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Der asymmetrische Krieg

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Alexander Kudascheff
15. November 2015

Die Dschihadisten wollen die Moderne besiegen, unser Selbstverständnis und unsere demokratische Gesellschaft. Sie führen Krieg gegen die Welt und es wird ein langer Kampf, meint DW-Chefredakteur Alexander Kudascheff.

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Frankreich Paris Terroranschläge Trauer
Bild: Reuters/B. Tessier

Es ist ein Gefühl, das uns, das viele nach den Terrorattacken in Paris beschleicht: Die Welt ist aus den Fugen geraten, die Ordnung zersplittert. Der Papst spricht sogar von einem Dritten Weltkrieg. Damit ist nun nicht ein globaler Krieg gemeint, aber es gibt einen Krieg gegen die Welt, wie wir sie kennen. Erklärt hat ihn der islamistische Dschihadismus, nicht allein das selbsternannte Kalifat des "Islamischen Staates", nein, viele fundamentalistische Gruppen, Bewegungen, Sekten in der ganzen Welt - in Nigeria, Mali oder Somalia, in Indien, Bangladesch, Afghanistan oder Indonesien und natürlich im Nahen Osten, in den zerfallenen Staaten Irak, Syrien, Libyen oder Jemen. Und der Dschihadismus greift über die Regionen hinaus - nach Europa ebenso wie nach Russland. Er fordert die Welt heraus.

Es ist unsinnig, sich darüber zu streiten, ob der Islam eine Religion des Friedens oder des Kriegs ist. Darüber können sich Orientalisten und Islamwissenschaftler den Kopf zerbrechen. Der Dschihadismus bezieht sich auf und begründet sich durch den Islam. Durch einen ursprünglichen Islam, wie ihn angeblich der Prophet Mohammed vor 1500 Jahren in Medina und Mekka vorgelebt hat. Es soll ein radikal religiöser Lebensentwurf sein, ein Leben im Einklang mit dem Koran. Der auch spirituell befeuerte Anspruch dieser Haltung ist totalitär. Die Dschihadisten wollen, dass wir alle so leben, wie sie es für richtig halten. Das ist die Kampfansage, die Kriegserklärung an die Welt, an die Moderne.

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DW-Chefredakteur Alexander Kudascheff

Aber es ist - schon aus taktischen Gründen - ein asymmetrischer Krieg. Wenige fordern viele heraus, einzelne den Staat. Es ist ein Kampf der islamistischen Guerilla gegen Armeen. Und das Prinzip ist einfach: Der Staat muss alles tun, um einen Erfolg der Terroristen zu verhindern. Er muss alles tun, damit die Bürger in Sicherheit leben - stündlich, täglich, monatlich, jahrelang und überall. Den Terroristen reicht ein Sieg, sie müssen nur einmal erfolgreich zuschlagen, um die Staaten zu erschüttern - wie am 13. November in Paris.

Und der Krieg ist asymmetrisch, weil die Voraussetzungen unterschiedlich sind. Hier das eigene Leben wegwerfende Dschihadisten, dort Polizei und Militär, die nach rationalen, zweckgebundenen Einsichten handeln. Hier die alle Grenzen überschreitende Bereitschaft zur größtmöglichen Brutalität, dort Soldaten und Polizisten, die nach rechtsstaatlichen Prinzipien handeln. Sie sind durch das Recht gebunden, die Dschihadisten durch die totalitäre Ideologie entfesselt. Brutale Bereitschaft zum Mord steht gegen demokratische Regeln und Selbstverständlichkeiten. Ein mehr als ungleicher Kampf. Auch wenn der Westen wahrscheinlich seine grundsätzliche Sicherheitspolitik überdenken muss.

"Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" hat der österreichische Philosoph Karl Popper sein vielleicht berühmtestes Buch genannt. Die offene, liberale Gesellschaft provoziert alle totalitären Machtideologien. Sie verweigert sich der Heilslehre und sie verteidigt sich mit den Mitteln des Rechtsstaates. Der Dschihadismus fordert die Demokratien des Westens bis zur Toleranzgrenze heraus - und darüber hinaus.

Die Terroristen wollen, dass wir unser Selbstverständnis aufgeben. Sie wollen die Moderne besiegen. Mit asymmetrischen Mitteln. Das heißt, es wird ein langer Kampf. Denn der dschihadistischen Bewegung wachsen bei jedem Schlag neue Köpfe nach. Das Reservoir an zum Selbstmord bereiten Terroristen ist noch unerschöpflich. Darauf müssen wir uns einstellen.