Zwei Jahre haben Lobbyisten, Interessenvertreter der Internetplattformen, Verleger, Medienschaffende und Netzaktivisten die EU-Institutionen intensiv beharkt, um die anstehendeReform des Urheberrechts im digitalen Zeitalter zu beeinflussen. Jetzt steht ein Kompromiss, der weder "das Ende des Internets" einläutet, noch einen "absoluten Schutz für Urheber" oder einen "Geldsegen für Zeitungsverleger" bringt. So ungefähr lauteten die extremen Positionen, die die Interessenvertreter vorgetragen haben. Mit der angestrebten Reform wird aber nichts so heiß gegessen, wie es in der Lobbyküche gekocht wurde.
Der gemeine Internetnutzer, der auf "Facebook", "Instagram" oder seine Inhalte hoch lädt, wird vom neuen Urheberrecht wahrscheinlich gar nicht betroffen sein. Im Gegenteil: die Verantwortung für urheberrechtlich saubere Inhalte soll von den Nutzern auf die großen Internetplattformen übertragen werden. "YouTube" muss zum Beispiel sicherstellen, dass ein hochgeladenes Video keine kostenpflichtigen Filmausschnitte enthält. Wie die großen Internetplattformen das technisch oder inhaltlich machen, bleibt ihnen überlassen.
Sind Filter böse?
Eine Pflicht, sogenannte "Upload-Filter" einzuführen, die Inhalte automatisch blockieren, gibt es im EU-Gesetzesentwurf nicht. Die EU verlangt von den Firmen, mit Lösungen aufzuwarten. Natürlich könnten auch Menschen das Material sichten, wie "Facebook" das ja auch bei "Hass-Propaganda" auf seinen Seiten macht. Fraglich ist allerdings, wie das in der Praxis klappen soll, wenn zum Beispiel "YouTube" pro Minute bis zu 400 Stunden neues Videomaterial veröffentlicht.
Am Ende werden wohl doch technische Filter stehen. Doch sind diese gleichzusetzen mit "Zensur", wie die Kritiker schreien? Gefiltert werden die Inhalte heute schon. Brustwarzen, pornografische Inhalte oder Bilder von Sportereignissen werden von amerikanischen Unternehmen wie "Facebook" und "YouTube" geblockt. Zensur im Internet ist global gesehen keine Ausnahme. In Russland, China, Iran, den arabischen Emiraten, um nur einige zu nennen, sind viele Inhalte staatlich geblockt. Eingaben der Nutzer werden teilweise überwacht. Verglichen damit sind die Versuche der EU, Urheberrechte zu schützen, wirklich zu vernachlässigen.
Witze bleiben
Freiheit der Kunst und Meinungsfreiheit werden durch die neuen Regeln aller Voraussicht nach in Europa nicht angetastet. Die mit eigenen Texten verfremdeten Witzbilder, die "Meme", werden ausdrücklich von den Regeln ausgenommen. Hasenohren auf urheberrechtlich eigentlich geschützten Bildern oder satirische Texte auf bekannten Kinoszenen werden zum Glück für "Instagram" und "Snapchat" also überleben. Wenn große lukrative Internet-Plattformen mit fremden Inhalten, zum Beispiel aus Zeitungen, Zeitschriften, Fernseh- oder Radiosendungen, Geld verdienen, sollen sie künftig an die Urheber zahlen. Das ist eigentlich ein einleuchtender Grundsatz. Deshalb ist die Einführung eines "Leistungsschutzrechts" auch für Zeitungsverleger zu begrüßen. In Deutschland und Spanien gibt es das schon, jetzt wird es logischerweise auf die ganze EU ausgeweitet. Kleinere und junge Internetfirmen sind von den Regelungen sinnvollerweise ausgenommen, um eine wirtschaftliche Entwicklung nicht zu behindern.
Der jetzt ausgehandelte Vorschlag für eine überarbeitetes Urheberrecht war dringend notwendig. Die letzte Novelle lag weit vor der Erfindung von "Facebook", "Google" und Smartphones. Einzelheiten werden im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch verändert werden. Es kann auch sein, dass das Europäische Parlament in der hitzigen Debatte um das angebliche Ende des freien Internets den Vorschlag ganz kippt. Das wäre aber falsch, denn bis zu einem neuen Anlauf würde es Jahre dauern.
Noch etwas Geduld
Ob und wie das neue Recht dann Wirkung entfaltet und den Urhebern Geld bringen wird, hängt entscheidend von der Reaktion der global aufgestellten Internetkonzerne ab. Wenn "Google" zum Beispiel behauptet, der Artikel x aus der Zeitung y habe auf der Nachrichtenseite des Unternehmens keine Werbeeinnahmen generiert, ist das Gegenteil schwer nachzuweisen. Wenn die Server, auf denen diese Seiten generiert werden, außerhalb Europas stehen, wird es schon schwer, ein Gericht zu finden, das zuständig ist. Der Ansatz ist sicherlich richtig, aber ob das neue Recht in der Praxis eine durchschlagende Wirkung - positiv oder negativ - entfalten wird, ist keineswegs sicher.