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Das Ende der IAA

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Henrik Böhme
12. September 2019

An diesem Wochenende schließt die Automesse IAA, Kanzlerin Merkel hatte sie eröffnet. Wohl zum letzten Mal. Was nicht am absehbaren Ende ihrer Amtszeit liegt, sondern an der Autobranche, meint Henrik Böhme

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Symbolbild: Auto am Schrottgreifer
Bild: picture-alliance/dpa/H.-C. Dittrich

Dass eine Messe schon vor ihrer offiziellen Eröffnung praktisch beerdigt wird, das hat es so auch noch nicht gegeben. Bei der Computermesse Cebit zog sich das Sterben über fast drei Jahre hin; es wurde mit immer neuen Konzepten experimentiert, schließlich legte man den Termin vom kalten März in dem wärmeren Juni. Genützt hat es nichts. Ähnliches ist in Detroit zu beobachten. Das war bisher alljährlich der erste Auto-Termin im Kalender. Dann aber begannen die Autohersteller plötzlich, eine Digitalmesse in Las Vegas zu entdecken und fortan stellten sie ihre neuesten Modelle lieber dort aus, weil die mittlerweile vernetzten Automobile eben ein Teil dieser neuen, digitalisierten Welt sind. Jetzt will es Detroit im nächsten Sommer nochmal probieren. Erfolg ungewiss, Ende absehbar.

Nun also erwischt es die IAA, die deutsche Autoschau schlechthin. Die Messe ist enorm unter Druck geraten, und das gleich von mehreren Seiten. Da sind zum einen Klimaaktivisten, die mit Blockade und ähnlichem drohen, wenn die Schau am Wochenende ihre Tore für das breite Publikum öffnet. Zum anderen debattiert man in Deutschland plötzlich sehr laut und intensiv - auch befeuert durch die Fridays for Future-Bewegung - über die Zukunft der individuellen Mobilität. Anders: Das Auto ist plötzlich das Feindbild, und ganz besonders im Fokus die sogenannten Stadtgeländewagen oder auch SUV's. Dazu später mehr.

Autokonzerne wollen eine neue IAA

Aber es sind eben nicht nur Stimmen, für die Kritik an der Autoindustrie selbstverständlich ist. Es sind vor allem die Autohersteller selbst, die eine neue IAA wollen. Das bloße Ausstellen neuer Modelle, gerne auch elektrisch und angereichert mit kleinteiligen Mobilitätskonzepten, reicht ihnen nicht mehr aus. Die Branche scheint erkannt zu haben, dass es ums Überleben geht - und das ein Auto nicht mehr das Nummer-Eins-Fortbewegungsmittel sein wird. Es wird sich nur behaupten können als ein Baustein von vielen in den Mobilitätskonzepten von morgen. Aber wie man das auf einer Messe umsetzen kann, darüber scheint es tiefe Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) zu geben, dem Lobbyverband der Hersteller. Jedenfalls gab VDA-Chef Bernhard Mattes nach der offiziellen Messe-Eröffnung seinen Rücktritt bekannt. Noch so ein Desaster.   

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Henrik Böhme, DW-Wirtschaftsredaktion

Wer sich in diesen Tagen auf dem Frankfurter Messegelände ein wenig genauer umsieht, der kann der IAA beim Sterben zuschauen. Viele Messehallen stehen ganz leer, und dort, wo noch Autos stehen, sind es viel weniger an der Zahl. Große Ausstellungsflächen sind geschickt kaschiert oder Hallen mit schwarzen Vorhängen abgehängt. Über 30 Aussteller haben gleich ganz abgesagt, und die deutschen Platzhirsche haben ihre Flächen deutlich abgespeckt. Die Autobranche steckt nicht nur im größten Umbruch der Geschichte, sie steckt zudem noch in der Krise. All das kann in Frankfurt besichtigt werden. Die IAA ist ein Alarmsignal, weit weg vom Glanz alter Zeiten. Es wird definitiv die letzte IAA sein. Jedenfalls in dieser Form.

Der Krieg gegen das Auto

Worin wir Deutschen aber nun echt großartig sind, ist die Qualität der losgetretenen Debatte. Da fordert der Grünen-Chef Robert Habeck jährliche Zulassungsquoten für emissionsfreie Autos. Andere instrumentalisieren einen Unfall in der Berliner Innenstadt, bei dem durch einen SUV vier Menschen zu Tode kamen, und fordern Einfahrverbote oder Zulassungsgrenzen in Städten. Geradezu im Minutentakt gebären Interessenverbände ähnliche Vorschläge. Man sieht die Stunde gekommen, dem verhassten Auto endlich den Garaus zu machen.

Spätestens an dieser Stelle ist Schluss mit lustig. Das Auto ist nicht böse. Es wird überbewertet, ja. Die Autobranche, eine der wichtigsten Industriezweige dieses Landes, hat es über die Jahrzehnte verstanden, den Menschen einzureden, die Dinger müssten immer größer und stärker werden. Weil die Leute das angeblich so wollen. Klar, ist die Nachfrage nach den dicken Autos riesig. Aber das könnte daran liegen, dass die Werbeetats der Autofirmen zum größten Teil für SUV-Werbung draufgehen. Jetzt, da VW, Mercedes und BMW in großem Stil auf Elektro umsatteln, sagen sie, sie brauchen das Geld, dass sie mit den Dickschiffen reichlich verdienen, für den Umbau.

Autobauer müssen liefern

Nein, wir brauchen keine planwirtschaftlichen Vorschläge. In China kann die Kommunistische Partei eine feste Zulassungsquote vorgeben. Was wir in einem freien Land brauchen, sind kluge Konzepte für eine wirkliche Verkehrswende. Und keine Verbote. Richtig ist: Es wird immer voller in den Städten, die Autos brauchen immer mehr Platz. Aber den müssen sie nicht automatisch bekommen. Bus und Bahn, Fahrräder und Fußgänger zuerst, und wenn dann noch Platz übrig ist, darf auch das Auto rein. Der Automatismus muss aufhören: Die Autos werden breiter, also bauen wir neue Parkhäuser.

Dass der neueste Geländewagen von Mercedes-Benz zu breit für die meisten Waschanlagen ist, sei nur am Rande erwähnt. Aber es zeigt, dass die Hersteller den Schuss noch nicht wirklich gehört haben. Die Beflissenheit, mit der nun plötzlich E-Autos in Menge angeboten werden, ist löblich, aber hilft auch nur bedingt. Erstens weil die deutsche Energiewende lahmt und gar nicht genug Ökostrom zum Aufladen vorhanden ist. Und zweitens schädigt die gigantische Nachfrage nach Lithium die Umwelt anderswo - in Südamerika nämlich - gerade auf eine ganz besonders extreme Weise.

Dennoch sollte man es sich zweimal überlegen, dem Auto nun den Schwarzen Peter allein in die Schuhe zu schieben und zum Klimakiller Nummer Eins abzustempeln. Das ist der falsche Ansatz und greift viel zu kurz. Der deutsche Wohlstand beruht zu einem guten Teil auf den Erfolgen der deutschen Autoindustrie. Millionen Jobs hängen an ihr. Dass die Leute, die heute Autos bauen, doch auch in die Pflegebranche wechseln oder Lokführer werden könnten (sowas schlagen Umweltschützer tatsächlich vor), geht komplett an der Realität vorbei. Aktionismus ist kein guter Ratgeber, wenn es um wirklich wichtige Zukunftsfragen geht.    

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Henrik Böhme Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Auto- und Finanzbranche@Henrik58