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Politik

Das Machtwort der Nichtwähler im Iran

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp
23. Februar 2020

Die Hardliner im Iran haben sich bei der Parlamentswahl mit unfairen Methoden den Machterhalt gesichert. Ein Triumph, der noch zum Bumerang für das Regime werden könnte, meint Kersten Knipp.

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Iran Parlamentswahl Ajatollah Chamenei
Bild: picture-alliance/dpa/ Office of the Iranian Supreme Leader

Ajatollah Ali Chamenei, das geistliche Oberhaupt des Iran, dürfte sich bestätigt sehen: Seine Landsleute haben in seinem Sinne gewählt. Schon nach Auszählung von gut der Hälfte der Wahlkreise zeichnete sich ein deutlicher Sieg der Konservativen bei der Parlamentswahl ab. Für den Kleriker und Staatschef heißt das: Im Parlament werden fortan nahezu ausschließlich Politiker sitzen, die seinem Kurs folgen werden.

Der Triumph der Chamenei genehmen Volksvertreter stand fest, noch bevor die Iraner am Freitag überhaupt zur Abstimmung schritten. Denn der mit der Auswahl der Parlamentskandidaten befasste Wächterrat hatte über die Hälfte der Bewerber nicht zugelassen. Verlässlich siebte er fast alle Politiker aus, die im Verdacht stehen, Reformer zu sein. Von den verbliebenen Kandidaten durfte er annehmen, dass böse Überraschungen im Sinn einer politischen und kulturellen Liberalisierung nicht zu erwarten sind.

Kersten Knipp
DW-Autor Kersten KnippBild: W. Knipp

Wahl mit Schönheitsfehlern

Ein Detail allerdings dürfte auch Chamenei beunruhigen: die historisch geringe Wahlbeteiligung. Es war die niedrigste in der 40-jährigen Geschichte der Islamischen Republik. Und das, obwohl die Wahllokale sechs Stunden länger offenblieben als ursprünglich vorgesehen. Offenbar war das die einzige Möglichkeit, die Beteiligung nicht noch unter ein selbst für Hardliner peinliches Maß fallen zu lassen. So blieb wenigstens der Anschein politischer Legitimität. Die nach offiziellen Angaben 42 Prozent der Wahlberechtigten, die schließlich ihre Stimme abgaben, verschafften dem Ergebnis eine zwar dürftige, aber halbwegs akzeptable Basis.

Das nützt freilich der deutlichen Mehrheit jener Iraner nichts, die der Wahl fernblieben: Sie müssen sich mit den politischen Realitäten abfinden, die die Minderheit des Landes stellvertretend für sie gewählt hat. Dass ihre Teilnahme vergeblich sein würde, war der Masse der Nicht-Wähler von vornherein klar. Denn wem hätten sie ihre Stimme geben sollen? Liberale, reformorientierte Kandidaten, tauchten auf den Listen schlicht nicht auf. Eine hohe Beteiligung hätte Chameneis Politik des unentwegten "weiter-so" nur zusätzliche Legitimation verschafft.

Der Greis und die Jugend

Zu bedauern sind insbesondere die jüngeren Nicht-Wähler: Sie müssen weiterhin mit der absurden Situation leben, dass ihre Zukunft in den Händen eines Greises von über 80 Jahren liegt. Auch nach über 30 Jahren will Chamenei von der Macht offenbar nicht lassen, zwingt den Iranern weiterhin ungerührt unter sein Weltbild auf. Der Ajatollah und seine Getreuen ziehen ihre Politik weiterhin durch, notfalls mit Einsatz tödlicher Gewalt, wie es sich zuletzt vor wenigen Monaten zeigte: Über 1500 Demonstranten wurden der Nachrichtenagentur Reuters zufolge bei den Protesten im Oktober erschossen. Ein solcher Preis an Menschenleben scheint Chamenei und seiner Entourage offenbar angemessen zur Sicherung des Kurses, den sie dem Land verordnet haben.

Gerade die geringe Wahlbeteiligung lässt aber den politisch-ideologischen Riss erkennen, der durch das Land geht. Anhänger und Gegner des Regimes stehen sich unversöhnlich gegenüber. Die Parlamentswahl vom Freitag, mit ihrem vorhersehbaren Ergebnis, dürfte die Lage nicht beruhigen. Es tut der Stabilität eines Landes einfach nicht gut, wenn sich die übergroße Mehrheit seiner Bürger politisch nicht ernst genommen fühlt. Chamenei und seinem Regime dürften turbulenten Zeiten bevorstehen.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika