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Ausverkauf in Athen

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Henrik Böhme
4. August 2015

So vorhergesagt, so eingetreten: Athens Börse ist nach langer Zwangspause wieder offen - und stürzt kräftig ab. Der Kehraus ist noch nicht zu Ende. Überraschend ist das nicht, meint Henrik Böhme.

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Griechenland Wiedereröffnung Börse Athen
Bild: Getty Images/AFP/A. Messinis

Das wäre ja auch mal eine Frage für die TV-Show "Wer wird Millionär?": Wie heißt der wichtigste Aktienindex in Griechenland? Klar, jeder, der sich auch nur ein bisschen für Aktien interessiert, kennt den DAX (Frankfurt), den FTSE (London) oder den CAC (Paris). Aber der ASE General Index? Das ist seit dem Wochenbeginn definitiv anders, denn natürlich schauten alle gebannt hin, als die Börse in Athen nach fünfwöchiger Zwangspause wieder öffnete. Dass es bitter werden würde, konnte man ahnen, denn schließlich ist das Schlimmste, was einer Börse passieren kann, dass sie nicht handeln kann, erst recht über so viele Wochen.

Besonders heftig kamen Aktien von griechischen Geldhäusern unter die Räder, das setzte sich am zweiten Handelstag der Woche noch fort. Das lag unter anderem daran, dass am Montag nicht alle Verkaufsorders ausgeführt werden konnten. Oft erreichten die Verluste die kritische Marke von 30 Prozent, dann werden Aktien vom Handel ausgesetzt. Weil Bankaktien rund ein Fünftel der Marktkapitalisierung der Athener Börse ausmachen, zog es eben auch die anderen Sektoren mit in die Tiefe.

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Henrik Böhme, DW-WirtschaftsredaktionBild: DW

Für Bankaktien dürfte der Ausverkauf noch einige Tage weitergehen. Denn wer greift jetzt schon nach Aktien von Geldinstituten, die riesige Löcher in der Bilanz haben? Allein der Kapitalbedarf der vier größten Häuser liegt derzeit bei 25 Milliarden Euro. Einheimische fallen als Käufer von Aktien derzeit sowieso praktisch aus, für sie gelten im Rahmen der derzeitigen Kapitalverkehrskontrollen spezielle Regeln. Und aus dem Ausland kommen derzeit vor allem Verkaufsorders - und zwar in massiven Größenordnungen.

Kein Wunder das alles.

Die Kursverluste sind nichts weiter als ein Ausdruck der Sorge über die wirtschaftlichen und politischen Aussichten in Griechenland. Nur weil die Verhandlungen mit den Gläubigern wieder aufgenommen wurden, ist ja noch lange nicht sicher, dass die Gefahr eines Grexit - also des Ausscheidens aus der Eurozone - gebannt ist. Und die Kapitalverkehrskontrollen, die den weiteren Abfluss von Geld aus Griechenland verhindern sollen, entfalten in der Wirtschaft bereits jetzt eine verheerende Wirkung. Viele Unternehmen können keine Vorprodukte mehr aus dem Ausland bestellen, weil sie die Rechnungen nicht bezahlen können. Andere, wie Hotel- oder Restaurantbesitzer, leiden unter der gerade erhöhten Mehrwertsteuer. Und nach Berechnungen der Nachrichtenagentur Reuters hat die monatelange Hängepartie, die sich die Regierung Tspipras gegenüber den Geldgebern geleistet hat, einen Schaden verursacht, der einem Viertel der jährlichen Wirtschaftskraft entspricht.

Es ist ein Teufelskreis.

Gut nur, dass die griechische Börse im internationalen Konzert einen unbedeutenden Part spielt. Allen anderen europäischen Börsen war der Athener Absturz vom Montag ziemlich egal, der DAX legte sogar deutlich zu. Viele Anleger haben sich ja auch längst vom Aktienmarkt in Griechenland zurückgezogen. Zudem entspricht der Wert der 60 wichtigsten griechischen Aktien (eben jene im nun bekannten ASE General Index) mit 35 Milliarden Euro gerade mal dem, was der US-Konzern Apple vor ein paar Tagen nach scheinbar enttäuschenden Quartalszahlen innerhalb weniger Minuten verloren hatte. Und das derzeit wertvollste deutsche börsennotierte Unternehmen, der Chemiekonzern Bayer, ist im Moment dreimal soviel wert wie alle ASE-Werte zusammen.

Da lob ich mir den Optimismus eines Athener Börsenhändlers. Es sei, so zitiert eine deutsche Zeitung Nikos Chryssochoidis, ein trauriger Tag für Griechenland, aber kein 'Schwarzer Montag'. Das Positive sei doch, dass die Börse wieder geöffnet habe. Doch bis auf dem Parkett in Athen wieder so etwas wie Normalität einzieht, dürfte es noch viele Wochen, ja Monate dauern.

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Henrik Böhme Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Auto- und Finanzbranche@Henrik58