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Der Terror hilft Trump

Ines Pohl Kommentarbild App
Ines Pohl
20. September 2016

Während Hillary Clinton mit analytischer Besonnenheit auf die Anschläge reagiert, punktet Donald Trump mit markigen Forderungen. Weniger als zwei Monate vor der Wahl wird Trump wohl profitieren, meint Ines Pohl.

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Fahndung nach Anschlägen in den USA (Foto: JEWEL SAMAD/AFP/Getty Images)
Bild: Getty Images/AFP/J. Samad

In normalen Zeiten würde die Gemeinschaftsleistung von Polizei und FBI gefeiert. Weniger als 24 Stunden nach den Bombenanschlägen in New Jersey und New York ist der Tatverdächtige nicht nur identifiziert, sondern auch festgenommen - und dabei nur leicht verletzt worden und entsprechend vernehmungsfähig.

Dass diese Leistung jedoch im öffentlichen Diskurs kaum Beachtung findet, hat - wie fast alles in diesen Wochen - einen Grund: Donald Trump. Wieder findet der Präsidentschaftskandidat der Republikaner eine simple Antwort auf die Ängste der Amerikaner vor weiteren Anschlägen von radikalen Muslimen im eigenen Land: Racial Profiling statt Political Correctness.

Dass rassische Fahndung auch in den USA verboten ist, stört Trump dabei wenig. Im Gegenteil. Immer wenn seine Vorschläge gegen bestehendes Recht verstoßen, ist das nur ein weiterer Beleg für ihn und seine Anhänger, wie korrupt, kaputt und falsch das System ist. Und dass eben nur ein Mann von außen dafür sorgen kann, dass die Gesetze endlich nur dem Primat untergeordnet werden: Der unmittelbaren Sicherheit im eignen Land.

Schnelle Lösungen

Die komplexen Analysen von Hillary Clinton kommen dagegen kaum an. Viele Menschen wollen nicht wissen, was ein Krieg im fernen Syrien oder Irak mit den Anschlägen radikalisierter Muslime im eigenen Land zu tun hat. Sie sind unsicher. Sie haben Angst. Und wollen Lösungen. Und zwar sofort.

Mit den mittel- und langfristigen Auswirkungen will man sich nicht beschäftigen. Die Frage, was es mit einer Gesellschaft macht, die sich über Abgrenzung und Terrorabwehr definiert, in der Angst und Unsicherheit dominieren, findet da keinen Platz. Wohl aber die Behauptung, man habe es endgültig satt, sich seine Ängste verbieten zu lassen. Das erinnert sehr an das deutsche "Das wird man doch wohl sagen dürfen" der AfD.

Ines Pohl, DW Washington (Foto: DW)
Ines Pohl, DW Washington

Die Vereinigten Staaten haben sehr offensichtlich keinen Umgang gefunden, wie weiten Teilen der Bevölkerung das Gefühl der Bevormundung genommen werden kann. Wie Diskurse zu organisieren sind, deren Grundlage geltende Gesetze sind, die aber den Bürgerinnen und Bürgern gleichwohl das Gefühl geben, ehrlich sein zu dürfen mit den eigenen Gefühlen, Sorgen und auch Hoffnungen. Viele haben offensichtlich keine Instrumente entwickelt, die eigenen Ängste und Unsicherheiten abzusuchen nach rassistischen, xenophoben Anteilen.

Eliten zu geschwächt

Und das Land hat bisher keine Antwort gefunden, welche gesellschaftlichen Kräfte noch stark genug sind zu verhindern, dass diese Auseinandersetzungen nicht aus dem Ruder laufen. Klar ist nur, dass es derzeit weder die Eliten noch die Medien sind, die diese Aufgabe erfüllen können.

Das sind die Herausforderungen, die der Wahlkampf in den USA Ländern wie Frankreich, England, Polen, Dänemark und nicht zuletzt auch Deutschland ins Stammbuch schreibt.

Es sind aber auch Fragen, die in den USA in der hitzigen Schlacht des Augenblicks keinen Platz finden.

Gemütliche Selbstgefälligkeit

Die Vereinigten Staaten sind nach dem monatelangen Wahlkämpfen so mürbe gekocht und polarisiert, dass sie vor laufenden Kameras und Echtzeit-Twitternachrichten auseinanderzufallen scheinen. Für diesen Wahlkampf ist es zu spät, eine gelebte Auseinandersetzung zu führen über den Umgang mit Tabus und die Frage, auf welchem moralischen Fundament ein Land stehen will. Politiker anderer Länder, die vor großen Wahlen stehen, haben noch ein wenig Zeit, den gemütlichen Ort der Selbstgefälligkeit zu verlassen und sich der Wirklichkeit zu stellen, in der die echten Menschen leben.

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Ines Pohl Büroleiterin DW Studio Washington@inespohl