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Atomare Schwachstelle Belgien

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
1. Februar 2016

Ausgerechnet beim Betrieb von Atomkraftwerken hat die EU nichts zu sagen - Sicherheit der Anlagen ist eine nationale Aufgabe. Das muss anders werden, denn grenznahe Schrott-AKWs sind eine Bedrohung, meint Barbara Wesel.

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Atomkraftwerk in Tihange Belgien
Das Atomkraftwerk Tihange in BelgienBild: Getty Images/AFP/E. Lalmand

Man könne nicht viel tun, außer die Belgier immer wieder zu irritieren, hieß es aus dem Bundesumweltministerium auf die Frage nach deutschen Eingriffsmöglichkeiten im Fall der Pannenreaktoren Doel und Tihange. Und so muss man wohl auch den Fragenkatalog sehen, den Berlin bei den belgischen Behörden eingereicht hat und den Besuch von Umweltministerin Barbara Hendricks bei ihrem Kollegen in Brüssel. Das scheint ein Fall von "Schön, dass wir darüber gesprochen haben". Nett, aber leider nicht nützlich.

Der belgische Staat und erstaunlicherweise auch seine Bürger sind tiefenentspannt gegenüber der möglichen atomaren Bedrohung aus den Uralt-Reaktoren. Da können Fachleute noch so oft handtellergroße Risse feststellen und die Sicherheit der museumsreifen Anlagen in Zweifel ziehen: Die Regierung in Brüssel verlässt sich darauf, dass der Wind hier meist nach Westen weht, eine nukleare Wolke also über den deutschen Nachbarn im Aachener Land und in der holländischen Region Maastricht nieder ginge. Denn natürlich - als die AKWs vor rund 40 Jahren gebaut wurden, stellte man sie so nahe wie möglich an die Grenzen.

Wo ist die EU?

Leider muss hier die naheliegende Frage nach der Europäischen Union mit: "Sie ist nicht zuständig" beantwortet werden. Und da reibt man sich die Augen: Die EU fühlt sich für Verbraucher- und Gesundheitsschutz bis hin zu beißsicheren Babyrasseln verantwortlich. Aber sie ist machtlos gegenüber Atomkraftwerken? Warum soll ich mich über Dieselabgase aufregen, wenn mich doch das Nachbarland atomar vergiften kann? Hier nur von einer Regelungslücke zu reden, wäre die Untertreibung des Monats.

Die Reaktorsicherheit muss zwingend als gesamteuropäisches Thema behandelt werden - ein überzeugenderes Beispiel für die Notwendigkeit grenzübergreifender Regelungen gibt es nicht. Es ist verrückt: Aber bei den Atomanlagen darf jedes Land weiter selbst entscheiden, was es für sicher hält. Und eine entsprechende EU-Richtlinie von 2014 ist windelweich. Statt die gleichmäßige Größe von Äpfeln im Supermarktregal zu kontrollieren, sollte die EU-Kommission lieber die Sicherheitskontrollen der Atomkraftwerke an sich ziehen. Hatte deren Präsident Jean-Claude Juncker bei Amtsantritt nicht verkündet, Europa werde sich nur noch um das Wesentliche kümmern?

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Barbara Wesel ist DW-Korrespondentin in Brüssel

Wo sind die transnationalen Netze ?

Nun haben die Belgier nicht nur aus Geldgier und genereller Unfähigkeit die Laufzeiten ihrer alten Reaktorblöcke zuletzt noch einmal um zehn Jahre verlängert. Sie haben das auch getan, weil sie den Strom wirklich brauchen. Denn nach wie vor gibt es keine Verbindung der Stromnetze zwischen Deutschland und Belgien. Sie können ihn also nicht in Deutschland kaufen. In Nordrhein-Westfalen gäbe es genug Strom, um die Nachbarn in der Not damit zu beliefern. Aber in den vergangenen Jahrzehnten haben es die europäischen Mitgliedsländer trotz steter Beschwörungen nicht geschafft, ihre Stromnetze miteinander zu verbinden. Was würde das kosten? Eine zweistellige Millionensumme im Fall von Deutschland und Belgien? Vielleicht sollten wir den Belgiern das Stück Trasse einfach schenken, finanziell können wir es uns doch gerade leisten. Selbst wenn wir den Nachbarn auch noch den Strom zu Rabattpreisen liefern würden - das wäre immer noch billiger, als die Gefahr der drohenden nuklearen Verseuchung einer ganzen Region. In Fukushima hatten die Offiziellen vorher auch behauptet, ein atomarer Unfall sei ganz und gar ausgeschlossen.

Notwendig ist also beides: Die Kontrollzuständigkeit für die Reaktorsicherheit in Brüssel anzusiedeln und die EU gleichzeitig mit den schärfsten Strafen auszustatten, um bei den Mitgliedern Gehorsam zu erzwingen. Und darüber hinaus muss der archaische Zustand beendet werden, dass wir zwar Tomaten im Binnenmarkt von Valencia nach Kiruna in Nordschweden transportieren, Strom aber vielfach weiterhin ein nationales Gut ist. Vielleicht halten die beiden Alt-AKWs Doel und Tihange noch ein weiteres Jahrzehnt durch. Nach der Pannenserie zu Weihnachten aber gibt es daran berechtigte Zweifel. Diese lebensgefährlichen Schrottreaktoren gehören abgeschaltet, und zwar sofort. Da hilft derzeit nur politischer Druck auf höchster Ebene.

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