoor schwer verletzt oder bereits tot ist. Verantwortlich sind dafür Gegner in den eigenen Reihen. Und welch ein Zufall: Just zum Auftakt der Konferenz griffen die Taliban den Flughafen der Stadt Kandahar im Süden Afghanistans an. Unklar ist auch die Rolle des Militärs und des Geheimdienstes in Pakistan - traditionelle Unterstützer der Taliban. Außerdem ist der afghanische Präsident Ghani schon lange nicht mehr Herr im eigenen Haus. Viele Bezirke sind in bereits in den Händen der Taliban und auch des IS. Es sieht daher nicht nach einer schnellen Lösung aus, doch die Zeit drängt. Das Herz von Asien steht kurz vor dem Kollaps.

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