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Neuwahlen. Damit die Ukraine nicht zerbricht!

Bernd Johann26. August 2014

Der Zeitpunkt ist ungünstig, aber die Entscheidung des ukrainischen Präsidenten ist konsequent. Das Parlament muss neu gewählt werden, wenn das Land vorankommen soll, meint Bernd Johann.

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Kiew Parlament (Foto: ITAR-TASS/ Maxim Nikitin)
Der ukrainische Präsident Poroschenko hat das Parlament aufgelöstBild: picture-alliance/dpa

Wie viel Belastung hält ein Staat aus, bevor er zerbricht? In der Ukraine steht derzeit fast alles in Frage, was ein funktionierendes Land ausmacht. Im Innern ist sie tief gespalten, von außen militärisch bedroht. Erst annektiert Russland die Krim. Und dann ist auch die territoriale Integrität des Landes im Osten in Gefahr, seitdem dort radikale Gruppen mit Unterstützung Russlands einen Krieg entfacht haben. Dagegen wehrt sich die Ukraine, denn sie hat das Recht auf Selbstverteidigung. Die Kämpfe drohen das Land zu zerreißen.

In dieser Lage soll es nun Parlamentswahlen geben. Danach muss eine neue Regierung gebildet werden. So hat es Petro Poroschenko angeordnet. Auf den ersten Blick scheint das höchst gewagt. Der ukrainische Präsident schien ein bisschen zu zögern, wohl wissend, dass Wahlen in einer derart zugespitzten Situation ein schwieriges Unterfangen sind. Aber auf dem Weg der demokratischen und wirtschaftlichen Reformen in Richtung Europa ist diese Entscheidung notwendig und konsequent.

Reformen wurden im Parlament blockiert

Vor gut einem Monat ist die Regierung von Ministerpräsident Arseni Jazenjuk zerbrochen, weil sie kaum Rückhalt im Parlament hatte und nie von einer richtigen Koalition getragen wurde. Nach dem Ende des autoritären und korrupten Regimes von Viktor Janukowoitsch im Februar war sie als Übergangsregierung in der Not gestartet, damit die Ukraine nicht ins Chaos stürzt. Regierungschef Jazenjuk und sein Kabinett haben diese Aufgabe im Großen und Ganzen gut erfüllt. Aber das Parlament war und blieb das Hindernis.

Bernd Johann, Leiter der ukrainischen Redaktion der DW (Foto: DW)
Bernd Johann, Leiter der ukrainischen Redaktion der DWBild: DW/P. Henriksen

Bereits nach dem Machtwechsel war klar, dass es Neuwahlen geben muss. Poroschenko wurde im Mai mit überzeugender Mehrheit zum Präsidenten gewählt. Doch im Parlament gab es keinen demokratischen Neunanfang. Dort sitzen noch immer Leute, die dazu beigetragen haben, dass das Land überhaupt in eine solche Krise stürzen konnte. Bis heute konnten wichtige Reformgesetze nicht auf den Weg gebracht werden, weil einige anti-demokratische und korrupte Politiker den politischen Wandel blockieren.

Ein Neuanfang ist notwendig

Bereits die Rücktrittserklärung von Jazenjuk im Juli aus Protest gegen die Verschleppung wichtiger Reformgesetze, war ein Hilferuf. Auch die nachfolgenden Demissionen des Wirtschaftsministers und der Anti-Korruptions-Beauftragten zeigen, welch dringender Handlungsbedarf besteht. Poroschenko handelt entschlossen und richtig, wenn er nun Neuwahlen für den 26. Oktober ausruft. Das Land braucht ein funktionierendes und demokratisch gewähltes Parlament.

Unbeantwortet ist derzeit allerdings die Frage, wie Parlamentswahlen im Osten der Ukraine organisiert werden sollen. Denn dort ist die Lage nur zum Teil unter der Kontrolle von Kiew. Auch die Wahlgesetzgebung muss überarbeitet werden. Und so bleibt fraglich, ob Neuwahlen wirklich das Reformlager stärken.

Doch die Ukraine hat keine Alternative. Sie muss den schwierigen Weg des Neuanfangs fortsetzen. Das geht nur mit der Zustimmung der Menschen im Land. Deshalb müssen jetzt die Wähler entscheiden. Auch damit das Land nicht unter dem wachsenden Druck der Ereignisse zerbricht.