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Politik

Boris gewinnt, Großbritannien verliert

Robert Mudge - Kommentatorenbild (PROVISORISCH)
Robert Mudge
13. Dezember 2019

Begriffe wie "bedeutsam" oder "historisch" werden inflationär verwendet. Aber dieses Mal passt es: Das Ergebnis dieser Unterhauswahl wird die britische Politik über Jahre hinaus bestimmen, meint Robert Mudge.

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UK Wahlen 2019 l Premierminister Johnson mit seinem Hund Dilyn vor der Wahlstation in London
Bild: picture-alliance/empics/J. Brady

Das haben wir alle kommen sehen, oder? Das letzte Mal, dass die Konservativen einen so triumphalen Sieg erlebten, war im Jahr 1987 unter Margaret Thatcher. Das war die Frau, die ihre Handtasche auf den Verhandlungstisch der EU schlug und mit Sätzen wie "Wir wollen unser Geld zurück" um sich warf. Diesmal reichten sogar nur drei Wörter, um die Wahl zu gewinnen: "Get Brexit Done". Nur wird das in absehbarer Zeit nicht passieren.

Gehört es zu der Zeit, in der wir leben, dass Lügen, gebrochene Versprechen und kaum verschleierter Rassismus Trump(f) sind? Themen wie Bildung, Kriminalität, Obdachlosigkeit oder das nationale Gesundheitswesen, das gerade unter unseren Händen stirbt, spielten im Wahlkampf keine Rolle. Warum auch? Man kann die Wähler ja auch begeistern, indem man mit einem Bulldozer durch eine Styroporwand fährt oder sich in einem Kühlschrank versteckt.

UK Wahlen l Wahlkampfveranstaltung bei der JCB Baufirma - Boris Johnson
Boris Johnson durchbricht mit einem Bulldozer eine Wand aus StyroporwürfelnBild: Reuters/AFP/B. Stansall

Dabei hat Boris Johnson fast jede seiner Aktionen aus Donald Trumps Trickkiste übernommen. Und niemand hat mit der Wimper gezuckt. Der britische Premier wird weiter die Lüge verbreiten, dass der Austritt Großbritanniens aus der EU einfach und schnell über die Bühne geht - und dass bis zum Ende der Übergangszeit im Dezember 2020 ein Handelsabkommen mit der EU steht. Nur zur Erinnerung: Es dauerte ganze zehn Jahre bis die EU und Kanada ihr Handelsabkommen ausgehandelt hatten.

Labour liegt in Trümmern

Was ist eigentlich bei der Labour-Partei schief gelaufen? Die Antwort ist einfach: Jeremy Corbyn. Gab es jemals einen Labour-Chef, der mehr verschmäht wurde und seine Anhänger so sehr spaltete? Dachte Corbyn wirklich, dass er noch einmal so einen Überraschungserfolg wie 2017 hinlegen könnte? Damals hatte er es geschafft, eine Tory-Mehrheit unter Theresa May zu verhindern.

Jetzt wird Corbyn nichts anderes übrig bleiben, als zurückzutreten. Das wäre ein letzter Dienst an seiner Partei. Er hat bereits gesagt, dass er Labour bei der nächsten Wahl nicht mehr anführen wird. Das hätte er sich schon für diese Wahl vornehmen sollen.

Mudge Robert Kommentarbild App PROVISORISCH
DW-Redakteur Robert Mudge

Es ist verheerend, dass die Sozialdemokraten etliche ihrer Hochburgen an die Konservativen verloren haben. Die sogenannte rote Mauer umfasste einst die ehemaligen Industrieregionen im Norden Englands, wo die Sparpläne der Tories Gesellschaft und Wirtschaft zerstört und die Armen noch ärmer gemacht haben.

Laut Corbyns Partei ist die allgemeine Brexit-Müdigkeit Schuld am Wahlergebnis. Doch das ist zu einfach gedacht - mal ungeachtet der Tatsache, dass der unentschlossene Vorsitzende in dieser Angelegenheit nicht gerade geholfen hat. Jetzt muss die Partei ernsthaft in sich gehen. Labour liegt in Trümmern und könnte ähnlich wie die deutschen Sozialdemokraten in Vergessenheit geraten.

Tragischerweise war dieser Urnengang eher ein Unbeliebtheitswettbewerb als eine Wahl. Und Johnson wurde eben weniger gehasst. Erwartet irgendjemand, der bei halbwegs klarem Verstand ist, dass er seine Versprechen einhält? Wohl kaum - aber die Wähler waren anscheinend besorgter hinsichtlich der Versprechungen, die Corbyn machte.

Ein (Un)vereinigtes Königreich?

Was aber am meisten wehtut, ist der irreparable Schaden, den dieses Ergebnis für das bereits tief gespaltene Land haben wird. In Schottland scheinen die Wähler dem Ruf von Nicola Sturgeon, Vorsitzende der Scottish National Party (SNP), zu folgen. Die SNP hat sich 48 der 59 schottischen Parlamentssitze gesichert. Das dürfte der Frage nach einem zweiten schottischen Unabhängigkeitsreferendum noch einmal mächtig Aufschwung geben.

Die Tory-Regierung wird sich natürlich gegen einen solchen Schritt wehren. Die Dolche sind bereits gezückt. Die schottische Regierungschefin Sturgeon verkündete, Johnson habe kein Mandat, ihr Land aus der EU zu führen. Werden jetzt auch die irischen Nationalisten, die mehr Stimmen erzielt haben als die pro-britischen Unionisten, zum ersten Mal auf ein Referendum drängen, um Nordirland vom Vereinigten Königreich zu lösen?

Das Ergebnis dieser Wahl wird die zukünftige Rolle des Vereinigten Königreichs in der Welt bestimmen. Und es bedeutet eine massive Umwälzung der britischen Politik, die das Land noch viele Jahre prägen wird.